Sonntag, 15.Juli 2001
Berlin, 13:02 Uhr
Wie Sie mit Aktien zum Millionär werden
Für Börsenguru Heiko Thieme führt an Unternehmens-Beteiligungen kein Weg vorbei. Ein Plädoyer für Dow Jones, Dax & Co.
Die Deutschen sitzen auf einem Berg von Aktien. Beteiligten sich 1997 nur neun Prozent der über 14-Jährigen an Unternehmen, so sind es inzwischen 18,5 Prozent
Von Heiko Thieme
Berlin - "Ich spekuliere nicht und wünsche mir mittel- und langfristig kalkulierbare Erträge. Deshalb bevorzuge ich sichere Anlageformen, zum Beispiel in Form von Sparbriefen oder Bundesobligationen." Dieses Zitat stammt von Bundesfinanzminister Hans Eichel, der neben anderen Profis und Promis von der WELT am SONNTAG vor zwei Wochen nach seiner Anlagestrategie befragt wurde. Die Börsengeschichte zeigt jedoch, dass Aktienanlagen langfristig die von Herrn Eichel bevorzugten Alternativen deutlich schlagen. Verwechselt der Bundesfinanzminister etwa solide Aktienanlage mit kurzfristiger Spekulation?
Ein 20-Jähriger, der jeden Monat 100 Mark in den Dax-Index in Form eines Index-Zertifikates mit einer Rendite von zwölf Prozent investiert, wird mit seinem 60. Lebensjahr zum Millionär, obwohl er über diesen 40-jährigen Zeitraum insgesamt nicht einmal 50.000 Mark selbst aufwendete. Wer über den gleichen Zeitraum Sparbriefe mit einer Verzinsung von fünf Prozent gekauft hätte, kommt nicht einmal auf 150.000 Mark. Aktiensparen sollte daher die bevorzugte Anlagestrategie sein.
Sarah Wagenknecht von der PDS betrachtet in derselben Umfrage Aktien als spekulatives Spiel und meint, dass Kleinanleger an der Börse meist den Kürzeren ziehen und führt dabei die Kursentwicklung des Neuen Markts als Beispiel an. Durch den Nichtkauf von Aktien will sie nach ihren eigenen Worten "den Kapitalismus aushebeln". Wer so argumentiert, zeigt ein totales Unverständnis gegenüber der freien Marktwirtschaft und eignet sich nicht zum Regieren.
Am vernünftigsten äußerte sich der 68fache Fußballnationalspieler Thomas Helmer über seine Anlagestrategie, die primär aus langfristigen Aktienanlagen unter den Dax-Werten besteht. Als Beimischung hat er risikoreiche Freiverkehrswerte. Offensichtlich hat es dieser Sportler nicht nur in den Beinen, sondern auch im Kopf.
Bei einer erfolgreichen Anlagestrategie kommt es auf die Diversifizierung an. Selbst Totalverluste können dabei akzeptiert werden, sofern sie nur einen geringen Teil des Portefeuilles betreffen. Die Spekulation ist dabei quasi das Salz in der Suppe. Diejenigen, die am Neuen Markt große Verluste erlitten, haben offensichtlich ihre Suppe total versalzen. Wer dagegen nur eine leichte Prise nahm, dem wurde der Appetit an der Börse nicht verdorben.
Während Pessimisten über die in den vergangenen 15 Monaten gefallenen Börsenkurse lamentieren, sollten aufgeklärte Optimisten diese Chance nutzen und noch in diesem Sommer mit dem regelmäßigen Aktiensparen beginnen. Qualität und Substanz haben dabei Priorität. Heiße Luft dagegen bringt keine dauerhaften Erfolge. Die Aktie ist wesentlicher Bestandteil der freien Marktwirtschaft und gibt dem Einzelnen eine direkte Beteiligung am Erfolg des jeweiligen Unternehmens. Der nächste Wirtschaftsaufschwung sollte spätestens im kommenden Jahr eintreten. Erfahrungsgemäß antizipiert die Börse solche Entwicklungen sechs bis neun Monate im Voraus.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) erzielte seit 1991 einen Jahresgewinn von 14 Prozent, sofern Dividenden reinvestiert wurden. Das heißt, das Kapital verdoppelte sich hier fast innerhalb von fünf Jahren. Ähnlich waren die Resultate an der Wall Street beim Dow-Jones-Index. Keiner der dort enthaltenen 30 Werte brachte in den vergangenen 20 Jahren Verluste. Der größte Gewinner war die Discountkette Home Depot mit einem Plus von über 63.000 Prozent! Um beim Sparbrief mit fünf Prozent Verzinsung auf das gleiche Ergebnis zu kommen, werden mindestens 140 Jahre benötigt.
