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Mit einem 2002er KGV von 9 wäre Thiel Logistik recht günstig bewertet, dennoch verfällt der Aktienkurs seit Wochen dramatisch. Um für etwas mehr Klarheit zu sorgen interviewte DER SPEKULANT den Firmengründer und Vorstandsvorsitzenden Günter Thiel.
Als gelernter Speditionskaufmann hat der 1952 geborene und aus Trier stammende Günter Thiel mehrere leitende Funktionen in dieser Branche bekleidet, bevor er 1985 die erste Thiel-Gesellschaft, die Agnes Transport Internationaux S.à.r.l. in Grevenmacher, Luxemburg, ins Leben rief. Sieben Jahre später zählte er zu den Gründungsmitgliedern der Rechtsvorgängerin der heutigen Thiel Logistik AG, der Thiel & Associés S.A., ebenfalls in Grevenmacher ansässig. Günter Thiel leitet mittlerweile ein Unternehmen, das mit über 9.000 Mitarbeitern weltweit vertreten ist. Unter seiner Führung entwickelte sich die Thiel-Gruppe zum Global Player und zu einem der wichtigsten Komplettanbieter IT-gesteuerter Logistikdienstleistungen.
1.
DER SPEKULANT: Herr Thiel, am Montag wurden die Aktien Ihres Unternehmens kurz nach Handelsbeginn bei unter 7 Euro gehandelt. Insgesamt wurden gestern an den deutschen Börsenplätzen über 11 Mio. Aktien von insgesamt 82,54 Mio. ausstehenden Aktien umgesetzt. Also mehr als ein Zehntel der Firma. Wie erklären Sie sich diesen dramatischen Abgabedruck?
GÜNTER THIEL: Am Montag kam es durch viele schlecht greifbare Gerüchte zu einem starken Abgabedruck. Ein Grund ist sicherlich die starke Verunsicherung der Anleger am Neuen Markt durch die Reihe von Insolvenzen und Bilanzmanipulationen anderer Marktteilnehmer.
2.
DER SPEKULANT: Es gibt das Gerücht, dass Fonds aus den USA größere Positionen verkaufen würden. Wie ist Ihr Wissensstand?
GÜNTER THIEL: In den letzten Wochen gaben vor allem amerikanische und britische Fonds Aktien des Neuen Marktes ab. Hier scheint das Vertrauen der Anleger in den Neuen Markt als Segment so stark erschüttert, dass die Fonds radikal aus den Werten aussteigen.
3.
DER SPEKULANT: Sehr stabilisierend wirkte die Ankündigung, dass Ihr Unternehmen ein Aktienrückkaufsprogramm starten wolle. Nun ist die Thiel Logistik AG ein Luxemburger Unternehmen. Können Sie uns kurz skizzieren welche rechtlichen Schritte für den Beschluss eines Aktienrückkaufsprogramms notwendig sind? In Deutschland kann so eine Maßnahme nur eine Hauptversammlung beschließen.
GÜNTER THIEL: Die rechtliche Grundlage für dieses Aktienrückkauf-Programm bildet Art. 49-2, Abs. 2, des luxemburgischen Gesellschaftsgesetzes. Danach dürfen auch ohne detaillierten Beschluss der Generalversammlung bis zu 10 % der eigenen Aktien von der Gesellschaft zurückgekauft werden, wenn dies notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Eine entsprechende Ermächtigung enthält Art. 5, Abs. 12 der Satzung der Thiel Logistik AG. Bei der Realisierung von Outsourcing-Projekten - insbesondere bei der Anbahnung derselben - ist wegen der üblicherweise langen Laufzeiten und dem Bedarf an Investitionen zur Neugestaltung der Versorgungsprozesse die Frage der Bonität des Dienstleisters für den Kunden von großer Bedeutung. Wenn innerhalb kürzester Zeit ohne fundamentale Grundlage der Aktienkurs der Thiel Logistik AG signifikant sinkt (d.h. deutlich außerhalb üblicher Marktschwankungen), so ist dies grundsätzlich geeignet, laufende Gespräche über Neugeschäfte oder die Verlängerung bestehender Verträge zu erschweren bzw. den Abschluss zu verzögern und so dem Unternehmen einen unmittelbar drohenden, schweren wirtschaftlichen Schaden zu verursachen.
Durch den starken Kursverlust am 22. April sahen wir uns veranlasst, diese Maßnahme anzukündigen.
4.
