Der cleverste Hecht heißt INA. Das Familienunternehmen verweist mit der spektakulären Übernahme von FAG Kugelfischer namhafte Großkonzerne wie Bayer und Nestlé auf die Plätze. mm.de präsentiert den diesjährigen Übernahmesieger und die weiteren Dealmaker des Jahres.
Nicht nur Größe zählt: Die Familienfirma INA schluckte die börsennotierte FAG
Hamburg - Im September verblüffte die fränkische INA-Holding Schaeffler KG die Wirtschaftswelt. Die Familienfirma schluckte den börsennotierten Konkurrenten FAG Kugelfischer - ein Novum in Deutschland. Die ausgeklügelte Transaktion setzt damit nach Ansicht der mm-Expertenjury Zeichen für künftige Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions).
Für den spektakulären Deal wird die INA-Gruppe jetzt mit dem diesjährigen M&A-Award ausgezeichnet. Mit diesem Preis würdigen das manager magazin und die Unternehmensberatung Booz Allen & Hamilton alljährlich die gelungenste Transaktion mit führender Beteiligung eines Unternehmens aus dem deutschsprachigen Raum.
Die besten Transaktionen
Auch andere Konzerne nutzten trotz schwierigen Umfelds ihre Chancen. Zur zweitbesten Transaktion des Jahres 2001 wählten die mm-Juroren den Kauf des Autozulieferers Mannesmann Sachs durch ZF Friedrichshafen; der Deal festigte die Stellung der Friedrichshafener als Autozulieferer. Die Übernahme der britischen Powergen durch den Energiekonzern Eon landete auf Rang 3.
Bei Sieger INA überzeugte die wirtschaftliche Logik des Zusammenschlusses: Das Unternehmen steigt mit der übernommenen FAG Kugelfischer zum zweitgrößten Wälz- und Kugellagerhersteller der Welt auf; Kundenstruktur und Produktportfolio beider Unternehmen ergänzen sich perfekt, urteilte die mm-Jury.
Die M&A-Trends des Jahres
Wie der INA-Chefin Maria-Elisabeth Schaeffler die feindliche Übernahme gelang, was Transaktionen erfolgreich macht - und was sie scheitern lässt, lesen Sie detailliert im aktuellen manager magazin (Ausgabe 4/2002).
manager-magazin.de präsentiert im Folgenden die fünf erfolgreichsten Übernahmen im Überblick. Was zeichnete die Transaktionen aus? Wer war der Kopf dahinter? Im mm.de-Interview bewertet Booz-Allen-Experte Wolfgang Wagner die Deals und zeigt die Trends auf dem deutschen M&A-Markt auf.
E O N / P O W E R G E N: Besser als Enron
Die Übernahme der britischen Powergen war ein wichtiger Schritt in der Expansionsstrategie. Und mit Sicherheit ein besserer Kauf als der Konzern, mit dem vorher verhandelt wurde - denn der ist heute bankrott.
Hamburg - Nach der Indiskretion eines Managers beim britischen Energiekonzern Powergen am 16. Januar 2001 war die Katze aus dem Sack: Deutschlands größter Versorgerkonzern Eon will den Mitbewerber kaufen und ist bereit, etwa 15 Milliarden Euro auszugeben.
Während nach außen Eon-Chef Ulrich Hartmann der Kapitän des größten deutschen Deals war, hatte im Hintergrund sein Vorstandskollege Hans Michael Gaul die Rolle des Steuermanns übernommen. Der hatte sich bereits Lorbeeren für seine Rolle in einem 1998 geplanten Deal mit dem US-Stromriesen Enron verdient - und zwar, weil er ihn platzen ließ. "Die haben uns partout nicht in ihre Bücher schauen lassen", begründete Gaul seine Absage. Nach der spektakulären, milliardenschweren Pleite von Enron wird umso deutlicher, wie berechtigt Gauls Misstrauen war.
