Verluste bei GM legen Defizite offen – Autowert soll erst bei Pleite aus dem Index fliegen
Dow-Jones-Index leidet an Altersschwäche
Seit Anfang März hat der weltweit bekannteste Aktienindex Dow Jones Industrial etwa 800 Punkte eingebüßt, in dieser Woche hätte er um ein Haar die psychologisch wichtige 10 000-Punkte-Marke nach unten durchbrochen. Der Dow ist dabei stärker abgesackt als der breiter gefasste S&P 500. Das wirft ein Licht auf seine altmodische Berechnung.
HB DÜSSELDORF. Kursbewegungen des nach Marktwert dramatisch zusammengeschrumpften General-Motors-Konzerns wiegen im Dow ähnlich schwer wie Schwankungen des 25-mal gewichtigeren Riesen General Electric. Doch an der Rechenmethode will Dow Jones ebenso festhalten wie an der Mitgliedschaft von Schwächlingen wie GM.
„Das Geschäftsleben besteht nicht nur aus Erfolgsstorys“, sagte John Prestbo von Dow Jones, Mitglied im für die Dow-Zusammensetzung zuständigen Komitee, „auch eine Krise gehört dazu.“ Würden General Motors Anleihen auf Junk-Status herabgestuft, wäre selbst das kein Grund, den weltgrößten Autokonzern aus dem Index zu kicken: „Handlungsbedarf besteht erst, wenn GM Pleite geht“, sagte Prestbo dem Handelsblatt.
So bleibt der Winzling nach Marktwert in der Reihe der 30 wichtigsten Industriewerte der USA. Zum Vergleich: Im streng nach Kapitalwert gewichtenden S&P 500 ist GM in zehn Jahren von Platz 16 auf Platz 176 abgerutscht. Mit gerade mal 14 Mrd. Dollar bewerten die Börsen den General-Motors-Konzern nach den jüngsten Kurseinbrüchen. Damit bildet der weltgrößte Autokonzern weit abgeschlagen das Schlusslicht im Index der US-Standardwerte. „Wir haben schon einmal, 1992, General Motors mit durchgezogen, diesmal halten wir es genauso“, sagte Prestbo.
Damit kann GM auch weiterhin den Dow kräftig drücken und Anlegern die Laune verderben. Von den 800 Punkten, die der Dow seit seinem Jahreshoch am 4. März abgegeben hat, gehen allein 70 auf das Konto von GM. Nur IBM (- 155 Punkte) und AIG (- 104 Punkte) haben noch einen größeren Anteil an den jüngsten Einbußen des Dow.
Den starken Einfluss von GM verdankt der erste Index der Welt seiner über 100 Jahre alten Kalkulationsmethode. Um Händlern einen Anhaltspunkt über die Richtung der Märkte zu geben, dividierten die Erfinder 1896 die Aktienkurse von damals 12 großen US-Werten einfach durch 12. Leicht modifiziert, wird die Methode heute noch verwendet.
Das führt immer wieder zu Verzerrungen. So signalisierte der Dow auch ein Jahr nach dem Platzen der Spekulationsblase noch keinen Bärenmarkt. Er verlor von seinem Allzeithoch am 14. Januar 2000 bis zum 22. März 2001 nur 19 Prozent. Von einem Bärenmarkt sprechen Markttechniker erst bei einem Verlust von 20 Prozent. Der S&P 500 hatte bis dahin schon 29 Prozent von seinem Höchststand abgegeben. Der jüngste Markteinbruch seit Anfang März sieht dagegen im S&P 500 weniger dramatisch aus als im Dow: Der Dow hat seit dem Jahreshoch am 4. März 7,4 Prozent verloren, der S&P 500 6,03 Prozent. Ein Grund dafür: Traditionelle zyklische Werte sind im Dow übergewichtet, Technologieaktien wie Microsoft und Intel wurden erst spät hinzugefügt und gelten als unterrepräsentiert.
