Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut

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Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut

 
26.02.06 09:46

HANDELSBLATT, Sonntag, 26. Februar 2006, 09:34 Uhr

Interview mit Dieter Zetsche, Chef von Daimler-Chrysler Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut 2408657
„Vielleicht ging es uns zu gut“Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut 2408657
Die Fragen stellten Martin Buchenau, Carsten Herz, Stefan Menzel, Bernd ZiesemerDieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut 2408657
Daimler-Chef Dieter Zetsche gibt im Handelsblatt-Interview Auskunft über die Zusammenarbeit von Daimler und Chrysler und darüber, ob die Marke Smart den Sprung in die USA wagen wird. Auch für die neue, von den USA geprägte Managergeneration findet er eine treffliche Beschreibung.Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut 2408657
Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut 2408657bc22.vhb.de/pshb?fn=relhbi&sfn=cn_load_bin&id=1123567" style="max-width:560px" align=left vspace=20 border=0>Dieter Zetsche: Vielleicht ging es uns zu gut 2408657
Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche will mit Mercedes schnell wieder zu alter Stärke zurückfinden. Foto: dpa
Herr Zetsche, seit diesem Jahr stehen Sie an der Konzernspitze, nachdem Sie zuvor Chrysler leiteten. Welche Lektion bringen Sie Mercedes nun von Chrysler bei?

Zunächst einmal halte ich es nicht für ehrenrührig, wenn ich feststelle, das Mercedes auch von Chrysler lernen kann....

Früher hätte man das in Stuttgart aber vielleicht so empfunden...

Eine Marke ist dann gefährdet, wenn sie glaubt, sie könne nicht von anderen lernen. Es steht, glaube ich, außer Zweifel, dass wir bei Chrysler – insbesondere in den letzten Jahren – eine Menge gelernt haben. Dazu gehören vor allem sehr effiziente Abläufe in der Produktion. Da kann Mercedes noch viel von Chrysler lernen. Das gilt aber natürlich bei anderen Themen auch andersrum.

Wieso konnte das Chrysler schon vor Jahren umsetzen und Mercedes nicht?

Wenn Sie wollen, brauchen Sie wahrscheinlich auch immer gewisse kritische Phasen, um mit mehr Nachdruck die Entwicklungen durchzuführen, die nötig sind. Vielleicht ging es uns zu gut.

Wie weit wird die Zusammenarbeit zwischen den beiden Marken gehen?

Ich sehe das größte Potenzial darin, das gesamte Know-how von Daimler-Chrysler allen zugänglich zu machen. Natürlich wissen wir, dass der oberste Wert der eigenständige Charakter der einzelnen Marken ist. Unter dieser Prämisse wollen wir die Potenziale für eine Zusammenarbeit stärker nutzen. Dies umfasst auch die gemeinsame Entwicklung von Teilen, so lange diese nicht charakterbildend und bestimmend für die Eigenschaften der Autos sind.

Wie weit können Sie da gehen, ohne dass es der Kunde merkt?

Also, zunächst mal möchte ich den Eindruck vermeiden, dass wir hier versuchen würden, dem Kunden eine Mogelpackung zu verkaufen. Im Gegenteil. Wir glauben, dass wir den Kunden mehr bieten, wenn wir Standardteile möglichst kostengünstig und effizient bereit stellen. Und das, was dann die Begeisterung des Kunden und sein Erleben an dem Fahrzeug ausmacht, individuell konzipieren und darauf zuschneiden.

Werden Chrysler- und Mercedes-Fahrzeuge auch von einem Band laufen?

Wir haben nicht das Ziel, gemeinsame Plattformen zu entwickeln. Ich sage aber ganz klar, wir produzieren heute schon bei Zulieferern wie Karmann und Magna Steyr Mercedes- und Chrysler-Fahrzeuge – insofern wäre es unsinnig, daraus ein Dogma zu machen. Ich will das nicht ausschließen, wenn wir damit unsere Kapazitäten besser nutzen könnten. Wir haben aber im Moment keine konkreten Pläne, so etwas in unseren Werken umzusetzen.

Wann kommen die ersten Mercedes-Modelle, die Ihre Handschrift tragen?

