TELEFON-AUSKUNFT - Da wurde schon geholfen (EurAmS)
30.11.2003
Telegate hat den Turnaround geschafft - in diesem Jahr wird der erste Nettogewinn seit 1999 anvisiert. Und auch Wachstum ist wieder angesagt: Der Auskunftanbieter will bis 2006 zweistellig zulegen. Gute Aussichten für Anleger?
von Thomas Schmidtutz
Die Sache war für die traditionsgewohnten Briten einigermaßen verwirrend. Jahrzehntelang wählten sie 192, wenn sie auf der Suche nach dem nächstgelegenen Tierarzt für den Kanarienvogel waren oder die Rufnummer der Angebeteten von nebenan wissen wollten. Doch Ende August war’s damit vorbei. Nach 46 Jahren wurde diese Nummer abgeschaltet. Buchstäblich über Nacht buhlten neben Ex-Monopolist British Telecom 13 neue Telefonauskunftanbieter um die Kunden - und alle Nummern beginnen mit 118.
Wer sollte sich da zurecht finden? Keiner. Innerhalb weniger Tage brach landesweit die Zahl der Anrufer um über ein Drittel ein. Dabei hatten sich die Anbieter viel Mühe gegeben. Mit griffigen Werbe-Slogans und millionenschweren Etats waren etwa US-Spezialist Infonxx oder die irische Conduit in die Schlacht um den größten europäischen Telefonauskunftmarkt gezogen.
Nur eine hielt sich im Sommer vornehm zurück - die bayerische Telegate. Dieses teutonische Understatement könnte sich nun auszahlen. Während die Konkurrenz ihre Marketing-Budgets in einem fallenden Markt verpulvert hat, legt das Unternehmen aus Martinsried bei München nun erst richtig los. Auf den Telefonbüchern von Thomson, das wie Telegate zur italienischen Gruppe Seat Pagine Gialle gehört, prangt seit Anfang Oktober die Nummer von Telegate. Das hilft: Seit ein paar Wochen ziehen die Anrufe im britischen Telegate-Call-Center an.
Die Bayern kennen sich eben mit liberalisierten Märkten aus: Der Rückgang der Anrufer in Großbritannien sei "eine typische Reaktion", erläutert Telegate-Vorstand und -Mitgründer Klaus Harisch. Auch als der deutsche Markt 1997 freigegeben wurde, brach die Zahl der Calls mächtig ein. Immerhin 27 Anbieter gingen damals an den Start. Heute teilen sich zwei Unternehmen praktisch den deutschen Markt mit 300 Millionen Anrufen im Jahr: Die Telekom mit 62 Prozent - und Telegate mit 31 Prozent. Neben Auskunftsdiensten und Adressansagen bietet das Unternehmen aus Martinsried bei München Weiterschaltungen oder Kartenservices und übernimmt als Outsourcing-Partner Auskunftsdienste für Netzbetreiber wie E-Plus oder Debitel.
Den Erfolg verdankt Telegate nicht zuletzt der erfolgreichen Werbekampagne mit Verona Feldbusch. Der von der brünetten Ex-Bohlin unters Volk gebrachte Werbespruch "Da werden Sie geholfen" war fast so erfolgreich wie Saturns "Geiz ist geil"-Kampagne. "Unter den alternativen Auskunftsanbietern", urteilt etwa Thomas Friedrich, Analyst bei der HypoVereinsbank (HVB), "hat Telegate den höchsten Bekanntheitsgrad erreicht - nicht zuletzt dank Feldbusch." Ein entscheidender Vorteil. Denn wenn’s um Rufnummern oder das nächstgelegene italienische Restaurant geht, ist Bekanntheit fast alles. "Mit der Telefonauskunft", sagt Harisch gerne, "ist es wie mit Klopapier: Wenn man’s braucht, ist es wirklich dringend." Der Preis, weiß Friedrich, spiele dann "nur eine untergeordnete Rolle".