Mit der Emission der Deutschen Telekom im November 1996 hat sich die Aktienkultur in Deutschland grundlegend verändert. Laut dem Deutschen Aktieninstitut in Frankfurt halten fast zwölf Millionen von den rund 81 Millionen Bundesbürgern inzwischen Aktien oder Aktienfonds-Anteile. Allein seit 1997 hat sich der Anteil der Aktienbesitzer bei allen Deutschen, die über 14 Jahre alt sind, bis Ende 2000 von knapp neun Prozent auf 18,5 Prozent mehr als verdoppelt.
Betrug die Marktkapitalisierung aller an der Frankfurter Börse notierten Werte im April vergangenen Jahres fast 1700 Milliarden Euro, so war diese Summe zur Jahresmitte um rund 350 Milliarden Euro geschrumpft. Am Neuen Markt war der Abwärtstrend noch weitaus rasanter. Hier fiel die Marktkapitalisierung innerhalb von 15 Monaten seit Ende des ersten Quartals 2000 von über 200 Milliarden Euro auf inzwischen knapp 70 Milliarden Euro. Die Spekulationsblase kam offensichtlich zum Platzen, da die Bewertungsbasis zur Jahrtausendwende besonders am Neuen Markt mit Realität nichts mehr zu tun hatte. Nur bei der Tulpenspekulation in Holland vor über 350 Jahren gab es noch größere Exzesse.
Trotz dieser kurzfristigen Negativerfahrung wäre es falsch, der Aktie den Platz als eine vernünftige Langfristinvestition abzusprechen. Bereits in einem Zeitraum von fünf Jahren kommt es an der Börse nur selten zu Verlusten. Über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren, ist es bisher sogar immer zu einem Gewinn gekommen, sofern die Börsenanlage breit gestreut war. Selbst wer in der exzessiven Hochphase der Wall Street 1929, kurz vor der Weltwirtschaftskrise, Aktien kaufte, konnte innerhalb von 20 Jahren einen durchschnittlichen Jahresgewinn von rund neun Prozent erzielen, sofern man jedes Jahr den gleichen Betrag investierte. Durch regelmäßiges Aktiensparen werden die Höhen und Tiefen der Börse ausgegeglichen und brachten im Jahresdurchschnitt in den vergangenen 75 Jahren rund zwölf Prozent pro Jahr ein.
Eine Einmal-Anlage von nur 1000 Dollar an der Wall Street Ende 1925 ist - gemessen am Standard-&-Poor's-500-Index - heute über zwei Millionen Dollar wert, sofern Dividenden reinvestiert wurden. Selbst der Indexeinbruch von 1929 bis 1932 um fast 90 Prozent hat dieses Gesamtergebnis im Nachhinein kaum geschmälert. Wer dagegen langfristige Staatsanleihen kaufte, kommt im gleichen 75-jährigen Zeitraum auf kaum mehr als 50.000 Dollar. Ein noch geringerer Gewinn wurde erzielt, wenn man die 1000 Dollar auf einem Tagesgeldkonto verzinste und damit rund 15.000 Dollar erreichte.
Der bedeutendste Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, Albert Einstein, bezeichnete das Steigerungspotenzial der Börse unter Berücksichtigung der Wiederanlage (die so genannte Zinseszinsrechnung) als eines der faszinierendsten Grunderkenntnisse der Welt. Erstaunlich ist, dass selbst prominente deutsche Politiker diese klaren Ergebnisse der langfristigen Aktienanlage immer noch nicht zu verstehen scheinen und sie als risikoreiche Spekulation abtun.
Nimmt man die Börsenentwicklung der vergangenen 50 Jahre als Basis, so könnte der Dax am Ende dieses Jahrzehnts die 12.000-Marke durchaus erreichen, während der Dow-Jones-Index sogar die 20.000-Punkte-Hürde überschreiten kann.