DER SPEKULANT: Im März 2002 wurden 5,75 Mio. Aktien zu 17,70 Euro (Erlös 101,8 Mio. Euro) platziert, um weiteres Working Capital für Großaufträge zu erhalten. Nun sollen einen Monat später liquide Mittel zum Rückkauf von Aktien verwendet werden. Ist der Ärger über den unter Druck stehenden Aktienkurs derzeit größer als das Auftragspotential?
GÜNTER THIEL: Das Auftragspotential der Thiel Logistik AG ist weiterhin sehr hoch. Sicherlich ist der derzeitige Verlauf des Aktienkurses nicht mehr rational nachzuvollziehen.
5.
DER SPEKULANT: Für das laufende Geschäftsjahr 2002 ist ein Umsatz von 1,61 Mrd. Euro und ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 109 Mio. Euro geplant. Diese Planzahlen sind laut Ad hoc-Mitteilung von Montag Nachmittag also noch intakt?
GÜNTER THIEL: Wir sehen keine Notwendigkeit die Planzahlen zu korrigieren, weder nach unten noch nach oben. Die Indikatoren, die wir bereits vom ersten Quartal haben, bestätigen das auch, dass das bisherige Geschäftsjahr im Plan ist. Außerdem sind die Projekte, über die wir derzeit mit potentiellen Kunden sprechen, noch nicht in den Planzahlen für 2002 miteinbezogen.
6.
DER SPEKULANT: Derzeit ist "Goodwill" ein Reizthema. In der 2001er Bilanz der Thiel Logistik AG ist ein Firmenwert von 125 Mio. Euro auf der Aktiva-Seite zu finden. Das Eigenkapital lag zu diesem Zeitpunkt bei einem Wert von 273 Mio. Euro (Bilanzsumme: 659 Mio. Euro). Wie sehen Sie die Werthaltigkeit dieses Goodwill? Würde er zur Gänze abgeschrieben wären die Eigenmittel per 31.12.2001 bei 148 Mio. Euro oder weniger als der Hälfte der Verbindlichkeiten von 380 Mio. Euro gelegen.
GÜNTER THIEL: Das kann man so nicht sagen:
1. Der Goodwill ist werthaltig.
2. Bei einer 100 % Abschreibung des Goodwills ergibt sich auf die verringerte Bilanzsumme ein Eigenkapital von fast 30 %. Das ist komfortabel.
3. Bei den Verbindlichkeiten kann man nur die Finanzschulden betrachten, denn auf der Aktiv-Seite stehen auch entsprechende Forderungen aus Lieferungen und Leistungen.
7.
DER SPEKULANT: Herr Thiel, Sie haben laut Mitteilungen an die Deutsche Börse in der letzten Zeit Ihren Bestand an Thiel Logistik-Aktien aufgestockt. Hat die Thiel Logistik AG Ihnen oder anderen Organmitgliedern in den letzten Monaten Darlehen eingeräumt?
GÜNTER THIEL: Nein.
8.
DER SPEKULANT: Es war vor kurzem von einem beabsichtigten Rückzug vom Neuen Markt die Rede (F.A.Z.-Radio, 12.4.2002). Gibt es konkrete Überlegungen einer Notiz in einem anderen Börsensegment als dem Neuen Markt?
GÜNTER THIEL: Als Luxemburgisches Unternehmen kann die Thiel Logistik AG nicht in den DAX oder den MDAX wechseln. Ich stehe fest zum Neuen Markt, wünsche mir aber eine Verbesserung des Regelwerks und die konsequentere Ausübung von Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln. In einigen Jahren wird die Thiel Logistik AG wahrscheinlich jedoch zu groß für dieses Segment werden. Dann würden wir einen Wechsel des Segments in Erwägung ziehen.
9.
DER SPEKULANT: Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Aktienkurses?
GÜNTER THIEL: Ich sehe den fairen Wert unserer Aktie bei 25 bis 30 Euro, so wie die meisten Analysten auch.
Ergebnisentwicklung:
2001
Umsatz: 902 Mio.
EBIT: 65,1 Mio.
Ergebnis/Aktie: 0,72
KGV: 14
2002e
Umsatz: 1.700 Mio.
EBIT: 109 Mio.
Ergebnis/Aktie: 1,07
KGV: 9
2003e
Umsatz: 2.168 Mio.
EBIT: 157 Mio.
