Euro am Sonntag 48/03

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BeMi:

Euro am Sonntag 48/03

 
30.11.03 11:54
TELEFON-AUSKUNFT - Da wurde schon geholfen (EurAmS)

30.11.2003
 
Telegate hat den Turnaround geschafft - in diesem Jahr wird der erste Nettogewinn seit 1999 anvisiert. Und auch Wachstum ist wieder angesagt: Der Auskunftanbieter will bis 2006 zweistellig zulegen. Gute Aussichten für Anleger?
von Thomas Schmidtutz

Die Sache war für die traditionsgewohnten Briten einigermaßen verwirrend. Jahrzehntelang wählten sie 192, wenn sie auf der Suche nach dem nächstgelegenen Tierarzt für den Kanarienvogel waren oder die Rufnummer der Angebeteten von nebenan wissen wollten. Doch Ende August war’s damit vorbei. Nach 46 Jahren wurde diese Nummer abgeschaltet. Buchstäblich über Nacht buhlten neben Ex-Monopolist British Telecom 13 neue Telefonauskunftanbieter um die Kunden - und alle Nummern beginnen mit 118.

Wer sollte sich da zurecht finden? Keiner. Innerhalb weniger Tage brach landesweit die Zahl der Anrufer um über ein Drittel ein. Dabei hatten sich die Anbieter viel Mühe gegeben. Mit griffigen Werbe-Slogans und millionenschweren Etats waren etwa US-Spezialist Infonxx oder die irische Conduit in die Schlacht um den größten europäischen Telefonauskunftmarkt gezogen.

Nur eine hielt sich im Sommer vornehm zurück - die bayerische Telegate. Dieses teutonische Understatement könnte sich nun auszahlen. Während die Konkurrenz ihre Marketing-Budgets in einem fallenden Markt verpulvert hat, legt das Unternehmen aus Martinsried bei München nun erst richtig los. Auf den Telefonbüchern von Thomson, das wie Telegate zur italienischen Gruppe Seat Pagine Gialle gehört, prangt seit Anfang Oktober die Nummer von Telegate. Das hilft: Seit ein paar Wochen ziehen die Anrufe im britischen Telegate-Call-Center an.

Die Bayern kennen sich eben mit liberalisierten Märkten aus: Der Rückgang der Anrufer in Großbritannien sei "eine typische Reaktion", erläutert Telegate-Vorstand und -Mitgründer Klaus Harisch. Auch als der deutsche Markt 1997 freigegeben wurde, brach die Zahl der Calls mächtig ein. Immerhin 27 Anbieter gingen damals an den Start. Heute teilen sich zwei Unternehmen praktisch den deutschen Markt mit 300 Millionen Anrufen im Jahr: Die Telekom mit 62 Prozent - und Telegate mit 31 Prozent. Neben Auskunftsdiensten und Adressansagen bietet das Unternehmen aus Martinsried bei München Weiterschaltungen oder Kartenservices und übernimmt als Outsourcing-Partner Auskunftsdienste für Netzbetreiber wie E-Plus oder Debitel.

Den Erfolg verdankt Telegate nicht zuletzt der erfolgreichen Werbekampagne mit Verona Feldbusch. Der von der brünetten Ex-Bohlin unters Volk gebrachte Werbespruch "Da werden Sie geholfen" war fast so erfolgreich wie Saturns "Geiz ist geil"-Kampagne. "Unter den alternativen Auskunftsanbietern", urteilt etwa Thomas Friedrich, Analyst bei der HypoVereinsbank (HVB), "hat Telegate den höchsten Bekanntheitsgrad erreicht - nicht zuletzt dank Feldbusch." Ein entscheidender Vorteil. Denn wenn’s um Rufnummern oder das nächstgelegene italienische Restaurant geht, ist Bekanntheit fast alles. "Mit der Telefonauskunft", sagt Harisch gerne, "ist es wie mit Klopapier: Wenn man’s braucht, ist es wirklich dringend." Der Preis, weiß Friedrich, spiele dann "nur eine untergeordnete Rolle".

Wer daran zweifelt, braucht sich nur die Zahlen von Telegate anzuschauen. Experten schätzen, dass bei einem einminütigen Gespräch zum deutschen Tarif von 1,19 Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 30 Cent Gewinn hängenbleiben. Das entspricht einer Ebitda-Marge von 25 Prozent.

Sicher, auch Telegate hatte zu kämpfen. Wie viele andere Unternehmen am früheren Neuen Markt gingen auch die Bayern nach dem Börsengang 1999 erst mal shoppen. Doch statt kräftiger Zuwächse gab’s Verluste, Abschreibungen und jede Menge Schulden. Vor allem in den USA erwischte es die Münchner übel, 60 Millionen Euro versenkten sie dort. Mit der Konzentration auf das Kerngeschäft und einem rigiden Sparkurs hat sich Telegate aber Luft verschafft. Derzeit steht das Unternehmen noch mit acht Millionen Euro in der Kreide. "Im ersten Quartal 2004 sind wir schuldenfrei", verspricht Telegate-Chef Andreas Albath.

Wenn alles nach Plan läuft, werde das Unternehmen im laufenden Jahr 132 Millionen Euro umsetzen, so Albath. Nach EURO-Informationen dürften es eher 135 Millionen Euro werden. Das Ebitda solle "mindestens bei 20 Millionen Euro" liegen, ergänzt Harisch, "da bin ich sehr sicher". Zuvor war Telegate beim Ebitda von 19 bis 22 Millionen Euro ausgegangen. Auch unterm Strich soll es mit sieben Millionen Euro erstmals seit 1999 schwarze Zahlen geben. Auch für die nächsten Jahre ist Telegate optimistisch. Bis 2006 soll es bei Umsatz und Ebitda "pro Jahr jeweils zweistellig nach oben gehen", so Albath.