Der Autor ist Manager des Thieme Fonds International.
www.welt.de/daten/2001/07/15/0715fi267810.htx
Berlin, 13:02 Uhr
Wie Sie mit Aktien zum Millionär werden
Für Börsenguru Heiko Thieme führt an Unternehmens-Beteiligungen kein Weg vorbei. Ein Plädoyer für Dow Jones, Dax & Co.
Die Deutschen sitzen auf einem Berg von Aktien. Beteiligten sich 1997 nur neun Prozent der über 14-Jährigen an Unternehmen, so sind es inzwischen 18,5 Prozent
Von Heiko Thieme
Berlin - "Ich spekuliere nicht und wünsche mir mittel- und langfristig kalkulierbare Erträge. Deshalb bevorzuge ich sichere Anlageformen, zum Beispiel in Form von Sparbriefen oder Bundesobligationen." Dieses Zitat stammt von Bundesfinanzminister Hans Eichel, der neben anderen Profis und Promis von der WELT am SONNTAG vor zwei Wochen nach seiner Anlagestrategie befragt wurde. Die Börsengeschichte zeigt jedoch, dass Aktienanlagen langfristig die von Herrn Eichel bevorzugten Alternativen deutlich schlagen. Verwechselt der Bundesfinanzminister etwa solide Aktienanlage mit kurzfristiger Spekulation?
Ein 20-Jähriger, der jeden Monat 100 Mark in den Dax-Index in Form eines Index-Zertifikates mit einer Rendite von zwölf Prozent investiert, wird mit seinem 60. Lebensjahr zum Millionär, obwohl er über diesen 40-jährigen Zeitraum insgesamt nicht einmal 50.000 Mark selbst aufwendete. Wer über den gleichen Zeitraum Sparbriefe mit einer Verzinsung von fünf Prozent gekauft hätte, kommt nicht einmal auf 150.000 Mark. Aktiensparen sollte daher die bevorzugte Anlagestrategie sein.
Sarah Wagenknecht von der PDS betrachtet in derselben Umfrage Aktien als spekulatives Spiel und meint, dass Kleinanleger an der Börse meist den Kürzeren ziehen und führt dabei die Kursentwicklung des Neuen Markts als Beispiel an. Durch den Nichtkauf von Aktien will sie nach ihren eigenen Worten "den Kapitalismus aushebeln". Wer so argumentiert, zeigt ein totales Unverständnis gegenüber der freien Marktwirtschaft und eignet sich nicht zum Regieren.
Am vernünftigsten äußerte sich der 68fache Fußballnationalspieler Thomas Helmer über seine Anlagestrategie, die primär aus langfristigen Aktienanlagen unter den Dax-Werten besteht. Als Beimischung hat er risikoreiche Freiverkehrswerte. Offensichtlich hat es dieser Sportler nicht nur in den Beinen, sondern auch im Kopf.
Bei einer erfolgreichen Anlagestrategie kommt es auf die Diversifizierung an. Selbst Totalverluste können dabei akzeptiert werden, sofern sie nur einen geringen Teil des Portefeuilles betreffen. Die Spekulation ist dabei quasi das Salz in der Suppe. Diejenigen, die am Neuen Markt große Verluste erlitten, haben offensichtlich ihre Suppe total versalzen. Wer dagegen nur eine leichte Prise nahm, dem wurde der Appetit an der Börse nicht verdorben.
Während Pessimisten über die in den vergangenen 15 Monaten gefallenen Börsenkurse lamentieren, sollten aufgeklärte Optimisten diese Chance nutzen und noch in diesem Sommer mit dem regelmäßigen Aktiensparen beginnen. Qualität und Substanz haben dabei Priorität. Heiße Luft dagegen bringt keine dauerhaften Erfolge. Die Aktie ist wesentlicher Bestandteil der freien Marktwirtschaft und gibt dem Einzelnen eine direkte Beteiligung am Erfolg des jeweiligen Unternehmens. Der nächste Wirtschaftsaufschwung sollte spätestens im kommenden Jahr eintreten. Erfahrungsgemäß antizipiert die Börse solche Entwicklungen sechs bis neun Monate im Voraus.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) erzielte seit 1991 einen Jahresgewinn von 14 Prozent, sofern Dividenden reinvestiert wurden. Das heißt, das Kapital verdoppelte sich hier fast innerhalb von fünf Jahren. Ähnlich waren die Resultate an der Wall Street beim Dow-Jones-Index. Keiner der dort enthaltenen 30 Werte brachte in den vergangenen 20 Jahren Verluste. Der größte Gewinner war die Discountkette Home Depot mit einem Plus von über 63.000 Prozent! Um beim Sparbrief mit fünf Prozent Verzinsung auf das gleiche Ergebnis zu kommen, werden mindestens 140 Jahre benötigt.