Dennoch kommen Investoren und Analysten am Dow nicht vorbei. „Portfoliotechnisch sind Indizes wie der S&P 500 oder der MSCI Weltindex wesentlich exakter“, sagt Ingo Mainert von der Vermögensverwaltung der Commerzbank. „Doch würde der Dow jetzt unter 10 000 rutschen, wäre das psychologisch ein sehr schlechtes Signal.“ Dem Markt sei die Problematik des Dow bewusst. Doch seine lange Geschichte mache ihn für historische Vergleiche unentbehrlich. Auch der für globale Fonds zuständige Manager Ralf Oberbannscheidt von der DWS sagt: „Man wird in Sippenhaft genommen. Wenn alle darauf schauen, muss auch der Profi den Index ins Kalkül nehmen.“
Unregelmäßig und ohne festes System ändert das Dow-Jones-Team die Zusammensetzung. Über längere Zeit gesehen, war die Auswahl nicht schlecht. „Ich benutze auch den Dow“, sagt der Analyst Richard McCabe von Merrill Lynch, „langfristig hat er ähnliche Schwünge wie der S&P 500“. Der Dow habe Geschichte und sei so populär, dass er die Stimmung der Märkte beeinflusse – „berechtigt oder nicht“.
Lange Geschichte
Die Erfinder: Die Journalisten Charles Dow und Edward Jones begannen im Juli 1884, die durchschnittlichen Kursbewegung von elf großen Industriewerten zu beobachten. Ab 1896 veröffentlichten sie regelmäßig den „Dow Jones Industrial Average.“
Die Methode: In unregelmäßigen Abständen wird die Zusammensetzung des Dow neu überdacht. Vertreten sind die Marktführer der wichtigsten Branchen. Ungeachtet des Marktwerts führt die Kursänderung einer Aktie um einen Dollar zu einer Veränderung des Dow um 7,4 Punkte. Mit willkürlichen Folgen: Das größte Gewicht hat so United Technologies. Der Riese General Electric liegt ähnlich wie der Zwerg GM irgendwo in der Mitte.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 22. April 2005, 08:04 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Dow-Jones-Index leidet an Altersschwäche
Seit Anfang März hat der weltweit bekannteste Aktienindex Dow Jones Industrial etwa 800 Punkte eingebüßt, in dieser Woche hätte er um ein Haar die psychologisch wichtige 10 000-Punkte-Marke nach unten durchbrochen. Der Dow ist dabei stärker abgesackt als der breiter gefasste S&P 500. Das wirft ein Licht auf seine altmodische Berechnung.
HB DÜSSELDORF. Kursbewegungen des nach Marktwert dramatisch zusammengeschrumpften General-Motors-Konzerns wiegen im Dow ähnlich schwer wie Schwankungen des 25-mal gewichtigeren Riesen General Electric. Doch an der Rechenmethode will Dow Jones ebenso festhalten wie an der Mitgliedschaft von Schwächlingen wie GM.
„Das Geschäftsleben besteht nicht nur aus Erfolgsstorys“, sagte John Prestbo von Dow Jones, Mitglied im für die Dow-Zusammensetzung zuständigen Komitee, „auch eine Krise gehört dazu.“ Würden General Motors Anleihen auf Junk-Status herabgestuft, wäre selbst das kein Grund, den weltgrößten Autokonzern aus dem Index zu kicken: „Handlungsbedarf besteht erst, wenn GM Pleite geht“, sagte Prestbo dem Handelsblatt.
So bleibt der Winzling nach Marktwert in der Reihe der 30 wichtigsten Industriewerte der USA. Zum Vergleich: Im streng nach Kapitalwert gewichtenden S&P 500 ist GM in zehn Jahren von Platz 16 auf Platz 176 abgerutscht. Mit gerade mal 14 Mrd. Dollar bewerten die Börsen den General-Motors-Konzern nach den jüngsten Kurseinbrüchen. Damit bildet der weltgrößte Autokonzern weit abgeschlagen das Schlusslicht im Index der US-Standardwerte. „Wir haben schon einmal, 1992, General Motors mit durchgezogen, diesmal halten wir es genauso“, sagte Prestbo.