Ergebnis/Aktie: 1,57
KGV: 6
Werte in Euro, Quelle: Landesbank Baden-Württemberg (13.3.2002)
Mit einem 2002er KGV von 9 wäre Thiel Logistik recht günstig bewertet, dennoch verfällt der Aktienkurs seit Wochen dramatisch. Um für etwas mehr Klarheit zu sorgen interviewte DER SPEKULANT den Firmengründer und Vorstandsvorsitzenden Günter Thiel.
Als gelernter Speditionskaufmann hat der 1952 geborene und aus Trier stammende Günter Thiel mehrere leitende Funktionen in dieser Branche bekleidet, bevor er 1985 die erste Thiel-Gesellschaft, die Agnes Transport Internationaux S.à.r.l. in Grevenmacher, Luxemburg, ins Leben rief. Sieben Jahre später zählte er zu den Gründungsmitgliedern der Rechtsvorgängerin der heutigen Thiel Logistik AG, der Thiel & Associés S.A., ebenfalls in Grevenmacher ansässig. Günter Thiel leitet mittlerweile ein Unternehmen, das mit über 9.000 Mitarbeitern weltweit vertreten ist. Unter seiner Führung entwickelte sich die Thiel-Gruppe zum Global Player und zu einem der wichtigsten Komplettanbieter IT-gesteuerter Logistikdienstleistungen.
1.
DER SPEKULANT: Herr Thiel, am Montag wurden die Aktien Ihres Unternehmens kurz nach Handelsbeginn bei unter 7 Euro gehandelt. Insgesamt wurden gestern an den deutschen Börsenplätzen über 11 Mio. Aktien von insgesamt 82,54 Mio. ausstehenden Aktien umgesetzt. Also mehr als ein Zehntel der Firma. Wie erklären Sie sich diesen dramatischen Abgabedruck?
GÜNTER THIEL: Am Montag kam es durch viele schlecht greifbare Gerüchte zu einem starken Abgabedruck. Ein Grund ist sicherlich die starke Verunsicherung der Anleger am Neuen Markt durch die Reihe von Insolvenzen und Bilanzmanipulationen anderer Marktteilnehmer.
2.
DER SPEKULANT: Es gibt das Gerücht, dass Fonds aus den USA größere Positionen verkaufen würden. Wie ist Ihr Wissensstand?
GÜNTER THIEL: In den letzten Wochen gaben vor allem amerikanische und britische Fonds Aktien des Neuen Marktes ab. Hier scheint das Vertrauen der Anleger in den Neuen Markt als Segment so stark erschüttert, dass die Fonds radikal aus den Werten aussteigen.
3.
DER SPEKULANT: Sehr stabilisierend wirkte die Ankündigung, dass Ihr Unternehmen ein Aktienrückkaufsprogramm starten wolle. Nun ist die Thiel Logistik AG ein Luxemburger Unternehmen. Können Sie uns kurz skizzieren welche rechtlichen Schritte für den Beschluss eines Aktienrückkaufsprogramms notwendig sind? In Deutschland kann so eine Maßnahme nur eine Hauptversammlung beschließen.
GÜNTER THIEL: Die rechtliche Grundlage für dieses Aktienrückkauf-Programm bildet Art. 49-2, Abs. 2, des luxemburgischen Gesellschaftsgesetzes. Danach dürfen auch ohne detaillierten Beschluss der Generalversammlung bis zu 10 % der eigenen Aktien von der Gesellschaft zurückgekauft werden, wenn dies notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Eine entsprechende Ermächtigung enthält Art. 5, Abs. 12 der Satzung der Thiel Logistik AG. Bei der Realisierung von Outsourcing-Projekten - insbesondere bei der Anbahnung derselben - ist wegen der üblicherweise langen Laufzeiten und dem Bedarf an Investitionen zur Neugestaltung der Versorgungsprozesse die Frage der Bonität des Dienstleisters für den Kunden von großer Bedeutung. Wenn innerhalb kürzester Zeit ohne fundamentale Grundlage der Aktienkurs der Thiel Logistik AG signifikant sinkt (d.h. deutlich außerhalb üblicher Marktschwankungen), so ist dies grundsätzlich geeignet, laufende Gespräche über Neugeschäfte oder die Verlängerung bestehender Verträge zu erschweren bzw. den Abschluss zu verzögern und so dem Unternehmen einen unmittelbar drohenden, schweren wirtschaftlichen Schaden zu verursachen.
Durch den starken Kursverlust am 22. April sahen wir uns veranlasst, diese Maßnahme anzukündigen.
4.
