Wohnflächenkonsum als Thema nachhaltiger Lebensstile adressieren
In Deutschland ist die individuell beanspruchte Fläche für Wohnen (sog. Wohnflächeninanspruchnahme pro Kopf) in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Während die Wohnfläche pro Kopf im Jahr 1965 bei 22,3 m² lag, stieg sie bis auf 39,3 m² pro Per son im Jahr 1998 und weiter auf 47,7 m² pro Person im Jahr 2020. Gründe sind der wachsende Anteil an Ein- und Zwei-Personen Haushalten sowie Haushalte, die nach dem Auszug der Kinder auf großer Wohnfläche wohnen bleiben, sowie insgesamt der Trend zu größeren Wohnflächen je Wohneinheit, u.a. in Ein- und Zweifamilienhäusern (vgl. Infokasten auf S. 18 kompakte vs. kleinteilige Bauformen). Der Trend zur wachsenden Pro-Kopf-Wohnfläche ist aus Perspektive des Klima- und Umweltschutzes sehr problematisch. Die UBA-Studie „Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität (RESCUE)“ sieht mittelfristig eine Absenkung des Wohnflächenkonsums pro Kopf auf maximal rund 41m² pro Person als erforderlich an, um umwelt-, klima- und ressourcenpolitische Ziele zu erreichen. Mit dem wachsenden Wohnflächenbedarf werden ansonsten Effizienzgewinne durch energetische Sanierung teilweise hinfällig, Energiebedarf, Ressourceneinsatz und Flächeninanspruchnahme entwickeln sich in die falsche Richtung. Hinzu kommen soziale und ökonomische Folgen, wie hohe Nebenkosten, insbesondere angesichts der aktuellen Neujustierung der Energieversorgung und den steigenden Energiekosten.
Die Nutzung von Wohnfläche bestimmt sich jedoch stark aus privaten Situationen heraus und folgt nur in Grenzen einer bewussten Konsumentscheidung. Sie ergibt sich bspw. aus dem biografischen Verlauf (bspw. ältere Personen die nach Auszug der Kinder zu zweit oder allein in einem großen Haus zurück bleiben) oder aus ökonomischen Rahmenbedingungen (bspw. Familien, die sich in angespannten Wohnungsmärkten nicht mit angemessenem Wohnraum versorgen können, obwohl sie es wollten). Zugleich besteht bei Umzugsentscheidungen die Möglichkeit, Wohnfläche als Entscheidungskriterium bewusster zu berücksichtigen. Die wachsende Wohnfläche pro Kopf ist daher ein sowohl räumlich als auch sozial zu differenzierendes Handlungsfeld, das hier nur angerissen werden kann. Trotz dieser Komplexität müssen gerade innovative Suffizienzansätze im Kontext der nach haltigen Wohnraumversorgung noch viel intensiver verfolgt und das Handlungsfeld auch politisch stärker adressiert werden für bewusstere Umzugsentscheidungen, wo es die Rahmenbedingungen erlauben. Denn Lösungen und Angebote für eine flexiblere Nutzung des Wohnungsbestands, bspw. leichter teilbare Wohnungen, Unterstützungen für Wohnungstausch oder gemeinschaftliche Wohnformen fristen bisher ein Nischendasein.
Es gilt, die Sensibilität für die ökologische Relevanz des Wohnflächenkonsums pro Kopf in der Politik und Gesellschaft zu schaffen. Dafür müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Umzug aus zu großen Wohnungen zu erleichtern und mögliche sogenann te „lock-in Effekte“ zu überwinden. Zudem müssen Sharing-Konzepte erprobt und gefördert werden. Es geht darum, neue architektonische Ideen umzusetzen wie bspw. Clusterwohnungen, die den individuellen Flächenzuschnitt einzelner Wohnungen verringern und im Gegenzug dafür mehr Gemeinschaftsflächen zur Verfügung stellen. Entscheidend ist hierbei, keine zusätzlichen Flächen zu schaffen, sondern die Größe der individuellen Wohnungen relevant reduzieren zu können und zugleich einen Nutzen hinsichtlich des sozialen Zusammenlebens in der Nachbarschaft zu schaffen.
www.umweltbundesamt.de/sites/default/...a_pos_wohnraum_bf.pdf