Wer daran zweifelt, braucht sich nur die Zahlen von Telegate anzuschauen. Experten schätzen, dass bei einem einminütigen Gespräch zum deutschen Tarif von 1,19 Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 30 Cent Gewinn hängenbleiben. Das entspricht einer Ebitda-Marge von 25 Prozent.
Sicher, auch Telegate hatte zu kämpfen. Wie viele andere Unternehmen am früheren Neuen Markt gingen auch die Bayern nach dem Börsengang 1999 erst mal shoppen. Doch statt kräftiger Zuwächse gab’s Verluste, Abschreibungen und jede Menge Schulden. Vor allem in den USA erwischte es die Münchner übel, 60 Millionen Euro versenkten sie dort. Mit der Konzentration auf das Kerngeschäft und einem rigiden Sparkurs hat sich Telegate aber Luft verschafft. Derzeit steht das Unternehmen noch mit acht Millionen Euro in der Kreide. "Im ersten Quartal 2004 sind wir schuldenfrei", verspricht Telegate-Chef Andreas Albath.
Wenn alles nach Plan läuft, werde das Unternehmen im laufenden Jahr 132 Millionen Euro umsetzen, so Albath. Nach EURO-Informationen dürften es eher 135 Millionen Euro werden. Das Ebitda solle "mindestens bei 20 Millionen Euro" liegen, ergänzt Harisch, "da bin ich sehr sicher". Zuvor war Telegate beim Ebitda von 19 bis 22 Millionen Euro ausgegangen. Auch unterm Strich soll es mit sieben Millionen Euro erstmals seit 1999 schwarze Zahlen geben. Auch für die nächsten Jahre ist Telegate optimistisch. Bis 2006 soll es bei Umsatz und Ebitda "pro Jahr jeweils zweistellig nach oben gehen", so Albath.
Die Voraussetzungen dafür sind gut. Immerhin ist Telegate schon heute in den wichtigsten liberalisierten Märkten vertreten und längst größter unabhängiger Auskunftsanbieter Europas. Neben Deutschland (insgesamt 300 Millionen Calls im Jahr) und Großbritannien (500 Millionen) ist Telegate auch in Italien (230 Millionen) und Österreich (20 Millionen) unterwegs. Außerdem sind die Bayern seit dem Frühjahr in Spanien (220 Millionen Calls) mit dabei und haben einen "Traumstart hingelegt", findet HVB-Analyst Thomas Friedrich.
Wenn sich Harischs Zielvorgabe umsetzen lässt und Telegate in den kommmenden drei, vier Jahren durchschnittlich 20 Prozent Marktanteil erobert, entspräche das konservativ geschätzt 250 Millionen Euro Umsatz - doppelt so viel, wie das Unternehmen 2003 anpeilt. Zudem sollen 2005 mit Frankreich und Polen (370 beziehungsweise 200 Millionen Calls) weitere wichtige Märkte liberalisiert werden. "Darauf bereiten wir uns vor", sagt Harisch. Er wechselt Anfang 2004 in den Aufsichtsrat und wird Vorstands-Chef bei Varetis. Deren Telefonverzeichnis-Software setzt auch Telegate ein.
Die Liberalisierung ist in der Hochrechnung ebenso wenig drin wie ehemals am Neuen Markt notierte Conduit. Die Iren wollten sich auf dem englischen Markt über ein günstiges Angebot profilieren. Doch das brachte nichts - außer dicken Verlusten und vielen Schwierigkeiten. Erst unlängst machte Conduit dort ein Call-Center dicht, und Geld für Marketing ist auch kaum noch da. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis Conduit bei einem Konkurrenten unterkriechen muss. Bei Telegate? "Marktgerüchte kommentieren wir nicht", entgegnet Albath nur. Doch aus dem Unternehmen hört man anderes. "Gespräche laufen, strategisch würde das ja Sinn machen", so ein Insider. Die traditionsliebenden Briten würden es den Deutschen danken: Zumindest eine der bisher 14 Nummern wäre dann schon mal weg.
