Mails/Nachrichten vom 29.04.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
ich habe den Eindruck, die Nerven liegen blank. Wenn man die Wochenendpresse gelesen hat, herrscht absolute Ratlosigkeit. Das war zu erwarten, denn in der Tat liegen die zwei schwierigsten Wochen dieses Jahres hinter uns. Was jetzt noch folgt, ist schon mit weniger Brisanz behaftet. Ich bin daher nicht sicher, ob schon in dieser Woche oder in der kommenden, also ab 6. Mai, investiert werden muß. Das wird die Markttechnik im Verlauf der nächsten drei bis vier Tage zeigen. Auf den Punkt gebracht:
1. Die amerikanische Konjunktur läuft richtig. + 5,8 % sind natürlich nicht durchzuhalten, 3 - 3,2 % als Jahresrate wären schon sehr gut. In dieser Woche kommen dazu die US-Verbraucherbefragungen und der Einkaufsmanagerindex. Diese Zahlen enthalten aber einige Unsicherheiten. Stichwort: Basiseffekt.
2. Der Dollar geht in die Richtung, wie in der AB Nr. 13 beschrieben. Der Euro hat als nächstes Ziel 95 Cents und anschließend geht es hart an die Grenze 1:1. Das ergäbe die im genannten Brief skizzierte Abwertung des Dollar um rd. 12 % als Mittelwert. Entsprechend wertet sich der Euro auf. Nebenerscheinung:
3. Den Goldpreis sehe ich im Jahresverlauf bei 340 $ und anschließend noch 10 - 15 % höher, was im Moment noch etwas vage ist. Die Gründe habe ich in der AB beschrieben, aber Sie sollten ebenfalls beachten: Jeder feste Goldpreis ist stets mit einer gewissen Labilität des Dollars verbunden.
4. Größte Probleme haben weiterhin weltweit alle Technologietitel mit deutlicher Überkapitalisierung. Das gilt also nicht für alle Technologieaktien, sondern für die berühmten Übertreibungen, die nach wie vor noch nicht alle auf dem Boden der Tatsachen gelandet sind. Jüngstes Beispiel: JDS UNIPHASE hat inzwischen sage und schreibe über 42 Mrd $ kaputt gemacht, setzt selbst nur noch 2,5 Mrd $ pro Jahr um, hat über 85 % Kursverlust hinter sich, aber dennoch einen Börsenwert von beachtlichen 5,4 Mrd $. Wer sagt mir, wo der faire Kurs liegt?
5. Psychologie spielt eine wichtige Rolle. DYNEGY war letzte Woche dran. Glatte Halbierung des Kurses, nachdem J.P. Morgan und Salomon Smith Barny plötzlich ENRON-Ängste verspürten und die Bewertungen massiv reduzierten. Selbst der Verwaltungsrat weiß nicht warum. Hier bin ich mit dabei. Die Konsequenzen diskutiere ich in der AB. Solche Abstufungen mögen manchmal richtig sein, aber sie zeigen auch die ungewöhnliche Nervosität der Analysten.
Meine Konsequenz: Ich gehe in dieser Situation auf die Käuferseite. Aber nur in den Fällen, wo die Zahlen/Bewertungen stimmen. Auf einen Dollar oder Euro lege ich mich nicht fest. Ich erwähne aber die zwei wichtigsten Ausdrücke: Erholungspotential ist etwas anderes als Trendpotential. Wer diesen Unterschied nicht permanent im Kopf hat, der hat ein schwieriges Börsenjahr vor sich.
Allein aus diesem Grund veranstalte ich ausschließlich für meine Abonnenten ein Seminar in Zürich. Hier geht es genau um diese Frage: Was ist der Unterschied zwischen den beiden Begriffen, eingeordnet in die Gesamttendenz der Märkte. Dabei steht eines fest: Die Traumkurse von gestern werden in diesen Segmenten nicht mehr erreicht werden. Was aber schafft neue Höchstkurse? Das ist die Frage. Wer will, reserviert über FAX 0041 1 - 910 37 29. Die zwei Auswahltermine sind 21. oder 29. Mai jeweils um 15:00 Uhr. Es wird die vermutlich interessanteste Themenstellung des Jahres.
Frankfurt hat eine ganze Reihe interessanter Termine vor sich. Die DT. BANK und PRO SIEBEN geben heute die Quartalszahlen bekannt. Dazu IDS SCHEER und SALZGITTER. Auf dem Europa-Niveau ist es ABN AMRO mit den Quartalszahlen. Morgen geht es dann weiter mit AGFA GEVAERT, BASF und BRITISH AMERICAN TOBACCO sowie DT. POST (Q1-Zahlen), ferner HOLSTEN, METRO sowie SAP SI (alles Q1-Zahlen). In Paris folgt dann FRANCE TÉLÉCOM. In den USA übrigens PROCTER & GAMBLE. Wichtig:
Am 1. Mai ist Europa geschlossen, aber New York, Tokio und London geöffnet. Dann folgen am Donnerstag die Halbjahreszahlen von ADIDAS und die Q1-Ergebnisse von AVENTIS sowie CIBA in Basel. Interessant wird auch, was RHEINMETALL zu bieten hat und wie die Q1-Zahlen von TECHNOTRANS aussehen. VW kommt am Freitag mit den Q1-Resultaten. Soweit der Überblick.
Die Analysten sind durcheinander. Die einen sind von SIEMENS begeistert (Merck Finck), die anderen streichen die Aktie von der Empfehlungsliste (Lehman Brothers). Was ist davon zu halten? Für DAIMLERCHRYSLER nehmen die Empfehlungen zu, was mich nun wirklich nicht wundert. Gleiches gilt für NESTLÉ, die ich bereits zum Kauf empfahl und dies ausdrücklich wiederhole. Allerdings: Die Aktie stieß bei 380 Fr. vorübergehend an einen Widerstand. Das bedeutet technisches Risiko von etwa 5 %.
Auch hier gilt: Gehen Sie mit den hochkapitalisierten Technologieaktien vorsichtig um. Ich weiß, daß halb Deutschland gern in diesen Titeln spielt. Spielen ist aber nicht investieren, siehe oben. Meine sehr kritische Einschätzung wird vielfach nicht geteilt. Ich bleibe gleichwohl und ausdrücklich dabei.
In Frankfurt gilt: Markttechnik ähnlich wie in den USA und das bedeutet: Sehr wahrscheinlich gehe ich in dieser Woche trotz des Feiertages auf die Kaufseite. Mich beeindruckt die gegenwärtige Stimmung nicht oder doch: Sie ist nämlich ein sicheres Zeichen dafür, daß der Markt dreht. Ich werde also bullish.
Ich wünsche Ihnen damit eine zuversichtliche Woche und verbleibe bis morgen
herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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