Gerüchte über "russisches Enron" reißen nicht ab

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Gerüchte über "russisches Enron" reißen nicht ab

 
13.05.02 05:58
Dubiose Geschäfte bei Gaskonzern Gazprom

Moskau - Nach der Milliardenpleite des US-Konzerns Enron geraten auch in Russland immer mehr Wirtschaftsprüfungsgesellschaften unter Beschuss. Der staatliche Ölkonzern Rosneft und die Fluggesellschaft Aeroflot trennten sich nach Jahre langer Zusammenarbeit von Arthur Andersen. Aeroflot beauftragte nun Deloitte & Touche mit der Prüfung der Bücher.

Großen Druck auf die Prüfer machen Investmentbanken, der russische Rechnungshof, der oft zu anderen Ergebnissen kommt als die Wirtschaftsprüfer, sowie die Wertpapieraufsichtsbehörde FKZB. "Wirtschaftsprüfer sollten nicht länger als drei Jahre hintereinander die Bücher von Monopolunternehmen prüfen", fordert Michail Beschmelnizyn vom Rechnungshof. "Nur so können Abhängigkeiten vermieden werden." Die FKZB hatte bereits Ende Februar die "Big Five" der internationalen Wirtschaftsprüfer zu einem Gespräch vorgeladen, um zu sondieren, ob nicht auch in Russland ein Enron-Skandal schlummert.

Besonders hart trifft es Konkurrent PricewaterhouseCoopers (PwC), der bislang Branchenriesen wie die größte russische Bank Sberbank, den Strommonopolisten RAO UES (Vereinigte Energiesysteme) und den Erdgasmonopolisten OAO Gazprom prüfte. Allein für das Gazprom-Testat bekommt PwC zwölf Mio. Dollar pro Jahr. PwC steht wegen angeblich unsauberer Testate bei Gazprom in der Kritik, was die Moskauer Presse schon von einem "russischen Enron" schreiben ließ.

Der Fonds Hermitage Capital Management, Minderheitenaktionär bei Gazprom, hatte Mitte April beim Moskauer Arbitragegericht Klage gegen PwC wegen "bewusst falscher" Buchprüfungen eingereicht. Mitte Mai soll ein Verhandlungstermin festgelegt werden. PwC wies die Anschuldigungen als "komplett haltlos" zurück und kündigte seinerseits Klage gegen Hermitage an. "Unsere Arbeit hat immer allen rechtlichen und professionellen Standards entsprochen", hieß es.

In einem Schreiben an das Finanzministerium forderte Hermitage-Chef William Browder dagegen, PwC die Lizenz zu entziehen. "Unvorteilhafte und zweifelhafte Geschäfte haben Gazprom Verluste in Milliardenhöhe gebracht und zu einer Stagnation des Aktienkurses auf lange Zeit geführt", sagte Browder. PwC habe diese Geschäfte befördert und gedeckt.

Hermitage Capital Management kritisiert die dubiosen Geschäftsbeziehungen zwischen Gazprom und dem US-Unternehmen Itera. 1992 aus dem Nichts entstanden, ist Itera inzwischen eine Größe auf dem Gasmarkt mit eigenen Förderstätten und schnellem Wachstum. Browder meint, aus Gazprom seien zu Lasten der Aktionäre Aktiva abgezogen und praktisch zum Nulltarif an Itera abgegeben worden. So habe Itera von Gazprom den angeblich defizitären Erdgashandel mit den GUS-Staaten übernommen, verdiene damit aber erstaunlich viel Geld. Erdgasfelder seien an Itera zum Schleuderpreis abgegeben worden. Für den 32-Prozent-Anteil an der Gazprom-Tochter Purgas seien gerade einmal 1200 Dollar bezahlt worden, obwohl der Marktwert für das Paket bei 400 Mio. Dollar gelegen haben soll.

Itera, so Browders Verdacht, ist ein Reptilienfonds für Gazprom-Manager. Aufsichtsrat Boris Fjodorow schätzt, dass Gazprom "zwei bis drei Mrd. Dollar Jahr für Jahr durch Vetternwirtschaft, Korruption und Diebstahl verloren" gehen.

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