30.11.2003
Telegate hat den Turnaround geschafft - in diesem Jahr wird der erste Nettogewinn seit 1999 anvisiert. Und auch Wachstum ist wieder angesagt: Der Auskunftanbieter will bis 2006 zweistellig zulegen. Gute Aussichten für Anleger?
von Thomas Schmidtutz
Die Sache war für die traditionsgewohnten Briten einigermaßen verwirrend. Jahrzehntelang wählten sie 192, wenn sie auf der Suche nach dem nächstgelegenen Tierarzt für den Kanarienvogel waren oder die Rufnummer der Angebeteten von nebenan wissen wollten. Doch Ende August war’s damit vorbei. Nach 46 Jahren wurde diese Nummer abgeschaltet. Buchstäblich über Nacht buhlten neben Ex-Monopolist British Telecom 13 neue Telefonauskunftanbieter um die Kunden - und alle Nummern beginnen mit 118.
Wer sollte sich da zurecht finden? Keiner. Innerhalb weniger Tage brach landesweit die Zahl der Anrufer um über ein Drittel ein. Dabei hatten sich die Anbieter viel Mühe gegeben. Mit griffigen Werbe-Slogans und millionenschweren Etats waren etwa US-Spezialist Infonxx oder die irische Conduit in die Schlacht um den größten europäischen Telefonauskunftmarkt gezogen.
Nur eine hielt sich im Sommer vornehm zurück - die bayerische Telegate. Dieses teutonische Understatement könnte sich nun auszahlen. Während die Konkurrenz ihre Marketing-Budgets in einem fallenden Markt verpulvert hat, legt das Unternehmen aus Martinsried bei München nun erst richtig los. Auf den Telefonbüchern von Thomson, das wie Telegate zur italienischen Gruppe Seat Pagine Gialle gehört, prangt seit Anfang Oktober die Nummer von Telegate. Das hilft: Seit ein paar Wochen ziehen die Anrufe im britischen Telegate-Call-Center an.
Die Bayern kennen sich eben mit liberalisierten Märkten aus: Der Rückgang der Anrufer in Großbritannien sei "eine typische Reaktion", erläutert Telegate-Vorstand und -Mitgründer Klaus Harisch. Auch als der deutsche Markt 1997 freigegeben wurde, brach die Zahl der Calls mächtig ein. Immerhin 27 Anbieter gingen damals an den Start. Heute teilen sich zwei Unternehmen praktisch den deutschen Markt mit 300 Millionen Anrufen im Jahr: Die Telekom mit 62 Prozent - und Telegate mit 31 Prozent. Neben Auskunftsdiensten und Adressansagen bietet das Unternehmen aus Martinsried bei München Weiterschaltungen oder Kartenservices und übernimmt als Outsourcing-Partner Auskunftsdienste für Netzbetreiber wie E-Plus oder Debitel.
Den Erfolg verdankt Telegate nicht zuletzt der erfolgreichen Werbekampagne mit Verona Feldbusch. Der von der brünetten Ex-Bohlin unters Volk gebrachte Werbespruch "Da werden Sie geholfen" war fast so erfolgreich wie Saturns "Geiz ist geil"-Kampagne. "Unter den alternativen Auskunftsanbietern", urteilt etwa Thomas Friedrich, Analyst bei der HypoVereinsbank (HVB), "hat Telegate den höchsten Bekanntheitsgrad erreicht - nicht zuletzt dank Feldbusch." Ein entscheidender Vorteil. Denn wenn’s um Rufnummern oder das nächstgelegene italienische Restaurant geht, ist Bekanntheit fast alles. "Mit der Telefonauskunft", sagt Harisch gerne, "ist es wie mit Klopapier: Wenn man’s braucht, ist es wirklich dringend." Der Preis, weiß Friedrich, spiele dann "nur eine untergeordnete Rolle".