Weitere Käufe sollen folgen
Mit der freundlichen Übernahme des größten britischen Energieversorgers Powergen, der schließlich mit 15,3 Milliarden Euro zu Buche schlug, kommt Eon bei der von Hartmann verordneten Internationalisierung ein Stück voran: 45 Prozent ihres Energieumsatzes erwirtschaften die Düsseldorfer jetzt außerhalb Deutschlands. Die Powergen-Tochter LG&E in Kentucky repräsentiert einen bedeutenden Marktanteil im US-Markt.
Zudem sei Powergen so ertragsstark, dass es bereits in diesem Jahr zur Ergebnisverbesserung von Eon beitragen soll, erklärte Konzernlenker Hartmann. Weitere Einkäufe sollen folgen. In wenigen Jahren will Eon 70 Prozent seines Umsatzes im Ausland angesiedelt haben. Für weitere Zukäufe soll der Konzern über einen Finanzierungsspielraum von 35 bis 40 Milliarden Euro verfügen.
Folgsame Wettbewerbshüter
Auf der anderen Seite sollen Verkäufe im Chemiegeschäft die Kriegskasse noch füllen: Nachdem VAW Aluminium für 3,1 Milliarden Euro an Norsk Hydro ging, soll die Mehrheit am Logistiker Stinnes noch in diesem Jahr fallen. Die Immobilientochter Viterra steht mittelfristig ebenso zum Verkauf wie die Chemietochter Degussa - bis 2007 dürften die Konzernteile einen neuen Besitzer finden.
Dass Eon mit seiner Expansionspolitik häufig auf Bedenken der Wettbewerbshüter stößt, ist verständlich. Schließlich ist der Konzern nach den Worten von Energie-Chef Hans-Dieter Harig mit "etwa 100 Milliarden Kilowattstunden in 2001" bereits der größte Stromhändler Europas. Doch trotz zahlreicher kartellrechtlicher Auflagen, wie sie aktuell auch mit der Powergen-Übernahme entstehen, konnte Eon seine Geschäftsergebnisse in den vergangenen Jahren stetig verbessern. Im Umgang mit den Behörden scheinen die Düsseldorfer also einen gangbaren Weg gefunden zu haben.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Der erste ernsthafte Schritt Eons zur Internationalisierung des Geschäfts ist
geglückt.
- Konsequenter, der neuen Strategie entsprechender Schritt, die Energie-
Aktivitäten aus- und das Chemiegeschäft abzubauen.
- Schnelle, sachorientiert durchgeführte Transaktion, die auch unter
kartellrechtlichen Gesichtspunkten gut vorbereitet war.
I N A / F A G K U G E L F I S C H E R: Fischfang mit Dynamit
Es ist selten, dass ein Familienbetrieb eine börsennotierte AG gegen deren Willen schlucken kann. Der INA-Holding glückte das Husarenstück - zu guten Konditionen.
Hamburg - Der INA-Gruppe und ihren Geschäftsführern Jürgen Geißinger und Mary Jo Gresens gelang nach Ansicht der mm-Expertenjury nicht nur eine der spektakulärsten, sondern zugleich auch die erfolgreichste Transaktion des Jahres 2001.
Das Familienunternehmen aus dem fränkischen Herzogenaurach hatte im vergangenen September überraschend eine Kaufofferte für die Aktien des börsennotierten Wettbewerbers FAG Kugelfischer lanciert. INA, mit einem Jahresumsatz von 4,1 Milliarden Euro, trat an, den Schweinfurter Mitbewerber mit 2,4 Milliarden Jahresumsatz zu übernehmen.
"Wir werden kämpfen"
Gegen den anfänglichen Widerstand des FAG-Managements gelang es INA, die Übernahme innerhalb weniger Wochen zu vollenden. Ein Deal, der nach Ansicht der mm-Jury Zeichen setzt für künftige Transaktionen in Deutschland. Zumal die wirtschaftliche Logik des Zusammenschlusses überzeugt: Das Unternehmen steigt durch den Zusammenschluss zum zweitgrößten Wälz- und Kugellagerhersteller der Welt auf; Kundenstruktur und Produktportfolio beider Firmen harmonieren perfekt.