Die Voraussetzungen dafür sind gut. Immerhin ist Telegate schon heute in den wichtigsten liberalisierten Märkten vertreten und längst größter unabhängiger Auskunftsanbieter Europas. Neben Deutschland (insgesamt 300 Millionen Calls im Jahr) und Großbritannien (500 Millionen) ist Telegate auch in Italien (230 Millionen) und Österreich (20 Millionen) unterwegs. Außerdem sind die Bayern seit dem Frühjahr in Spanien (220 Millionen Calls) mit dabei und haben einen "Traumstart hingelegt", findet HVB-Analyst Thomas Friedrich.

Wenn sich Harischs Zielvorgabe umsetzen lässt und Telegate in den kommmenden drei, vier Jahren durchschnittlich 20 Prozent Marktanteil erobert, entspräche das konservativ geschätzt 250 Millionen Euro Umsatz - doppelt so viel, wie das Unternehmen 2003 anpeilt. Zudem sollen 2005 mit Frankreich und Polen (370 beziehungsweise 200 Millionen Calls) weitere wichtige Märkte liberalisiert werden. "Darauf bereiten wir uns vor", sagt Harisch. Er wechselt Anfang 2004 in den Aufsichtsrat und wird Vorstands-Chef bei Varetis. Deren Telefonverzeichnis-Software setzt auch Telegate ein.

Die Liberalisierung ist in der Hochrechnung ebenso wenig drin wie ehemals am Neuen Markt notierte Conduit. Die Iren wollten sich auf dem englischen Markt über ein günstiges Angebot profilieren. Doch das brachte nichts - außer dicken Verlusten und vielen Schwierigkeiten. Erst unlängst machte Conduit dort ein Call-Center dicht, und Geld für Marketing ist auch kaum noch da. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis Conduit bei einem Konkurrenten unterkriechen muss. Bei Telegate? "Marktgerüchte kommentieren wir nicht", entgegnet Albath nur. Doch aus dem Unternehmen hört man anderes. "Gespräche laufen, strategisch würde das ja Sinn machen", so ein Insider. Die traditionsliebenden Briten würden es den Deutschen danken: Zumindest eine der bisher 14 Nummern wäre dann schon mal weg.
 
BeMi:

ROHSTOFFE - Geschätzte Bodenschätze (EurAmS)

 
30.11.03 11:58
ROHSTOFFE - Geschätzte Bodenschätze (EurAmS)
30.11.2003  

 
Run auf die Rohstoffe. Dank anspringender Weltkonjunktur und steigender Nachfrage aus China bleiben Metallwerte auch langfristig interessant.
von Peter Gewalt, Euro am Sonntag 48/03

Revolutionen in China hatten lange Zeit nicht den allerbesten Ruf. Das hat sich gründlich geändert. Selbst bei der Investmentbank Merrill Lynch outen sich inzwischen die Anhänger radikaler Umwälzungen im Reich der Mitte. "China revolutioniert den Rohstoffmarkt. Der Appetit des Landes nach Bodenschätzen ist riesig", schwärmt zum Beispiel Manager Evy Hambro, dessen Fonds Merrill Lynch World Mining in fünf Jahren über 230 Prozent zugelegt hat.

Tatsächlich wirbelt der atemberaubende Aufstieg des Landes zur Wirtschaftsmacht den weltweiten Rohstoffmarkt gehörig durcheinander. Vor allem dank der explodierenden Nachfrage aus dem rohstoffarmen Riesenreich kennen die Metallpreise seit Monaten nur noch einen Weg - den nach oben. So stieg die Notierung für Nickel seit Januar 2003 um 64 Prozent und bewegt sich heute in der Nähe eines 14-Jahres-Hochs. Kupfer konnten im gleichen Zeitraum um knapp 30 Prozent zulegen.

Die Kurse der Minengesellschaften gehen durch die Decke. Kupferproduzent Phelps Dodge gehört mit einem Kursgewinn von über 90 Prozent zu den absoluten Highflyern. Aber auch breiter aufgestellte Unternehmen wie BHP Billiton, Rio Tinto oder Anglo American dürfen sich über Kursgewinne von 30 bis 50 Prozent freuen. Und vergangene Woche hoben die Aktienexperten von Merrill Lynch die Erwartungen für die Rohstoffpreise und die Kursziele der Fördergesellschaften zum Teil deutlich an.

Das ganze Ausmaß derVeränderungen zeigt das Beispiel Eisenerz: Lag 1990 der Anteil Chinas an der weltweiten Nachfrage bei gerade mal fünf Prozent, importiert das Land heute ein Viertel der weltweiten Fördermenge. In den ersten acht Monaten dieses Jahres stiegen die Erzeinfuhren erneut um ein Drittel. Keine Überraschung, ist Chinas Stahlproduktion inzwischen doch höher als die von Japan und den USA zusammen.

Und in den kommenden Jahren soll - bei einem prognostizierten Wirtschaftswachstums von über acht Prozent - der Verbrauch von Rohstoffen im Reich der Mitte weiter drastisch zunehmen.

Angesichts dieser Dynamik gibt es auch warnende Stimmen. So befürchtet Investment-Experte und Asienkenner Marc Faber eine Überhitzung der chinesischen Volkswirtschaft. Überkapazitäten könnten 2004 die Nachfrage nach den Bodenschätzen und die Preise drücken, so seine Einschätzung. Johann Fürstenberger, Rohstoffexperte bei Activest, hält dagegen. Er rechnet auf Grund der gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen und der Verlagerung rohstoffintensiver Produktionsstätten nach China mit einem weiterhin steigenden Rohstoffverbrauch des Landes.

Die Rohstoff-Produzenten haben noch weitere Trümpfe in der Hand, denn weltweit stehen die Zeichen auf Aufschwung. Wegen der zu erwartenden Konjunkturbelebung dürfte in den USA und der EU die Produktion von Eisen, Stahl und Aluminium zunehmen. Gleichzeitig können die Bergbaufirmen ihre Kapazitäten dem wachsenden Bedarf aber nicht schnell genug angleichen, was die Preise antreiben dürfte.