Wer daran zweifelt, braucht sich nur die Zahlen von Telegate anzuschauen. Experten schätzen, dass bei einem einminütigen Gespräch zum deutschen Tarif von 1,19 Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 30 Cent Gewinn hängenbleiben. Das entspricht einer Ebitda-Marge von 25 Prozent.
Sicher, auch Telegate hatte zu kämpfen. Wie viele andere Unternehmen am früheren Neuen Markt gingen auch die Bayern nach dem Börsengang 1999 erst mal shoppen. Doch statt kräftiger Zuwächse gab’s Verluste, Abschreibungen und jede Menge Schulden. Vor allem in den USA erwischte es die Münchner übel, 60 Millionen Euro versenkten sie dort. Mit der Konzentration auf das Kerngeschäft und einem rigiden Sparkurs hat sich Telegate aber Luft verschafft. Derzeit steht das Unternehmen noch mit acht Millionen Euro in der Kreide. "Im ersten Quartal 2004 sind wir schuldenfrei", verspricht Telegate-Chef Andreas Albath.
Wenn alles nach Plan läuft, werde das Unternehmen im laufenden Jahr 132 Millionen Euro umsetzen, so Albath. Nach EURO-Informationen dürften es eher 135 Millionen Euro werden. Das Ebitda solle "mindestens bei 20 Millionen Euro" liegen, ergänzt Harisch, "da bin ich sehr sicher". Zuvor war Telegate beim Ebitda von 19 bis 22 Millionen Euro ausgegangen. Auch unterm Strich soll es mit sieben Millionen Euro erstmals seit 1999 schwarze Zahlen geben. Auch für die nächsten Jahre ist Telegate optimistisch. Bis 2006 soll es bei Umsatz und Ebitda "pro Jahr jeweils zweistellig nach oben gehen", so Albath.
Die Voraussetzungen dafür sind gut. Immerhin ist Telegate schon heute in den wichtigsten liberalisierten Märkten vertreten und längst größter unabhängiger Auskunftsanbieter Europas. Neben Deutschland (insgesamt 300 Millionen Calls im Jahr) und Großbritannien (500 Millionen) ist Telegate auch in Italien (230 Millionen) und Österreich (20 Millionen) unterwegs. Außerdem sind die Bayern seit dem Frühjahr in Spanien (220 Millionen Calls) mit dabei und haben einen "Traumstart hingelegt", findet HVB-Analyst Thomas Friedrich.
Wenn sich Harischs Zielvorgabe umsetzen lässt und Telegate in den kommmenden drei, vier Jahren durchschnittlich 20 Prozent Marktanteil erobert, entspräche das konservativ geschätzt 250 Millionen Euro Umsatz - doppelt so viel, wie das Unternehmen 2003 anpeilt. Zudem sollen 2005 mit Frankreich und Polen (370 beziehungsweise 200 Millionen Calls) weitere wichtige Märkte liberalisiert werden. "Darauf bereiten wir uns vor", sagt Harisch. Er wechselt Anfang 2004 in den Aufsichtsrat und wird Vorstands-Chef bei Varetis. Deren Telefonverzeichnis-Software setzt auch Telegate ein.
Die Liberalisierung ist in der Hochrechnung ebenso wenig drin wie ehemals am Neuen Markt notierte Conduit. Die Iren wollten sich auf dem englischen Markt über ein günstiges Angebot profilieren. Doch das brachte nichts - außer dicken Verlusten und vielen Schwierigkeiten. Erst unlängst machte Conduit dort ein Call-Center dicht, und Geld für Marketing ist auch kaum noch da. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis Conduit bei einem Konkurrenten unterkriechen muss. Bei Telegate? "Marktgerüchte kommentieren wir nicht", entgegnet Albath nur. Doch aus dem Unternehmen hört man anderes. "Gespräche laufen, strategisch würde das ja Sinn machen", so ein Insider. Die traditionsliebenden Briten würden es den Deutschen danken: Zumindest eine der bisher 14 Nummern wäre dann schon mal weg.