Mit der Emission der Deutschen Telekom im November 1996 hat sich die Aktienkultur in Deutschland grundlegend verändert. Laut dem Deutschen Aktieninstitut in Frankfurt halten fast zwölf Millionen von den rund 81 Millionen Bundesbürgern inzwischen Aktien oder Aktienfonds-Anteile. Allein seit 1997 hat sich der Anteil der Aktienbesitzer bei allen Deutschen, die über 14 Jahre alt sind, bis Ende 2000 von knapp neun Prozent auf 18,5 Prozent mehr als verdoppelt.
Betrug die Marktkapitalisierung aller an der Frankfurter Börse notierten Werte im April vergangenen Jahres fast 1700 Milliarden Euro, so war diese Summe zur Jahresmitte um rund 350 Milliarden Euro geschrumpft. Am Neuen Markt war der Abwärtstrend noch weitaus rasanter. Hier fiel die Marktkapitalisierung innerhalb von 15 Monaten seit Ende des ersten Quartals 2000 von über 200 Milliarden Euro auf inzwischen knapp 70 Milliarden Euro. Die Spekulationsblase kam offensichtlich zum Platzen, da die Bewertungsbasis zur Jahrtausendwende besonders am Neuen Markt mit Realität nichts mehr zu tun hatte. Nur bei der Tulpenspekulation in Holland vor über 350 Jahren gab es noch größere Exzesse.
Trotz dieser kurzfristigen Negativerfahrung wäre es falsch, der Aktie den Platz als eine vernünftige Langfristinvestition abzusprechen. Bereits in einem Zeitraum von fünf Jahren kommt es an der Börse nur selten zu Verlusten. Über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren, ist es bisher sogar immer zu einem Gewinn gekommen, sofern die Börsenanlage breit gestreut war. Selbst wer in der exzessiven Hochphase der Wall Street 1929, kurz vor der Weltwirtschaftskrise, Aktien kaufte, konnte innerhalb von 20 Jahren einen durchschnittlichen Jahresgewinn von rund neun Prozent erzielen, sofern man jedes Jahr den gleichen Betrag investierte. Durch regelmäßiges Aktiensparen werden die Höhen und Tiefen der Börse ausgegeglichen und brachten im Jahresdurchschnitt in den vergangenen 75 Jahren rund zwölf Prozent pro Jahr ein.
Eine Einmal-Anlage von nur 1000 Dollar an der Wall Street Ende 1925 ist - gemessen am Standard-&-Poor's-500-Index - heute über zwei Millionen Dollar wert, sofern Dividenden reinvestiert wurden. Selbst der Indexeinbruch von 1929 bis 1932 um fast 90 Prozent hat dieses Gesamtergebnis im Nachhinein kaum geschmälert. Wer dagegen langfristige Staatsanleihen kaufte, kommt im gleichen 75-jährigen Zeitraum auf kaum mehr als 50.000 Dollar. Ein noch geringerer Gewinn wurde erzielt, wenn man die 1000 Dollar auf einem Tagesgeldkonto verzinste und damit rund 15.000 Dollar erreichte.
Der bedeutendste Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, Albert Einstein, bezeichnete das Steigerungspotenzial der Börse unter Berücksichtigung der Wiederanlage (die so genannte Zinseszinsrechnung) als eines der faszinierendsten Grunderkenntnisse der Welt. Erstaunlich ist, dass selbst prominente deutsche Politiker diese klaren Ergebnisse der langfristigen Aktienanlage immer noch nicht zu verstehen scheinen und sie als risikoreiche Spekulation abtun.
Nimmt man die Börsenentwicklung der vergangenen 50 Jahre als Basis, so könnte der Dax am Ende dieses Jahrzehnts die 12.000-Marke durchaus erreichen, während der Dow-Jones-Index sogar die 20.000-Punkte-Hürde überschreiten kann.
Der Autor ist Manager des Thieme Fonds International.
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