Georgien: Es geht um US-Ölinteressen

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Georgien: Es geht um US-Ölinteressen

 
23.11.03 21:50
Panzer im Zentrum von Tbilissi. Hintergrund der Auseinandersetzungen: US-Ölinteressen

Kurz vor Redaktionsschluß am Sonntag teilte AP mit, daß der georgische Präsident Eduard Schewardnadse nach Angaben eines Oppositionspolitikers seine Rücktrittserklärung unterzeichnet hat. Zuvor hatte Schewardnadse den oppositionellen Demonstranten, die am Samstag die konstituierende Sitzung des Parlaments gestürmt hatten und das Gebäude seither besetzt hielten, noch ein Ultimatum von 48 Stunden zum Abzug gesetzt.

Dagegen hatte Oppositionsführer Michail Saakaschwili, der von einer »samtenen Revolution« sprach, seine 20000 Anhänger dazu aufgerufen, auch das Innenministerium zu stürmen, damit Schewardnadse die Parlamentarier nicht dorthin zu einer Notsitzung zusammenrufen könne. Nach seinen Direktiven sollten auch das Staatsfernsehen und die Lokalverwaltungen durch ein Go-In von Schewardnadse Anhängern »gesäubert« werden. Die Loyalität der Regierungstruppen, die strategische Gebäude im Stadtzentrum auch mit Panzern gesichert haben, bröckelt: 120 Soldaten der Nationalgarde sind am Sonntag zu den Demonstranten übergelaufen.

In den westlichen Medien wird behauptet, daß in Georgien ein Volksaufstand stattfände, der durch den Betrug bei den Parlamentswahlen vom 2. November ausgelöst worden sei. Nun ist allerdings selten ein Volksaufstand so bescheiden ausgefallen wie dieser: 20 000 Demonstranten sind bei einer Gesamtbevölkerung von  ünf Millionen gerade vier Promille, so viel (besser: so wenig) hat die Regierungskoalition in den letzten Tagen auch mobilisiert. Zwar spricht sehr viel dafür, daß die Wahlen zugunsten von Schewardnadse und seinen Verbündeten gefälscht wurden – das heißt aber noch lange nicht, daß die Parteien, die nun in Tbilissi geputscht haben, die Mehrheit erhalten hätten. Den entscheidenden Fehler bei der Nachprüfung der Wahlergebnisse begeht man, wenn man nicht die Ergebnisse aller Parteien berücksichtigt. So wird meistens nur das Ergebnis der Schewardnadse-Partei »Für ein neues Georgien« (21 Prozent) und der verbündeten »Union der Demokratischen Wiedergeburt« (knapp 19 Prozent) mit dem Resultat der prowestlichen Opposition verglichen, also Saakaschwilis »Nationaler Bewegung« (ebenfalls knapp 19 Prozent), des »Demokratischen Blocks« von Nino Burdschanadse (knapp neun Prozent) und der »Neuen Rechten« (über sieben Prozent). Die Zahlen der einen seien nach oben, die der anderen nach unten gefälscht worden, heißt es. Obwohl das plausibel ist, ergibt sich ein ganz neues Bild, wenn man ein drittes politisches Lager berücksichtigt, das gleichermaßen Schewardnadse und die Opposition kritisiert, weil beide das Land ausplünderten und an den Westen verkauften. Diese Kraft wird gebildet von der Arbeiterpartei (zwölf Prozent) und der Partei »Die Industrie wird Georgien retten« (knapp  unter sieben Prozent). Beide haben sich nicht an den Demonstrationen der bürgerlichen Opposition beteiligt. Es fällt auf, daß der Westen den Wahlbetrug solange nicht kritisierte, wie die Hoffnung bestand, daß sich Schewardnadse mit Saakaschwili und Burdschanadse einigen könnte. Als ein Dreiergipfel am 9. November platzte, weil die Opposition zu keinerlei Kompromissen bereit war, suchte sich der angeschlagene Präsident einen neuen Partner: Aslan Abaschidse, Präsident der Teilrepublik Adscharien. Seine »Union der Demokratischen Wiedergeburt« ist bei den Wahlen landesweit zur zweitstärksten Kraft geworden, weil sie allein in Adscharien 95 Prozent aller Stimmen bekommen hat. Obwohl hier mit Sicherheit nachgeholfen wurde, darf man von einer gewissen Beliebtheit des »Großväterchens« – »Babu« ist der Kosename für Abaschidse – in der Region ausgehen: Der Lebensstandard ist höher als im Rest des Landes, Bürgerkriegstruppen und Mafiaclans hält der Regionalführer auf Distanz.

Für den Westen am gefährlichsten ist aber, daß Abaschidse Georgien wieder an die Seite Rußlands führen will. Mit ihm als Partner wäre Schewardnadse, der nach dem 11. September bereits 100 US Militärausbilder ins Land geholt und die NATO-Mitgliedschaft beantragt hat, zu einer Kurskorrektur und zum Ausgleich mit Putin gezwungen. Undenkbar etwa, wenn infolgedessen Georgien den Bau der derzeit weltgrößten Pipeline storniert, mit der BP Amoco ab 2006 aserbaidschanisches Öl über die Türkei nach Westen liefern will, und statt dessen in eine russische Alternativpipeline investiert. Um dies zu verhindern, hat sich die US-amerikanische Soros-Stiftung in den letzten zwei Wochen »massiv in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates eingemischt«, so Schewardnadse. Abaschidse spricht gar von einem »von den Amerikanern finanzierten Umsturz«.

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Grüße

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