Zudem haben sich die Reihen der Fördergesellschaften nach der schlechten Geschäftssituation im vergangenen Jahrzehnt gelichtet. "Die wenigen großen Minenbetreiber haben eine größere Preismacht als noch vor wenigen Jahren", sagt Fürstenberger. So schätzt die Investmentbank Goldman Sachs, dass die Minenbetreiber im kommenden Jahr für Eisenerz Preissteigerungen um 15 Prozent durchdrücken können.

Fürstenberger setzt wie sein Kollege Hambro von Merrill Lynch auf Marktführer wie BHP Billiton und Rio Tinto, die vom Boom besonders stark profitieren dürften. Ebenfalls im Portfolio der Fondsmanager sind aber auch Platin-und Goldproduzenten, die sich derzeit ebenfalls über Preissprünge freuen dürfen. Mit einem Plus von 24 Prozent seit April 2003 legte Gold ein beeindruckendes Comeback hin. Allein im dritten Quartal 2003 kletterten die Verkäufe des Edelmetalls im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent.

Verantwortlich für den Boom sind vor allem Anleger, die wegen des schwächelnden Dollar und politischer Krisen nach einem sicheren Hafen für ihr Kapital suchen. Die Goldkäufe dieser Investoren haben sich nach Angaben der Beratungsfirma GFSM gegenüber 2003 beinahe verzehnfacht. Eine kleine Revolution, an der Hambro seine Freude haben wird. Immerhin ist der Manager mit knapp 14 Prozent seines Fondsvermögens in Goldwerten investiert.
 
BeMi:

AUTO-Industrie - Porsche fürs Volk? (EurAmS)

 
30.11.03 12:05
AUTO-Industrie - Porsche fürs Volk? (EurAmS)
30.11.2003 09:10:00
   
Schwäbisch-solide Finanzen, eine neue Rekordbilanz - Porsche zählt zu Anlegers Lieblingen. Das bleibt aber nur so, wenn sich die Autobauer aus Zuffenhausen bald was Neues einfallen lassen

Der Kartoffelbauer Wendelin Wiedeking aus dem Schwäbischen fuhr unlängst reiche Ernte ein. 1,2 Tonnen der Marke Siglinde, vorwiegend festkochend, holte der Hobby-Landwirt aus der Erde. Der Abtransport geschah, wie es dem Stande des Bauern entspricht, mit Hilfe eines Traktors der Marke Porsche.

Auch in seinem Hauptberuf als Vorstandsvorsitzender der Porsche AG darf der im August 51 Jahre alt gewordene Manager kommenden Mittwoch auf der Bilanzpressekonferenz wie gewohnt von reicher Ernte künden: Alle Zahlen sind - trotz Konjunktur-Malaise und Absatzschwäche vor allem im Kernmarkt USA - im grünen Bereich. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2002/03, das im Juli ablief, stieg im Vergleich zum Vorjahr um 14,9 Prozent auf 5,58 Milliarden Euro. Beim Überschuss liegt Porsche sogar um 22,3 Prozent über dem Vorjahreswert und verbucht 565 Millionen Euro in der Bilanz.

Erfolgsstorys sind Anleger von dem Zuffenhausener Autobauer gewohnt, seit der gebürtige Westfale Wiedeking vor zehn Jahren das Steuer übernahm. Erklärt sind sie meist schnell. Im abgelaufenen Geschäftsjahr war es der Cayenne, der die Bilanz auf Hochglanz poliert. Durch ihn steigerte Porsche seinen Gesamtabsatz um 23,3 Prozent auf 66803 Fahrzeuge. Exakt 20603 Stück davon waren ein Cayenne.

Auf den zweiten Blick entpuppt sich dieser Erfolg des Neulings aber als unschöner Kratzer im Lack. Denn Porsches Kernkompetenz, die Sportwagen, rücken durch den Luxus-Geländewagen, der durch modernste Technik und anachronistischen Spritverbrauch glänzt, beim Absatzanteil nach unten.

Die 911er-Baureihe verlor 14,1, der Boxster 15,9 Prozent. Vor allem bei dem Yuppie-Mobil steht dringend eine grundlegende Renovierung an. Wiedeking nimmt das im Euro-Interview (siehe rechte Seite) in seiner üblichen, gelassenen Ar : "Obwohl diese Zahl weit unter dem im Geschäftsjahr 2000/2001 erzielten Spitzenwert von knapp 28000 liegt, blieb sie über dem ursprünglich geplanten Jahresabsatz von 15000 Einheiten." Letztere Zahl wurde zur Einführung des Modells festgelegt - vor acht Jahren.

Neuerdings begeben sich Porsche-Verkäufer sogar von ihrem legendär hohen Ross, um den Sportwagenabsatz nicht weiter einknicken zu lassen. In den USA werden entgegen aller Tradition nun kräftig Rabatte gewährt - die Schwäche des Dollar schlägt bei der deutschen Auto-Industrie durch. Zusätzlich zählt gerade das Einstiegsmodell Boxster zu den großen Verlierern der New Economy.

Attraktive Leasing-Bedingungen sollen seit Mitte September auch in Deutschland wieder Appetit auf Porsches Kleinsten machen, der demnächst noch durch optische Korrekturen und eine Sonderedition aufgepäppelt wird. Und unter dem Deckmäntelchen einiger anstehender Jubiläen bietet Porsche - allerdings ohne dies offiziell zu bewerben - heftige Anreize: So wird Leasing-Kunden nach 18 Monaten das Recht eingeräumt, auf ein anderes Modell umzusteigen. Dazu sollen zahlreiche Varianten wie der Carrera 4S oder Turbo Cabrio dem 911er wieder ein flottes Drehmoment verschaffen.

Doch die größte Hoffnung setzt man in Zuffenhausen aktuell auf den Cayenne mit abgespecktem Motor. Die Sechszylinder-Variante, die in diesen Tagen auf den Markt kommt, soll laut Vorstands-Chef Wiedeking im kommenden Jahr rund 5000 Mal an den Mann gebracht werden.

