DAX wird in kommenden Wochen weiter steigenMit weiter steigenden Notierungen im DAX rechnen Aktienstrategen und Volkswirte für die kommenden Wochen. Dabei sei ein Anstieg bis auf mindestens 3.200 Punkte wahrscheinlich, heißt es. Grund für die positive Einstellung sei unter anderem die weiter existente Unterbewertung des deutschen Aktienindex. Auf der anderen Seite bestehe die Hoffnung auf sich verbessernde Konjunkturdaten. Den Investoren raten die Aktienstrategen daher, Schwächephasen am Markt zum weiteren Aufbau von Positionen zu nutzen.
"Der deutsche Aktienmarkt ist vor dem Hintergrund verschiedener Bewertungskennzahlen und Bewertungsmethoden vergleichsweise günstig bewertet", sagt Christian Jasperneite, Volkswirt bei M.M. Warburg. Grund für diese Überlegungen sei unter anderem die Tatsache, dass gerade der deutsche Markt besonders risikosensibel reagiere und bei einer rückläufigen Risikoprämie ein deutlich höheres Bewertungspotenzial aufweise als andere Märkte. Genau dies habe sich auch in den vergangenen Wochen gezeigt: So sei die weltpolitische Entspannung mit einem Rückgang der Risikoprämie einher gegegangen, wobei sich der Rückgang direkt in stark steigenden DAX-Indexständen niedergeschlagen habe.
Auch Dividendendiskontierungsmodelle zeigten bei Verwendung der Konsensschätzungen implizite Gewinnwachstumsraten für die kommenden Jahre an, die unplausibel niedrig erschienen und damit auf eine Unterbewertung hinwiesen, sagt Jasperneite. Und selbst bei Verwendung äußerst konservativer Gewinnschätzungen könnten implizite Gewinnwachstumsraten abgeleitet werden, die immer noch als realisierbar eingestuft werden müssten, da sie ungefähr auch dem historischen Durchschnitt entsprächen.
Demgegenüber sind den weiteren Angaben zufolge Ende der 90er Jahre in den Kursen geradezu abenteuerliche implizite Wachstumsraten unterstellt worden, die unter keinen Umständen jemals hätten erreicht werden können. Diese Übertreibungen seien nun vollkommen abgebaut, und auch das jetzige schon wieder deutlich gestiegene Kursniveau bilde noch eine solide Basis für einen weiteren Aufschwung. "Unsere Bewertungsmodelle weisen darauf hin, dass selbst bei einer konservativen Gewinnschätzung der DAX erst bei 3.400 Punkten fair bewertet wäre, wenn die Risikoprämie auf ihr historisches Normalmaß zurückgehen würde", so der Volkswirt.
Sollte sich die Lage im Irak weiterhin günstig entwickeln und eine Fortsetzung der geopolitischen Entspannung bei einem stabilen Ölpreis zu beobachten sein, dann ist der Rückgang der Risikoprämie auf ein Normalniveau nicht ausgeschlossen, heißt es weiter. Zudem sei das Verhältnis von Marktkapitalisierung zu Wertschöpfung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern lächerlich gering, und auch der Vergleich der Liquiditätsentwicklung auf Basis der Geldmengenaggregate spräche eher für deutsche oder europäische Aktien als für US-Aktien.
Die Liquidität steige trotz geringen Wirtschaftswachstums in Europa immer noch stetig an, während das Geldmengenwachstum in den USA trotz der expansiven Geldpolitik schon wieder stark rückläufig sei. "Da aber langfristig die Geldmengenentwicklung immer auch ihre Spuren in der Aktienmarktentwicklung hinterlässt, dürften europäische und damit deutsche Aktien insgesamt stärker von einem Aufschwung am Aktienmarkt partizipieren als US-Aktien", sagt Jasperneite.
Auch Gerhard Schwarz, Aktienstratege bei der HypoVereinsbank, rechnet in den kommenden drei Monaten mit einer Fortsetzung der Kursgewinne im DAX. Dabei erwartet der Stratege einen Anstieg bis auf rund 3.200 Punkte. Dort sei der Index auf Basis der Gewinnschätzungen für 2004 fair bewertet. Investoren, die bereits positioniert seien, sollten ihre Engagements halten. "Wer noch nicht investiert ist, sollte Rückschläge zum Aufbau von Positionen nutzen", sagt Schwarz. Vor allem die Sektoren Finanzen, Technologie und Zykliker dürften in dieser Aufwärtsbewgung überproportional zulegen.
In Erwartungen steigender US-Frühindikatoren und eines anziehenden Konsumentenvertrauens erwartet auch Volker Borghoff, Aktienstrage bei HSBC Trinkaus & Burkhard, in den kommenden sechs bis acht Wochen weiter leicht steigende DAX-Notierungen. Es sei zudem davon auszugehen, dass auf Grund der Irak-Krise vorerst zurückgestellte Aufträge jetzt im zweiten Quartal ausgeführt würden. Als wahrscheinliches Kursziel für den DAX nennt Borghoff dabei ebenfalls das Niveau um 3.200 Zähler.
Auf längere Sicht ist er allerdings weniger zuversichtlich: "Der DAX ist jetzt schon überbewertet und dürfte Ende 2003 unter 3.200 Zählern notieren."Auch wenn die Investoren die Risiken von der Lungenkrankheit SARS und des schwachen Dollars nicht außer Acht lassen dürften, sei die aktuelle Marktphase positiv für Aktien. Für ihn profitieren dabei vor allem die Sektoren Technologie, Industrie und Chemie. Dagegen dürften sich Pharma, Versorger, Telekom und Konsum etwas schlechter entwickeln als der Markt.
Ein Anstieg des DAX auf 3.200 Punkte gilt auch für die Strategen der Landesbank Baden-Württemberg in den kommende Wochen als wahrscheinlich. Im besten Fall könnte der Leitindex sogar bis auf 3.800 Zähler klettern. Als Grund führen sie die sich deutlich verbessrte Stimmung an den weltweiten Aktienmärkten in Folge des überraschend schnellen Ende des Irak-Krieges an. Die Angebots-Nachfrage-Situation habe damit vollständig gewechselt. Die Verkäufer hätten sich zurückgezogen und der zwar vorsichtige, aber doch stetige Positionsaufbau institutioneller Anleger dominiere das Geschehen.
In den kommenden Wochen wird den weiteren Angaben zufolge die gerade angelaufene Quartalsberichtserstattung im Fokus der Investoren stehen. Die ersten Daten deuteten dabei auf einen tendenziell positiven Verlauf hin. Daher bestehe durchaus die berechtigte Hoffnung, dass die Zeit der Abwärtsrevisionen bei den geschätzten Gewinnen ein Ende finde. "Damit hat der Markt trotz des rasanten Kursanstieges der vergangenen Wochen unter Bewertungsgesichtspunkten weiteres Potenzial", sagen die Aktienstrategen.
+++ Simon Steiner
vwd/28.4.2003/sst/rib/ll