Mails/Nachrichten vom 07.02.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
ich war wohl in der falschen Kirche. Meine Gebete von gestern wurden nicht erhört, aber meine Ängste leider bestätigt. Erst Enron und die US-Bilanzen, dann Kirch und schließlich Schrempp ..., das war offenbar zu viel für die Nerven der Börsianer. Damit Sie aber klar sehen, für mich nicht. Vor allem für Daimler, siehe weiter unten. Aber der Reihe nach:
Die amerikanische Börse hängt zwar technisch am seidenen Faden, aber es dürfte wohl auch ein solcher aus gutem Nylon sein. Gestern gab es eine Zahl, die ich schon im Herbst erwähnt hatte, als ich begründete, wie der amerikanische Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit der US-Konjunktur zu sehen ist. Das Stichwort heißt Arbeitsproduktivität.
Die massiven Entlassungen von fast 1,1 Mio im letzten Jahr führten im 4. Quartal zu einer erheblichen Verbesserung der Arbeitsproduktivität. Das ist eigentlich normal. Denn die Zahl der Arbeitsstunden nahm um 3,7 % ab und die stündliche Produktion je Arbeitskraft um 3,5 % zu. Das ist die eine Säule. Und was ist die zweite? Gewinnt ein Unternehmen an Produktivität und hat es vorher die Liquidität durch einen rasanten Ausverkauf seiner Lager ausreichend erweitert, so hat es die beste Ausgangslage für die Ausweitung der Investitionen. Das lernt jeder entweder in der Berufsschule oder im 1. Semester. Genau das ist aber die Voraussetzung für die amerikanische Konjunkturbelebung im Laufe dieses Jahres. Wenn Sie es genauer wissen wollen, wie man es macht, dann lesen Sie das Buch von Jack Welch, welches ich Ihnen ebenfalls im letzten Herbst wärmstens empfohlen habe. Also bitte in den Buchladen gehen. Es ist wie ein Lehrbuch und dazu höchst amüsant geschrieben.
Die Börse konkret: Minus 0,33 % im Dow und minus 1,16 % im Nasdaq sagen mir nichts. Cisco wiederum hat die Prognose angehoben, was ins Bild paßt, aber noch keine große Bedeutung hat. Die Schwäche der Telekomtitel nahm ich gestern zum Anlaß, die Reißleine zu ziehen. Ich hoffe, Sie taten es auch und warten weiter ab. Insbesondere bei Worldcom bin ich nicht sicher, wo Risiken in der Bilanz stecken, die noch nicht aufgetaucht sind. Lediglich bei AT&T beiße ich die Zähne zusammen und bleibe stur. Deshalb hat New York heute für Sie keine Bedeutung. Finger weg.
Der ganzen Nation fuhr der Schreck in die Glieder. DaimlerChrysler kürzt die Dividende und gibt noch eine Gewinnwarnung dazu. Schrempp hat offenbar Jack Welch gelesen. Das ist nur konsequent, aber börsentechnisch diffizil. Bitte
verfolgen Sie es genauer:
Meine fundamentale Meinung zu Daimler kennen Sie. Der Markt sieht es aber im mittelfristigen Verlauf anders. Das zeigt Ihnen der Chart, mit dem übrigens Stockguard arbeitet, was ich Ihnen kürzlich vorgestellt hatte und Sie daran erkennen können, wie man börsentechnisch sauber arbeiten kann. Das hat nichts mit fundamentaler Betrachtung zu tun. Die handschriftlichen
Eintragungen stammen von mir. Also:
In der AB hatte ich geschrieben: Entweder Ausbruch über 51 E. oder Doppelspitze, und dann wird's gefährlich. Die Doppelspitze sehen Sie im Chart. Darunter gibt Ihnen die Markttechnik an beiden Punkten ein ganz klares Warnsignal, sprich Verkaufssignal. Ich hatte daraufhin, ebenfalls in der AB, das Risiko mit 42 E. beschrieben. Gestern wurden es im Tief 41,60 E., am Schluß 42,60 E. Diese Linie sehen Sie wiederum im obigen Chart als
ersten Haltepunkt und nun schauen Sie auf die Markttechnik unten und erkennen, daß nicht sehr viel Raum besteht. Mag sein, daß heute noch einige
Marktnachzügler verkaufen oder aber ... und das ist die große Gefahr:
Gestern sprangen sofort einige Hedge Funds auf die Daimler-Schwäche. Im Xetra-Handel explodierte der Umsatz auf 13,8 Mio Stück oder 100 % mehr als am Vortag. Das ist eine extrem kritische Lage. Natürlich versuchen diese Jungs, den Kurs auf 38 E. oder darunter zu bringen. Sie aber schauen nur auf die Markttechnik, und ich garantiere Ihnen, daß Sie damit sehr exakt den nächsten Kaufkurs ausloten können. Ich werde es im Ticker versuchen. Da ich aber morgen unterwegs bin, bin ich nicht sicher.