Damit setzt der Porsche-Chef verstärkt auf die derzeit angesagte SUV-Nische, die Sports Utility Vehicles genannten Nobel-Geländewagen. In den vergangenen Jahren konnte dieses Segment regelmäßig zweistellig zulegen. Doch gleichzeitig begibt sich Porsche angesichts eines Einstiegspreises von 40900 Euro netto auf das weite Feld der Konkurrenz. Wettbewerber sind in diesem Segment unter anderem BMW X5, VW Touareg und Volvo XC 90.

Auf lange Sicht wird aber auch das Erfolgsmodell Cayenne nicht genügen, um die Aktie in ihrer derzeitigen Spur nach oben zu halten. Immerhin ist sie seit ihren Tiefstständen unter 250 Euro im März auf aktuell über 430 Euro geklettert. Von 35 Analysten empfehlen momentan 18 das Papier noch zum Kauf, sieben raten zum Verkauf.

Im laufenden Geschäftsjahr, so ist aus Zuffenhausen zu hören, will man bei Absatz und Umsatz erneut wachsen. Einen wirklichen Schub in den Kurs könnten allerdings in absehbarer Zeit wohl nur handfeste Neuigkeiten über eine vierte Baureihe neben 911er, Boxster und Cayenne bringen, die derzeit offiziell aber nur im Gerüchtestadium existiert. Seine Kernkompetenz, die Sportwagen-Palette, muss Porsche auf alle Fälle bald erneuern.

Der Nebenerwerbs-Landwirt Wiedeking jedenfalls behält weder seine gesamte Kartoffelernte für sich noch den Gewinn der Porsche AG. Wovon Aktionäre in Sachen Dividende profitieren. Je Stammaktie wird er der Hauptversammlung im Januar 3,34 Euro, je Vorzugspapier 3,40 Euro vorschlagen. Den Rest des Gewinns - immerhin 271 Millionen Euro - wollen die sparsamen Schwaben dann ganz brav auf die hohe Kante legen

BeMi:

Interview: Porsche - Neuheiten in petto

 
30.11.03 12:10
Interview: Porsche - Neuheiten in petto
30.11.2003
   
Neuheiten in petto
Euro am Sonntag 48/03

Porsche-Lenker Wendelin wiedeking über die aktuellen Verkaufszahlen, das schwächelnde US-Geschäft und mögliche neue Modelle.

EURO: Porsche hat mit dem Cayenne einen Treffer gelandet. Jetzt runden Sie die Baureihe mit einem Sechs-Zylinder-Modell ab. Wie hoch ist das Absatzziel?

Wiedeking: Im laufenden Geschäftsjahr 2003/04 wollen wir von dem neuen Einstiegs-Cayenne mit V6-Motor etwa 5000 Einheiten verkaufen. Das vom Absatzvolumen her wichtigste Modell dieser Baureihe wird aber der Cayenne S mit V8-Motor bleiben. Unsere Auftragseingänge zeigen zudem, dass sich auch der Cayenne Turbo einer anhaltend starken Nachfrage erfreut. Deshalb gehen wir davon aus, bis zum Ende dieses Geschäftsjahrs am 31. Juli 2004 insgesamt zwischen 25000 und 30000 Cayenne-Fahrzeuge absetzen zu können.

Euro: Modelle wie der GT2 bringen satte Margen. Weniger verkaufen, aber mehr verdienen - ist das die Zukunftsstrategie?

Wiedeking: Die Sicherstellung einer ordentlichen Ertragskraft hat für uns natürlich höchste Priorität. Insofern freut es uns, dass unsere margenstarken Modelle wie der GT2, der Carrera 4S oder das neue 911 Turbo Cabriolet so viele Käufer finden. Dennoch bleiben Konzern-Absatz und -Umsatz wichtige Zielgrößen auf unserem Wachstumskurs. Denn die Margen, die wir mit den höherwertigen Modellen erzielen, lassen sich auf Dauer nur halten, wenn wir insgesamt vernünftige Stückzahlen erreichen sowie in Produktion und Einkauf Synergien mit anderen Modellen nutzen können. Es kommt also darauf an, den richtigen Modellmix zu haben. Und was das betrifft, sind wir bestens aufgestellt. Es besteht demnach überhaupt kein Anlass, unsere Strategie zu ändern.

Euro: Der starke Euro macht im Nordamerika-Geschäft zu schaffen. Um das zu umgehen, könnten Sie vor Ort produzieren. Denkt man in Ihrem Hause darüber nach?

Wiedeking: Mit dem Wechselkurs des Euro hat Porsche absolut kein Problem. Wir betreiben seit Jahren eine weit vorausschauende Währungsabsicherung, die ein Höchstmaß an Planungssicherheit bietet. Der starke Euro kann also nicht als Argument für die Überlegung herhalten, einen Teil unserer Produktion nach Amerika zu verlagern. Im Übrigen könnte es sich bei einer - theoretisch möglichen - Porsche-Fertigung in den Vereinigten Staaten ohnehin nur um eine reine Montage handeln, die den Motor aus Zuffenhausen und alle weiteren Teile von unseren zumeist deutschen Partnerunternehmen bezieht - mit einem entsprechend hohen und damit teuren Logistikaufwand. Wir werden also weiterhin sehr effizient und zu international wettbewerbsfähigen Kosten in Zuffenhausen und Leipzig produzieren - nicht zuletzt deshalb, weil das Gütesiegel "Made in Germany" für Porsche ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist.

Euro: Wird der Boxster wegen Absatzschwäche zum Auslaufmodell?

Wiedeking: Auch wenn sein Absatz nicht mehr die Rekordwerte früherer Jahre erreicht, ist der Boxster noch lange kein Auslaufmodell. Im Gegenteil: Er leistet nach wie vor einen bedeutenden Beitrag zu unserem Konzernergebnis, das zuletzt bekanntlich nicht zu knapp ausgefallen ist. Inzwischen sind überdies die Entwicklungskosten und Werkzeuge voll abgeschrieben, so dass Porsche mit jedem verkauften Boxster - er ist jetzt im achten Produktionsjahr - gutes Geld verdient. Und vor dem Hintergrund des schwierigen konjunkturellen Umfelds waren die mehr als 18400 Boxster, die wir im Geschäftsjahr 2002/03 ausliefern konnten, immer noch beachtlich. Deshalb bin ich in Bezug auf diese Baureihe völlig entspannt.

