Dossier über Roche und Merck

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Dossier über Roche und Merck

 
29.08.06 20:02
Dossier Behörde kanzelt Roche und Merck
ab
von Peter Kuchenbuch (Hamburg)
Die Pharmaindustrie hat immer größere Probleme, hohe Preise für die von ihr
neu entwickelten Krebsmedikamente durchzusetzen. Davon betroffen ist
neben dem Schweizer Pharmakonzern Roche auch der Darmstädter Chemieund
Pharmakonzern Merck.
Erbitux, das Darmkrebsmedikament von Merck
Dessen Darmkrebsmedikament Erbitux wurde gerade von der britischen Behörde NICE
(National Institute for Health and Clinical Excellence) als überteuert eingestuft.
Die Höhe der Therapiekosten mit Erbitux stehe in einem Missverhältnis zum Therapieerfolg.
Folglich soll die Erbitux-Behandlung in Großbritannien nicht vom nationalen
Gesundheitsdienst erstattet werden. Ein Firmensprecher kündigte am Dienstag an, Merck
werde rechtliche Schritte gegen die Entscheidung einleiten. Das NICE bewertet auch die
Wirtschaftlichkeit von Roches Milliardenbringer Avastin - ebenfalls ein Mittel gegen
Darmkrebs - negativ und rät von einer Erstattung ab.
Auch mit Blick auf Deutschland in Alarmstimmung
Das Krebsmedikament Avastin von Roche
"Die Entscheidungen des NICE sind ein Frühindikator für die Nutzenbewertung von
Medikamenten in anderen europäischen Märkten", sagt Peter Düllmann, Analyst beim
Bankhaus Sal. Oppenheim. Die Pharmaindustrie ist auch mit Blick auf Deutschland in
Alarmstimmung. Das hiesige NICE-Pendant heißt Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit
im Gesundheitswesen, kurz IQWiG. Für Aufsehen sorgte zuletzt dessen negatives Urteil über
den Nutzen so genannter Insulinanaloga zur Behandlung von Diabetes Typ 2. Diese
Medikamente werden künftig höchstwahrscheinlich nicht mehr von den gesetzlichen
Krankenkassen erstattet.