In meinen ersten Monaten habe ich mehr Zeit mit Design verbracht als mit Effizienzsteigerungen. Wir sind in den vergangenen Monaten durch das gesamte geplante Modell-Portfolio gegangen und haben an vielen Stellen – teilweise mehr, teilweise weniger – Veränderungen vorgenommen. Es ist aber klar, dass die Wagen, die in den nächsten drei Jahren kommen, in ihrer Konzeption bereits festgelegt waren. Bei der nächsten Generation der C-Klasse, die 2007 kommt, haben wir aber noch Hand angelegt.

Vom Ex-VW-Chef Ferdinand Piech ist bekannt, dass er penibel die Entwicklung überwachte und teilweise noch in letzter Minute an Einzelheiten feilte. Sind Sie auch ein Vorstandschef, der sich bis zuletzt in Details einmischt?

Ich sehe meinen Job generell darin, zu verhindern, dass wir in letzter Minute Entscheidungen treffen. Denn so entstehen genau die Qualitätsprobleme, vor denen auch die deutschen Hersteller stehen, wenn bis zur letzten Minute das Lastenheft verändert wird. Ich sehe mich aber ganz eindeutig als jemand, der intensiv als Teil des Teams Einfluss nimmt.

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Wie wichtig ist für Mercedes das Thema Qualität?

Das Design und der Charakter der Fahrzeuge ist die Kür. Qualität ist jedoch die Pflicht. Wir können keine erfolgreiche Zukunft haben, wenn wir uns bei der Qualität nicht ganz vorne befinden. Das erwartet der Kunde einfach.

Worauf legen Sie bei den neuen Modellen besonderen Wert?

Es ist sicherlich ein Ziel, dass unsere Fahrzeuge neben der Solidität und einem gewissen Status auch Emotionen ausdrücken. Am Ende des Tages wollen wir nicht Stahl, Gummi und Glas verkaufen, sondern Träume und Emotionen – und die müssen Sie auch visualisieren.

Wie ernst nehmen Sie Toyota mit seiner Luxusmarke Lexus als Konkurrenten?

Es besteht kein Zweifel, dass die Japaner die nächste Offensive in Europa vorbereiten. Es ist an uns, entsprechend wettbewerbsfähiger zu werden, um dem erfolgreich zu begegnen. Wenn ich unser Potential sehe, mache ich mir aber keine Sorgen.

Was macht Sie da so zuversichtlich, dass es Ihnen besser ergeht als GM und Ford?

Um es ganz klar zu sagen: Mercedes ist die stärkste Marke in der Automobilindustrie und sie hat ein unheimlich starkes Fundament. Wir haben in den letzten Jahren von diesem Guthaben abgehoben – und es ist höchste Zeit, dass wir wieder einzahlen. Ich bin davon überzeugt, dass wir sehr schnell zu alter Stärke zurückfinden werden.

Die Japaner fahren erstmals mit Kleinwagen in den USA vor. Wagen Sie auch mit Smart den Sprung?

Wir werden die Entscheidung relativ kurzfristig noch in diesem Halbjahr treffen. Ich kann darüber aber vielleicht eine Spur hinaus gehen. Es ist derzeit wahrscheinlicher, dass wir eine Entscheidung pro USA als dagegen treffen werden. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.

Sie gehören mit Siemens-Chef Kleinfeld und Allianz-Boss Diekmann zu einer neuen, stark von den USA geprägten Garde von Managern. Stehen Sie für einen neuen Führungsstil?

Zumindest für die Personen, die Sie genannt haben, würde ich das schon bejahen.

Und was ist das, was man mitbringt?

Ich glaube ein gewisses Maß an Pragmatismus, eine Ziel- und Ergebnisorientierung, nicht das Bestreben, jeden Tag neue Probleme zu erfinden, und auch Effizienz im Tun und Handeln.

Daimler war immer ein Unternehmen, das stark auf Unternehmensberater setzte. Wird sich das unter Ihrer Führung ändern?

Es gibt Felder, wo wir externe Beratung brauchen. Aber wir werden in der Zukunft tendenziell weniger Geld für Unternehmensberater ausgeben.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Angst hat Zetsche noch nicht bei sich beobachtet.