Euro: Wäre ein noch günstigeres Einstiegsmodell eine Alternative?

Wiedeking: Nein, unterhalb des Boxster wird es keinen Porsche geben. Wir haben nicht vor, mit unseren Modellen in Volumen-Marktsegmente oder in Preiskategorien vorzustoßen, die mit dem Exklusivitätsanspruch unserer Marke nicht in Einklang stehen.

Euro: Wenn Sie den Cayenne nicht hätten, könnten Sie keine so strahlende Bilanz vorlegen.

Wiedeking: Der Cayenne ist in der Tat zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt gekommen. Damit konnten wir nicht nur die Absatzdelle im Sportwagengeschäft, die vor allem auf die Stagnation der Weltwirtschaft zurückzuführen war, mehr als kompensieren. Unsere dritte Baureihe hat dem gesamten Unternehmen einen starken und nachhaltigen Wachstumsschub gegeben, der sich erstmals in den positiven Kennzahlen und im Rekordergebnis für das abgelaufene Geschäftsjahr widerspiegelt. Beim Cayenne sehe ich noch weiteres Wachstumspotenzial, das wir - ähnlich wie schon beim 911 - auch durch neue Modell-Varianten ausschöpfen werden. Darüber hinaus haben wir für die weitere Zukunft natürlich auch noch einige äußerst attraktive Neuigkeiten in der Schublade, die wir dann, wenn die Zeit reif ist, auf die Straße stellen. Einzelheiten verrate ich Ihnen jetzt aber nicht - denn dann wäre ja der Überraschungseffekt weg.
 
BeMi:

DAX - Fertigmachen fürs Finale (EurAmS)

 
30.11.03 12:22
DAX - Fertigmachen fürs Finale (EurAmS)
30.11.2003
   
Es wird spannend: Laut Statistik stehen die besten Börsenwochen des Jahres ins Haus. Anleger aber fragen sich: Drückt der Euro weiter auf die Stimmung? Oder gibt es gar Hilfe aus Berlin? Wie die Aussichten sind.
von S. Bauer und K. Schachinger, Euro am Sonntag 48/03

Champagnerlaune? So richtig zum Feiern ist vielen Anlegern in disen Tagen nicht. Da drücken Terrorängste und der starke Euro auf die Kurse und die Stimmung. Dann wieder sorgen ausgesprochen positive Konjunkturdaten für Optimismus. Von Nachrichten hin und her geschüttelt fragen sich Bösianer: Noch rein in den Markt bis zum Jahresende? Oder doch die satten Jahresgewinne - der Dax steht inzwischen bei 30 Prozent Plus - mitnehmen und ein paar gute Flaschen Schaumwein ins Regal legen?

Für die Bullen-Variante spricht, dass der Dezember vor der Tür steht. Der bringt statistisch gesehen gedeckte Gabentische und die besten Börsenwochen des Jahres. In den vergangenen 15 Jahren legte der Dax in diesem Monat im Durchschnitt um drei Prozent zu.

Börsianer kennen das passende Zauberwort, es heißt Jahresendrally. Nur: Wird es auch 2003 eine Silvester-Party für Anleger geben? EURO fragte dies Deutschlands führende Banken und Investmentgesellschaften. Das Ergebnis: Im Schnitt gehen die Experten zum Jahresende von einem Dax von knapp 3900 Punkten aus. Immerhin fast vier Prozent Performance trauen die Profis dem Leitindex also noch zu.

Dabei ist der Schluss-Spurt oft ein Produkt der Anlegerphantasie. Die Berichtssaison im Dax läuft Anfang des Monats aus. Auch aus den USA gibt es bis Mitte Januar keine bedeutenden Firmenzahlen. In solchen Zeiten machen Spekulationen Kurse - auch der Glaube an die Dezember-Party. "Die Jahresendrally ist oft eine sich selbst erfüllende Prophezeiung", sagt Aktienstratege Christian Kahler von der DZ Bank.

In diesem Jahr sprechen aber handfeste Gründe dafür: Die Börse ist gut gelaufen, doch längst nicht alle Fonds sind stark in Aktien investiert. "Es könnte sein, dass der ein oder andere Fondsmanager zum Jahresende noch einmal in den Markt einsteigt", sagt Berndt Fernow, Stratege der Landesbank Baden-Württemberg. Zudem könnte auch der ein oder andere Privatanleger noch einen Teil seines Weihnachtsgeldes in die Börse stecken.

Andererseits sind diverse zittrige Hände inzwischen raus aus dem Markt. So genannte Spezialfonds zum Beispiel, die das Kapital von Pensionskassen großer Unternehmen verwalten. Sie haben meist strenge Performance-Vorgaben. BHF-Bank-Analyst Roland Ziegler: "Nach den miserablen Vorjahren ist so mancher Manager damit zufrieden, das Jahr mit einem Plus zu beenden. Deshalb dürften einige Spezialfonds in den vergangenen Wochen Kasse gemacht haben." Die gute Nachricht dahinter: "Dieser Verkaufsdruck lässt nach", glaubt Ziegler.

Für Leben im Dax dürften auch in den kommenden Wochen Spekulationen über Fusionen im deutschen Bankensektor sorgen. Die jüngste Gerüchtewelle hatten Berichte ausgelöst, wonach Finanzminister Hans Eichel den heimischen Kreditinstituten innerdeutsche Zusammenschlüsse ans Herz gelegt haben soll. Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller nutzte das Brodeln in der Küche erneut, um sein Haus als Übernahmekandidat ins Spiel zu bringen. Nach den milliardenschweren Abschreibungen im dritten Quartal sei die Bank ein attraktives Ziel, warb Müller für die Coba.