Ein ähnlicher Rückschlag droht dem mit rund 300 Mio. Euro umsatzstärksten Medikament in
Deutschland, dem Blutverdünner Clopidogrel. Hier zu Lande wird das Mittel von
Sanofi-Aventis unter dem Namen Plavix und von Bristol-Myers Squibb als Iscover verkauft.
Das Mittel soll Herzinfarkt und Schlaganfall vorbeugen. Am Freitag wird der
Abschlussbericht des IQWiG zum Einsatz bei Herzpatienten veröffentlicht. Dabei geht es um
die Frage, ob Acetylsalicylsäure (Aspirin, ASS) genauso gut wirkt wie eine
Kombinationstherapie von Acetylsalicysäure mit Clopidogrel. Im Vorbericht des IQWiG vom
27. März heißt es, Clopidogrel senke im Vergleich zur ASS-Monotherapie zwar das
Thromboserisiko. Es sei aber nicht nachgewiesen, dass die Sterblichkeit Thrombose
gefährdeter Patienten insgesamt sinke oder Herzinfarktpatienten von dem Medikament
zusätzlich profitierten.
Veröffentlichung kommt zu schlechtem Zeitpunkt
ZUM THEMA DOKUMENTE, AUDIO/VIDEO RESSOURCEN
• Merck erleidet herben Rückschlag
(www.ftd.de/unternehmen/industrie/88127.html)
• Merck lüftet Geheimnis um Schering-Gezerre
(www.ftd.de/unternehmen/industrie/84972.html)
• (€) Merck erhält erweiterte Zulassung für Erbitux
(www.ftd.de/unternehmen/industrie/62025.html)
• (€) Gesundheitswirtschaft: Qualitätsnetze gegen Darmkrebs
(www.ftd.de/unternehmen/gesundheitswirtschaft/60830.html)
• (€) Nanokugeln gegen Krebs (www.ftd.de/forschung/27542.html)
• (€) Merck entwickelt neues Krebsmittel mit Takeda-Konzern
(www.ftd.de/unternehmen/industrie/24272.html)
• NICE: Healthcare services for bowel (colorectal) cancer (pdf)
(www.ftd.de/div/link/106693.html)
• NICE: Colorectal cancer (metastatic) - bevacizumab & cetuximab - Final appraisal
determination (pdf) (www.ftd.de/div/link/106694.html)
• NICE: A guide to NICE (pdf) (www.ftd.de/div/link/106695.html)
• Medknowledge: Cetuximab (Erbitux) - Antikörper gegen Darmkrebs
(www.ftd.de/div/link/106687.html)
• Darmkrebs.de: Darmkrebs - Überblick (www.ftd.de/div/link/106689.html)
• Medizin Aspekte: Erbitux europaweit zugelassen
(www.ftd.de/div/link/106696.html)
• Ärztezeitung: Antikörper und Bestrahlung lassen sich gut kombinieren
(www.ftd.de/div/link/106698.html)
• BMWi: Branchenfokus Pharmaindustrie (www.ftd.de/div/link/106699.html)
Die kommende Veröffentlichung kommt für Sanofi und Bristol-Myers zu einem
schlechten Zeitpunkt. Plavix, das weltweit 6 Mrd. $ Umsatz macht, sorgt in den USA für
negative Schlagzeilen: Der kanadische Generikahersteller Apotex attackiert seit dem 8.
August erfolgreich das patentgeschützte Original mit einer eigenen preiswerteren
Nachahmerversion. Zudem befassen sich Staatsanwälte und Kartellbehörden mit
möglicherweise illegalen Absprachen der drei Wettbewerber untereinander.
Sowohl IQWiG wie auch NICE haben eine zentrale Aufgabe: Sie sollen auf Grundlage
wissenschaftlicher Gutachten dazu beitragen, die Kosten im Gesundheitssystem zu senken.
"Zu dieser Steuerungsfunktion gibt es keine Alternative", sagt Klinikmanager Volker Jacobs
von der Frauenklinik der TU München. "Therapien werden in Zukunft teurer, nicht billiger.
Ohne klare Grenzen, ohne eine Kosten-Nutzen-Bewertung wird es nicht mehr gehen."
Wirkung durch Studien gesichert
Roches Darmkrebsmittel Avastin ist seit Januar 2005 zugelassen und hat im ersten Jahr in
Europa 160 Mio. Euro umgesetzt. Erbitux ist hier seit 2004 auf dem Markt und erzielte 2005
rund 218 Mio. Euro Umsatz. In beiden Fällen ist die Wirkung durch Studien gesichert. Eine
lebensverlängernde Wirkung um fünf Monate war allerdings nur für Avastin klar erkennbar
(20,3 gegenüber 15,6 Monaten); der Lebenszeitgewinn (8,6 versus 6,9 Monate) für Erbitux
hat die statistische Signifikanz bislang verfehlt.
Die Behandlung mit Avastin kostet in Großbritannien im Schnitt umgerechnet 26.000 Euro
pro Patient, mit Erbitux 17.300 Euro. NICE ermittelte bei der Kosten-Nutzen-Bewertung den
Gewinn an Lebensjahren in guter Lebensqualität. Der Wert soll nicht mehr als 44.000 Euro
betragen. Beide Medikamente liegen mit dem doppelten Wert weit darüber.
Nutzenbewertung
IQWiG Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
wurde am 1. Juni 2004 als private Stiftung gegründet und ist im Auftrag des Gemeinsamen
Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen oder des Bundesgesundheitsministeriums
tätig. Zu den Aufgaben gehört die Bewertung von Medikamenten, Operations- und
Diagnoseverfahren sowie Behandlungsleitlinien. Leiter des in Köln ansässigen Instituts ist
Peter Sawicki.
NICE Das britische NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) widmet sich
der Nutzenbewertung von Arzneimitteln unter wirtschaftlichen Aspekten - darin unterscheidet
es sich vom IQWiG, das bislang nicht die ökonomischen Parameter beleuchtet. Die
Empfehlungen des NICE sind richtungsweisend für die Behandlungsentscheidungen der Ärzte
des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS). Zwar sind
britische Ärzte nicht verpflichtet, sich an die NICE-Ratschläge zu halten. Allerdings werden
neue Medikament oft nicht verschrieben, wenn NICE dies nicht ausdrücklich empfiehlt.
Erstattung In Deutschland erstatten die Krankenkassen die neuartigen Krebsmedikamente -
es gibt keine Anzeichen, dass sich dies ändern wird. Das britische Gesundheitswesen gilt als
marode. Anders als in Deutschland ist das britische Gesundheitssystem größtenteils
steuerfinanziert. Das Grundprinzip besteht in der Erbringung von unentgeltlichen
Gesundheitsleistungen für alle.
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