Ich wiederhole: Fundamentale Einschätzung wird zeitweise durch solche markttechnische Einflüsse konterkariert. Ich hatte kürzlich in der AB das Wort gewählt: Begrenzter Bewertungsspielraum. Das wird uns in vielen Fällen in diesem Jahr begegnen. Übrigens: Wenn Sie über Stockguard arbeiten lassen oder über BernSTEIN selbst arbeiten, können Sie jede beliebige Zeitachse für alle Ihre Titel wählen und wissen morgens um 9.00 Uhr zum Börsenbeginn in Deutschland genau, wo Sie stehen und was Sie wie veranlassen müssen. Für alles weitere: Telefon 0211 - 828988 0 für Sockguard oder support@bern-stein.de für BernSTEIN.
Mit oder gegen Kirch spekulieren? Das betrifft natürlich Pro Sieben/Sat 1. Vorsichtshalber hatte ich mich vor vier Wochen zurückgezogen. Im Gerüchtestrudel von gestern und der vorgelegten Zahlen +23,3 % auf 5,50 E.: Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, zu tauchen in den Schlund hinab? Schiller läßt grüßen. Ich würde es wagen, obwohl es ein Schlund ist. So geht die Rechnung: Börsenwert 540 Mio E. für den einzigen börsennotierten Privatsender nach Abfindung bei RTL. Wer bietet vor allem wieviel für die Mehrheit? Ich bin sicher, daß es mehr als vier sind. Wo steht dann der Kurs, der auch zu einer Abfindung führen kann? Fundamental ist dieser Sender eine glatte Milliarde E. wert. Das würde sogar Murdoch zahlen.
Der Terminkalender von heute verspricht noch einiges: Adidas ist dran und die Allianz muß belegen, ob das Allfinanz-Konzept stimmt. Wer das bessere hat, darüber referierte ich in der AB Nr. 04. Wenn man auf beide Kurse schaut, also Allianz und Münchener Rück, sieht letztere besser aus. Es kommen ferner MG Tech und ich bin insofern darauf gespannt, ob Kajo Neukirchen etwas über die laufenden Börsenkäufe sagen kann oder will. In Basel präsentiert Novartis gute Zahlen, nämlich +10 % im Umsatz und + 8 % im operativen Gewinn, was etwas zu relativieren ist, weil bei dieser ersten Adresse die Währungsfrage immer eine Rolle spielt. In Lokalwährungen sind es nämlich +14 %. Ein eher desolates Ergebnis präsentiert Philips mit einem überraschend hohen Verlust, nämlich 1,14 Mrd E. im 4. Quartal. Schließlich kommen Unilever und die BT-Group in London. Also randvoller Info-Topf.
Was wird empfohlen: Die West-LB wird bei Porsche unsicher und Merck Finck empfiehlt die Linde-Aktie. Schließlich:
Wo liegt der nächste Zielpunkt für Gold? Wenn Sie sich den Chart angucken, etwa nach obigem 'Muster', kommen Sie sehr schnell zu dem Schluß: Kurzfristig leicht überkauft, aber längerfristig steht eine 3 davor.
Das war's für heute, bis morgen.
Herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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