Bei den meisten Experten gelten Finanztitel wegen der Restrukturierungsprogramme und des anziehenden Börsengeschäfts als Favoriten für eine mögliche Jahresendrally. "Im dritten Quartal wurden solide Ergebnisse erzielt, auch das laufende Quartal müsste gut ausfallen", sagt etwa Volker Borghoff, von HSBC Trinkaus & Burkhardt.

Super Konjunkturdaten sprechen für Zykliker. Vor allem Industrie- und Technologietitel leben von positiven Wirtschaftsdaten. Davon gab es zuletzt reichlich: Der Geschäftsklima-Index des Münchner Ifo-Instituts, weithin beachteter Indikator für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland, stieg im November zum siebten Mal in Folge. Nachdem zuvor vor allem die Erwartungen gestiegen waren, beurteilen die Unternehmen dabei jetzt aber auch die aktuelle Wirtschaftslage besser. Ifo-Konjunkturchef Gebhard Flaig gegenüber EURO: "Das ist ein hartes Signal für eine konjunkturelle Belebung."

Immerhin 1,4 Prozent Wachstum in Deutschland prognostiziert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD für 2004. Die US-Wirtschaft soll sogar mit 4,2 Prozent glänzen. Die aktuellen US-Zahlen stützen dies: Im dritten Quartal wuchs die Wirtschaftsleistung um rekordverdächtige 8,2 Prozent - so viel wie seit 1984 nicht mehr. Zwar lassen sich amerikanische Wachstumsdaten nicht immer mit Zahlen aus Deutschland vergleichen (siehe Kasten). Doch eines ist klar: "Die US-Daten signalisieren hohe Dynamik", sagt HSBC-Stratege Borghoff.

Klingt alles phantastisch. Doch vergangene Woche ließen die frohen Botschaften der Konjunktur-Auguren die Märkte nahezu kalt. Fast scheint es, als hätten sich Börsianer bereits an den Aufschwung gewöhnt. Zudem liegt Anlegern der Euro schwer im Magen. Trotz guter US-Wirtschaftsdaten und des angeschlagenen Stabilitätspakts der Europäischen Union knackte der Wechselkurs am Freitag zeitweise die magische Marke von 1,20 US-Dollar.

Der Verfall des Dollar aber könnte einer möglichen Jahresendrally durchaus gefährlich werden. "Hier sehe ich das größte Risiko", sagt Landesbanker Fernow. Der Hintergrund: Ein zunehmend stärkerer Euro verteuert die Produkte deutscher Exporteure in den USA. Zudem schmelzen erzielte Dollar-Umsätze bei der Rückrechnung in Euro. Alternative für Anleger, die das Euro-Risiko meiden wollen: Der Medizindienstleister Fresenius Medical Care bilanziert in Dollar und profitiert insofern sogar vom starken Euro.

Auftrieb für den Dax könnte im Dezember dagegen aus der Politik kommen. Die spannende Frage: Einigen sich Regierung und Opposition doch noch auf eine vorgezogene Steuerreform? "Das würde zwar die Konjunktur nicht wesentlich beleben. Es wäre aber ein Signal, dass Deutschland reformfähig ist", sagt HypoVereinsbank-Analyst Gerhard Schwarz. Auch wenn es derzeit vielleicht nicht danach aussieht: Am Ende spendiert Berlin den Champagner für die Börsenparty 2003.

DAX-FAVORITEN Tickets für die Party

Allianz


Mit 1,9 Milliarden Euro Erlös aus Beteiligungsverkäufen hat der Finanzkonzern 2003 seine Kapitalanlagen kräftig gestutzt. Dabei wurden nach Schätzungen von Credit Suisse auch 0,9 Milliarden Euro Risikokapital aus der Bilanz gefegt. Das hören die Rating-Agenturen gerne. Im Kerngeschäft Lebensversicherungen will die Allianz 2003 das Ergebnis aus 2002 übertreffen. So stieg das Prämienaufkommen in den ersten neun Monaten um 16,4 Prozent auf 2,19 Milliarden Euro. Die Sparmaßnahmen bei der Dresdner Bank wurden verschärft. Analysten rechnen für die kommenden Jahre mit hohem zweistelligenWachstum beim Ertrag.

Commerzbank

Vorstand Klaus-Peter Müller hat mit der Abschreibung in Höhe von 2,3 Milliarden Euro auf stille Lasten und einer anschließenden Kapitalerhöhung (760 Millionen Euro), die vierfach überzeichnet war, einen mutigen Schritt unternommen, um die Attraktivität der Bank als Übernahmeziel zu steigern. "Die bereinigte Bilanz macht die Commerzbank zum Top-Kandidaten", sagt Pictet-Analyst Peter Thorne. Sein Kursziel: 18 Euro. Nachholbedarf sieht er noch bei der Kapitalrendite: 2005 wird die Commerzbank laut Thorne sieben Prozent erreichen. Da hinken die Frankfurter der Konkurrenz gehörig hinterher.

Fresenius Medical Care

FMC überraschte zuletzt mit guten Zahlen. Der Dialyse-Spezialist konnte seine Gewinnmarge noch vor Jahresfrist von 13 auf 14 Prozent steigern. "Die Kosten hat FMC inzwischen unter Kontrolle", sagt Analyst Andreas Schmidt von Merrill Lynch. Für Gewinnwachstum sorgen Zuwächse im US-Geschäft und bei der Behandlung chronischer Nierenpatienten. Der starke Euro wirkt bei FMC positiv.

SAP

Mit Kosteneinsparungen in der Zentrale und der Auslagerung von Entwickler- und Beratertätigkeiten nach Indien und Bulgarien will man die Umsatzrendite an die des Konkurrenten Oracle (knapp 35 Prozent) annähern. Nach 22,7 Prozent im Vorjahr werden nun 24,7 Prozent angestrebt. Laut Finanzvorstand Werner Brandt könnten sogar zwei Prozent mehr drin sein. Auch für 2004 ist er optimistisch: "Der US-Markt läuft gut."