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Konzentrieren sich die deutschen Unternehmen noch mehr auf den Mann an der Spitze?

Wenn Sie die Entwicklung der letzten Jahre sehen, nimmt die Zahl der Vorstandssprecher, die einem Kollektiv vorstehen, deutlich ab. Ich glaube, dass der Trend derzeit tatsächlich in die Richtung geht, die Sie beschreiben.

Macht Ihnen das nicht auch Angst? Sie sind jetzt in einer Position, in der sich alles bei Daimler auf Sie als Vorstands- und Mercedes-Chef konzentriert...

Angst ist bisher eigentlich keine Gefühlslage, die ich an mir beobachtet hätte. Ich kenne das Erlebnis, im Fokus zu stehen, bereits als Chef von Chrysler, weil der Hersteller in den USA eine nationale Ikone ist. Die hohe Aufmerksamkeit ist nichts, was ich anstreben würde, aber es gehört nun einmal zu der Position, die ich inne habe.

Zur neuen Position gehört auch, sich mit dem Betriebsrat wegen des Stellenabbaus zu streiten. Wird diese Auseinandersetzung Sie noch lange beschäftigen?

Ich sehe das nicht so. Ich glaube, dass wir schon sehr viel konkreter und detaillierter mit dem Betriebsrat besprochen haben, was wir vorhaben, als es beispielsweise Wettbewerber aus meiner Außensicht getan hat.

Wenn das alles kein Problem ist, warum bleiben Sie dann bei der Ergebnisprognose so vage?

Wir waren wegen der Publizitätspflichten gezwungen, unsere Pläne für den Umbau von Management und Verwaltung zu einem sehr frühen Stadium zu veröffentlichen. Erst seit wenigen Wochen arbeitet ein größerer Kreis von Mitarbeitern daran, die Pläne nun konkret für die nächsten drei Jahre auszuarbeiten. Wir werden also noch etwas Zeit brauchen, um sagen zu können, welcher Teil der Kosten von zwei Milliarden Euro im Jahr 2006 anfallen wird. Nach Ablauf des ersten Geschäftsquartals werden wir eine präzisere Ansage für das Jahr 2006 machen.

Langfristig wollen Sie noch nicht sagen, wohin die Reise geht?

Es mag die Entwicklung des Aktienkurses momentan vielleicht etwas bremsen, dass wir noch nicht sagen, wo wir in drei, fünf oder zehn Jahren stehen wollen. Das tun wir aber ganz bewusst. Wir wollen uns Glaubwürdigkeit erarbeiten – und das in erster Linie über Ergebnisse, über Geleistetes und nicht über Ankündigungen.

Ihr Credo lautet, mit Daimler schneller, schlanker und profitabler zu werden. Wird sich Mercedes auch von Zuliefererwerken trennen?

Ich glaube nicht, dass wir bei Mercedes einen ähnlich großen Handlungsdruck haben wie bei Chrysler. Es gibt im Moment keine konkreten Pläne. Ich kann aber grundsätzlich nicht ausschließen, dass wir dort einzelne Veränderungen vornehmen könnten.

Sie wollen Daimler zum reinen Autokonzern machen. Können Sie sich eine Trennung von der LKW-Sparte vorstellen?

Das ist für Daimler absolut kein Thema. Das Geschäftsfeld Lkw bleibt integraler Bestandteil des Konzerns, und wir werden dieses auch nicht an die Börse bringen. Wir wollen die Nutzfahrzeuge in der neuen Konstellation erfolgreicher machen und sie direkt gegen ihre Wettbewerber antreten lassen.

In den USA pries ein Gewerkschafter Sie als Gottesgeschenk. Glauben Sie, Betriebsratschef Erich Klemm wird auch einmal sagen: „Ich danke Gott für Dieter“?

Ich habe die Hoffnung, dass wir den Weg primär miteinander und nicht gegeneinander gehen. Aber dafür sind solche Aussagen seinerseits nicht nötig. Ich würde mir aber wünschen, dass die Leute in naher Zukunft mit Begeisterung und Anerkennung von der Marke Mercedes und vom Unternehmen Daimler-Chrysler sprechen – und daran werden wir als Team arbeiten.

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