DER SPEKULANT: Im März 2002 wurden 5,75 Mio. Aktien zu 17,70 Euro (Erlös 101,8 Mio. Euro) platziert, um weiteres Working Capital für Großaufträge zu erhalten. Nun sollen einen Monat später liquide Mittel zum Rückkauf von Aktien verwendet werden. Ist der Ärger über den unter Druck stehenden Aktienkurs derzeit größer als das Auftragspotential?
GÜNTER THIEL: Das Auftragspotential der Thiel Logistik AG ist weiterhin sehr hoch. Sicherlich ist der derzeitige Verlauf des Aktienkurses nicht mehr rational nachzuvollziehen.
5.
DER SPEKULANT: Für das laufende Geschäftsjahr 2002 ist ein Umsatz von 1,61 Mrd. Euro und ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 109 Mio. Euro geplant. Diese Planzahlen sind laut Ad hoc-Mitteilung von Montag Nachmittag also noch intakt?
GÜNTER THIEL: Wir sehen keine Notwendigkeit die Planzahlen zu korrigieren, weder nach unten noch nach oben. Die Indikatoren, die wir bereits vom ersten Quartal haben, bestätigen das auch, dass das bisherige Geschäftsjahr im Plan ist. Außerdem sind die Projekte, über die wir derzeit mit potentiellen Kunden sprechen, noch nicht in den Planzahlen für 2002 miteinbezogen.
6.
DER SPEKULANT: Derzeit ist "Goodwill" ein Reizthema. In der 2001er Bilanz der Thiel Logistik AG ist ein Firmenwert von 125 Mio. Euro auf der Aktiva-Seite zu finden. Das Eigenkapital lag zu diesem Zeitpunkt bei einem Wert von 273 Mio. Euro (Bilanzsumme: 659 Mio. Euro). Wie sehen Sie die Werthaltigkeit dieses Goodwill? Würde er zur Gänze abgeschrieben wären die Eigenmittel per 31.12.2001 bei 148 Mio. Euro oder weniger als der Hälfte der Verbindlichkeiten von 380 Mio. Euro gelegen.
GÜNTER THIEL: Das kann man so nicht sagen:
1. Der Goodwill ist werthaltig.
2. Bei einer 100 % Abschreibung des Goodwills ergibt sich auf die verringerte Bilanzsumme ein Eigenkapital von fast 30 %. Das ist komfortabel.
3. Bei den Verbindlichkeiten kann man nur die Finanzschulden betrachten, denn auf der Aktiv-Seite stehen auch entsprechende Forderungen aus Lieferungen und Leistungen.
7.
DER SPEKULANT: Herr Thiel, Sie haben laut Mitteilungen an die Deutsche Börse in der letzten Zeit Ihren Bestand an Thiel Logistik-Aktien aufgestockt. Hat die Thiel Logistik AG Ihnen oder anderen Organmitgliedern in den letzten Monaten Darlehen eingeräumt?
GÜNTER THIEL: Nein.
8.
DER SPEKULANT: Es war vor kurzem von einem beabsichtigten Rückzug vom Neuen Markt die Rede (F.A.Z.-Radio, 12.4.2002). Gibt es konkrete Überlegungen einer Notiz in einem anderen Börsensegment als dem Neuen Markt?
GÜNTER THIEL: Als Luxemburgisches Unternehmen kann die Thiel Logistik AG nicht in den DAX oder den MDAX wechseln. Ich stehe fest zum Neuen Markt, wünsche mir aber eine Verbesserung des Regelwerks und die konsequentere Ausübung von Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln. In einigen Jahren wird die Thiel Logistik AG wahrscheinlich jedoch zu groß für dieses Segment werden. Dann würden wir einen Wechsel des Segments in Erwägung ziehen.
9.
DER SPEKULANT: Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Aktienkurses?
GÜNTER THIEL: Ich sehe den fairen Wert unserer Aktie bei 25 bis 30 Euro, so wie die meisten Analysten auch.
Ergebnisentwicklung:
2001
Umsatz: 902 Mio.
EBIT: 65,1 Mio.
Ergebnis/Aktie: 0,72
KGV: 14
2002e
Umsatz: 1.700 Mio.
EBIT: 109 Mio.
Ergebnis/Aktie: 1,07
KGV: 9
2003e
Umsatz: 2.168 Mio.
EBIT: 157 Mio.
Ergebnis/Aktie: 1,57
KGV: 6
Werte in Euro, Quelle: Landesbank Baden-Württemberg (13.3.2002)