ThyssenKrupp

Als Industriewert profitieren die Essener von positiven Konjunkturdaten. Neben dem Geschäft in Europa und den USA wollen sie verstärkt in den Wachstumsmarkt China. Bis Ende 2004 sollen die Kapazitäten dort verzehnfacht werden. Die Bilanz für 2002/2003 legt das Unternehmen als letzter DAX-Wert kommende Woche vor. Erwartet werden 700 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Spannend wird nach Einschätzung von Vereins- und Westbank-Analyst Andreas Remke die Prognose des Konzerns für das Vorsteuerergebnis 2003/2004. Remke rechnet mit mindestens einer Milliarde Euro und rät zum Kauf der Aktie.
 
BeMi:

BRITISCHER FUSSBALL - Spielball der Milliardäre

 
30.11.03 12:47
BRITISCHER FUSSBALL - Spielball der Milliardäre (EurAmS)
30.11.2003  
   
Englands Fußball spielt verrückt: Milliardäre aus der ganzen Welt kaufen sich bei den verschuldeten Klubs ein und treiben die Börsenkurse nach oben. Für Anleger sind die Kicker-Aktien ein Spiel mit dem Feuer.

Niemand hat ihn gesehen. Keiner weiß, was der geheimnisvolle Fremde aus Florida wirklich will. Nur so viel ist klar: Seit Wochen kauft der US-Milliardär Malcolm Glazer Aktien des britischen Fußballvereins Manchester United auf. Knapp zehn Prozent hat er inzwischen unter Kontrolle. Die Fans auf der Insel sind in Aufruhr: "Unser Verein ist kein Spielzeug für Spekulanten", schimpft Fanklub-Sprecher Oliver Houston.

Börsianer, sofern nicht hartgesottene Anhänger des englischen Kultklubs, sehen die Sache sportlich: Männer wie Glazer sind für Englands geschundene Fußball-Aktionäre ein Glücksfall. Drei Jahre hatten sie fast täglich neue Niederlagen einstecken müssen. Allein 2002 verlor der Bloomberg-Soccer-Index, der 18 börsennotierte Klubs bündelt, knapp 34 Prozent an Wert. Doch dann kam im Juli dieses Jahres Roman Abramowitsch. Für 59,3 Millionen Pfund kaufte der 37-jährige russische Öl-Milliardär den Londoner Vorstadtklub FC Chelsea. Für die Aktionäre bedeutete das einen Aufschlag von 25 Prozent. Seitdem ist in Englands Fußball nichts mehr wie es war. Fast täglich treiben neue Gerüchte die Kurse nach oben.

In diesen Tagen sorgt Multimilliardär Gustavo Cisneros (58) für Schlagzeilen. Der Venezolaner, Besitzer des größten TV-Senders seiner Heimat und Duzfreund von US-Präsident George W. Bush, soll sich entschieden haben, für 40 Millionen Pfund den Erstligisten Aston Villa zu übernehmen. Trotz Dementi legte die Aktie postwendend um vier Prozent zu. Und der britische Soccer-Index baute sein Jahresplus auf 72 Prozent aus. Finanzexperten schütteln angesichts der Kursrally nur noch den Kopf. "Die meisten Vereine sind ein Desaster", warnt Stan Lock vom Investmenthaus Brewin Dolphin Holdings.

Ein Blick in die Bilanzen bestätigt diese Sicht: Rund 600 Millionen Pfund Schulden haben britische Kickerklubs aufgetürmt. "Die Liga schwimmt in einem Meer aus Schulden, aus dem sich nur wenige werden retten können", orakelt die Tageszeitung "Observer".

Dabei verdienen in keiner anderen Liga die Vereine so viel Geld wie in der britischen Premier League. In der vergangenen Saison waren es nach Schätzung der Unternehmensberatung Deloitte & Touche insgesamt 1,8 Milliarden Euro. Die deutsche Bundesliga dürfte gerade mal auf eine Milliarde kommen. Allein zwischen 1996 und 2002 hat sich der Umsatz der britischen Klubs dank hoher Zuschauerzahlen und lukrativer Fernsehverträge vervierfacht.

Doch zugleich offenbaren Englands Teams eklatante Deckungsschwächen: "Die meisten Einnahmesteigerungen wurden fast vollständig durch Kosten, vor allem durch Gehälter, absorbiert", heißt es bei Deloitte & Touche. Am schlimmsten ist die Lage bei Leeds United. Vergangene Saison stellte man mit 49,5 Millionen Pfund Verlust einen neuen Landesrekord auf. Das Ausmaß des Missmanagements zeigen die Vertragsverhandlungen mit Mittelfeldstar Seth Johnson. Dessen Agent wollte für den Kicker eine Wochengage von 10000 Pfund herausholen - die Vereinsführung bot 38000 Pfund.

Trotz drohendem Bankrott legte die Leeds-Aktie zuletzt um mehr als 20 Prozent zu. Natürlich steckte ein Milliardär hinter dem Kurssprung: Scheich Abdul bin Mubarak Al-Khalifa (41) hatte sich bereit erklärt, gemeinsam mit Vereins-Chef Allan Leighton 4,4 Millionen Pfund zu investieren. Weil selbst diese Summe noch nicht reicht, um den Klub zu retten, sucht der Fußballfreund aus Saudi-Arabien in seiner Heimat nach finanzstarken Mitspielern.

Die desaströsen Bilanzen der Klubs sind fußballverrückten Milliardären offenbar gleichgültig. Analysten haben die Rechenschieber längst beiseite gelegt und üben sich als Psychologen: "Wenn jemand einen Fußballverein besitzen möchte, dann ist Eitelkeit im Spiel", meint Andrew Brough von Schroeder Investment.

So viel Sportsgeist lockt zwangsläufig Zocker aufs Parkett. Am wildesten wird mit den Aktien von Manchester United spekuliert, einem der wenigen britischen Klubs mit soliden Finanzen. ManU ist schuldenfrei und hat knapp 30 Millionen Pfund auf der hohen Kante. In der vergangenen Saison steigerte der Verein seinen Gewinn um 19 Prozent auf 29,8 Millionen Pfund. Langfristige Werbeverträge mit Konzernen wie dem Sportartikelhersteller Nike und dem Telekom-Riesen Vodafone geben zudem Planungssicherheit.