Damit kann GM auch weiterhin den Dow kräftig drücken und Anlegern die Laune verderben. Von den 800 Punkten, die der Dow seit seinem Jahreshoch am 4. März abgegeben hat, gehen allein 70 auf das Konto von GM. Nur IBM (- 155 Punkte) und AIG (- 104 Punkte) haben noch einen größeren Anteil an den jüngsten Einbußen des Dow.
Den starken Einfluss von GM verdankt der erste Index der Welt seiner über 100 Jahre alten Kalkulationsmethode. Um Händlern einen Anhaltspunkt über die Richtung der Märkte zu geben, dividierten die Erfinder 1896 die Aktienkurse von damals 12 großen US-Werten einfach durch 12. Leicht modifiziert, wird die Methode heute noch verwendet.
Das führt immer wieder zu Verzerrungen. So signalisierte der Dow auch ein Jahr nach dem Platzen der Spekulationsblase noch keinen Bärenmarkt. Er verlor von seinem Allzeithoch am 14. Januar 2000 bis zum 22. März 2001 nur 19 Prozent. Von einem Bärenmarkt sprechen Markttechniker erst bei einem Verlust von 20 Prozent. Der S&P 500 hatte bis dahin schon 29 Prozent von seinem Höchststand abgegeben. Der jüngste Markteinbruch seit Anfang März sieht dagegen im S&P 500 weniger dramatisch aus als im Dow: Der Dow hat seit dem Jahreshoch am 4. März 7,4 Prozent verloren, der S&P 500 6,03 Prozent. Ein Grund dafür: Traditionelle zyklische Werte sind im Dow übergewichtet, Technologieaktien wie Microsoft und Intel wurden erst spät hinzugefügt und gelten als unterrepräsentiert.
Dennoch kommen Investoren und Analysten am Dow nicht vorbei. „Portfoliotechnisch sind Indizes wie der S&P 500 oder der MSCI Weltindex wesentlich exakter“, sagt Ingo Mainert von der Vermögensverwaltung der Commerzbank. „Doch würde der Dow jetzt unter 10 000 rutschen, wäre das psychologisch ein sehr schlechtes Signal.“ Dem Markt sei die Problematik des Dow bewusst. Doch seine lange Geschichte mache ihn für historische Vergleiche unentbehrlich. Auch der für globale Fonds zuständige Manager Ralf Oberbannscheidt von der DWS sagt: „Man wird in Sippenhaft genommen. Wenn alle darauf schauen, muss auch der Profi den Index ins Kalkül nehmen.“
Unregelmäßig und ohne festes System ändert das Dow-Jones-Team die Zusammensetzung. Über längere Zeit gesehen, war die Auswahl nicht schlecht. „Ich benutze auch den Dow“, sagt der Analyst Richard McCabe von Merrill Lynch, „langfristig hat er ähnliche Schwünge wie der S&P 500“. Der Dow habe Geschichte und sei so populär, dass er die Stimmung der Märkte beeinflusse – „berechtigt oder nicht“.
Lange Geschichte
Die Erfinder: Die Journalisten Charles Dow und Edward Jones begannen im Juli 1884, die durchschnittlichen Kursbewegung von elf großen Industriewerten zu beobachten. Ab 1896 veröffentlichten sie regelmäßig den „Dow Jones Industrial Average.“
Die Methode: In unregelmäßigen Abständen wird die Zusammensetzung des Dow neu überdacht. Vertreten sind die Marktführer der wichtigsten Branchen. Ungeachtet des Marktwerts führt die Kursänderung einer Aktie um einen Dollar zu einer Veränderung des Dow um 7,4 Punkte. Mit willkürlichen Folgen: Das größte Gewicht hat so United Technologies. Der Riese General Electric liegt ähnlich wie der Zwerg GM irgendwo in der Mitte.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 22. April 2005, 08:04 Uhr
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Der Einsame Samariter