Entsprechend ambitioniert ist die Bewertung der Aktie: Mit einem Plus von 146 Prozent ist der Klub Jahressieger unter Britanniens Fußball-Papieren. Auf Basis der Gewinnschätzungen für das kommende Jahr ergibt sich ein stolzes Kurs/Gewinn-Verhältnis von 45.

Der hohe Preis wird Analysten inzwischen unheimlich. Andrew Burnett von Merrill Lynch hat die ManU-Aktie bereits auf Halten zurückgestuft. Selbst diese Einschätzung dürfte noch optimistisch sein, wenn die Übernahmespekulationen ins Abseits laufen sollten. "Tatsache ist, dass es bislang nur Gerüchte gibt", mahnt Peter Ashworth vom Investmenthaus Charles Stanley.

Denoch wird weiter kräftig gezockt. Am Freitag wurde bekannt, dass die Investmentabteilung der Commerzbank sechs Prozent der ManU-Aktien erworben hat. Wer der Auftraggeber war, blieb vorerst geheim. Größter Aktionär sind bislang die irischen Unternehmer J.P. McManus und John Magnier mit gemeinsam 23,15 Prozent. Sie haben klargestellt, dass sie ihr Engagement als reines Finanzinvestment betrachten. Auch der niederländische TV-Produzent John de Mol ("Big Brother"), der gut vier Prozent der Aktien besitzt, verhält sich bislang ruhig.

Bliebe Malcolm Glazer: Der mysteriöse US-Investor hat bislang alle Gesprächsangebote der Klubführung ignoriert. Je höher der Kurs der Aktie steigt, desto größer werden die Zweifel, ob der 60-Jährige eine Übernahme überhaupt finanzieren kann. Schließlich wäre ManU beim aktuellen Börsenkurs mit 660 Millionen Pfund zehn Mal so teuer wie der Abramowitsch-Verein Chelsea.

"Glazer hat eine Milliarde Dollar. Ohne Partner müsste er praktisch sein ganzes Vermögen einsetzen. Er müsste übergeschnappt sein", meint ein Londoner Fondsmanager gegenüber EURO.

Selbst wenn Glazer für den ManU-Deal eine Investorengruppe zusammenstellt, blieben da noch die Fans. Sie haben bereits eine harte Abwehrschlacht angekündigt. "Jeder potenzielle Bieter sollte wissen, dass wir unseren Verein nicht kampflos aufgeben", heißt es bei der Fanvereinigung Shareholder United, deren Mitglieder bis zu 17 Prozent der Aktien kontrollieren. Laut britischem Aktienrecht reichen schon zehn Prozent, um eine Komplettübernahme zu blockieren.

Schon einmal, 1998, als Medienmogul Rubert Murdoch mit seinem Fernsehsender BSkyB den Kultklub übernehmen wollte, hatten die Manchester-Anhänger ihre Macht demonstriert: Mit landesweiten Protestaktionen zwangen sie Murdoch zur Aufgabe.

Das Zusammenspiel zwischen Fans und Vereinsführung klappt auch jetzt wieder reibungslos: "Wir brauchen keinen reichen Onkel", demonstriert ManU-Manager David Jill Selbstbewusstsein. Eine Haltung, die US-Spekulant Glazer nicht gefallen dürfte.

Malcolm Glazer

Der 60-Jährige wurde durch Investments in Kaufhäuser, Altenheime, TV-Stationen und Restaurants zum Milliardär. Er besitzt bereits den US-Footballklub Tampa Bay und wird als Käufer von ManU gehandelt. Wegen seines Spitzbarts wird er "der Kobold" genannt.

Gustavo Cisneros wird auf fünf Milliarden Dollar geschätzt. Der 58-jährige Venezolaner besitzt den größten TV-Sender seiner Heimat sowie die Lateinamerika-Rechte für AOL, Coca-Cola und Pizza Hut. Angeblich will er Aston Villa für 40 Millionen Pfund übernehmen.

Roman Abramowitsch gilt mit 8,3 Milliarden Dollar als zweitreichster Mann Russlands. 2003 trennte er sich von seinem Ölkonzern Sibneft und der Beteiligung am Aluminiumkonzern Rusal. Er kaufte den FC Chelsea für 59,3 Millionen Pfund und investierte nochmals 75 Millionen ins Team.

DORTMUND Wette auf ein Wunder

Fußball-Aktionäre sind anders. Wie sonst ist zu erklären, dass die Kicker von Borussia Dortmund, dem einzigen börsennotierten deutschen Fußballklub, vergangene Woche auf der Hauptversammlung mit stürmischem Applaus bedacht wurden? Am Kurs kann’s nicht liegen: Die Aktie schnitt in den letzten zwölf Monaten zwei Prozent schlechter ab als der DAX. Auch eine Dividende wird es vorerst nicht geben. "Das zurückliegende Jahr war von Enttäuschungen geprägt", gestand Präsident Gerd Niebaum.

Die Hoffnung auf schnelle Kursgewinne platzte am Donnerstag, als der BVB im Uefa-Pokal beim FC Sochaux scheiterte. Rund 30 Millionen Euro hatte die Borussia vor einem Jahr in der Champions League eingespielt - diese Saison werden es im Uefa-Pokal maximal drei Millionen sein.

"Die Aktie ist günstig bewertet, aber nach dem Ausscheiden im Uefa-Pokal fehlt kurzfristig die Kursphantasie", meint Paul Sibinau von der WGZ-Bank. Die Einbußen will der BVB durch Einschnitte bei Gehältern teilweise ausgleichen. Zusätzliche Einnahmen sollen langfristig der Verkauf der Namensrechte am Westfalenstadion und der Aufbau eines Pay-TV-Senders bringen.

Wichtiger für die Aktie wird der sportliche Erfolg sein. In der Bundesliga hat der BVB den Anschluss zur Tabellenspitze verloren. Die Aktie ist eine riskante Wette auf eine erfolgreiche Aufholjagd und die Qualifikation für die Champions League.
 
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