Dissonanzen allerdings kennzeichnen den Weg zur erzwungenen Übernahme. FAG-Vorstandschef Uwe Loos hatte nach dem Trompetenstoß der INA am 10. September noch ausgerufen: "Wir werden kämpfen" und anschließend händeringend nach einem Weißen Ritter gesucht. Als Reaktion auf den drohenden Eignerwechsel präsentierte Loos in den Medien ein bis dato geheim gehaltenes Hightech-Lager aus dem Forschungslabor und tarierte den fairen Wert der FAG-Aktie auf "40 Euro". Wenige Tage später drosselte er die Einschätzung dann allerdings auf "12 bis 16 Euro".
Im Schoß der Familie
Auf der Suche nach einem Konzern, der die feindliche Übernahme noch verhindern könnte - im Gespräch war unter anderem der japanische FAG-Kooperationspartner NTN - wurde das Schweinfurter Unternehmen allerdings nicht fündig. Die Terroranschläge vom 11. September, der folgende Absturz der Börsen und die allgemeine Konjunkturflaute erschwerten das Unterfangen. Hinzu kam, dass INA dem Vernehmen nach bereits vor der ersten offiziellen Offerte genügend Anteile für eine Sperrminorität besaß. Eine Waffe, mit der sich jeder Vorstandsbeschluss torpedieren lässt.
Schließlich zog die FAG auch noch das Werberegister: Mit Millionenaufwand wurden Anzeigen platziert, die Anleger vor einem Annehmen des INA-Übernahmeangebots warnten. INA selbst schaltete sich mit vergleichbarem Werbeaufwand in die Meinungsmache ein. Nachdem INA das Angebot, pro Aktie 11 Euro zu zahlen, noch einmal um einen Euro nachgebessert hatte, war das Schicksal der FAG besiegelt. Nach nicht einmal sechs Wochen stand der Kaufpreis fest: 720 Millionen Euro, weniger als ein Drittel eines Jahresumsatzes der FAG.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Die schwache Position von FAG in Bezug auf die Kapitalmarkt-Partner wurde
gewinnbringend ausgenutzt.
- Die Produktpalette wurde sinnvoll ergänzt, durch die gewonnene Vielfalt
können neue Kundenkreise erschlossen werden.
- Durch den neuen Größenvorteil können Vorteile eines oligopolistischen
Marktes genutzt werden: Die Top Ten beherrschen 80 Prozent des
Gesamtumsatzes.
Z F / M A N N E S M A N N S A C H S: Aus dem Hinterhalt
Als ZF-Chef Siegfried Goll sein Interesse für den Kauf von Sachs anmeldete, war das für die Branche eine Überraschung. In erstaunlich kurzer Zeit brachte er den Deal unter Dach und Fach.
Hamburg - Als Siegfried Goll im vergangenen Sommer das Lenkrad bei ZF Friedrichshafen von Klaus Beyer übernahm, konnten sich einige Mitbewerber in der Autozulieferindustrie süffisante Kommentare nicht verkneifen: Der Wechsel des bisherigen Vizechefs käme kurz vor dem 61. Geburtstag zu spät, hieß es. Zudem hätte Goll, der vor 40 Jahren seinen Berufsweg in Friedrichshafen am Bodensee-Ufer als Testingenieur begann, nie bei einem anderen Konzern als ZF gearbeitet.
Nachteil Goll? Bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im August 2001, konterte der gebürtige Bregenzer: Als er die Übernahme des Schweinfurter Traditionskonzerns Mannesmann Sachs ankündigte, verstummte die Kritik. Denn die aktuellen Produkte des zur Jahrhundertwende gegründeten Konzerns, der anfangs mit der "Torpedo-Freilaufnabe" einen weltweiten Megaseller für die Fahrradindustrie schuf, runden die Palette von ZF ab.
Systeme statt Komponenten
Insbesondere die großen Sachs-Bereiche Fahrwerke und Antriebsstrang harmonieren. Ein Beispiel: Seit der Übernahme können Sachs-Stoßdämpfer jetzt mit ZF-Bremsanlagen zu kompletten Achssystemen verbunden werden. Statt wie in der Vergangenheit "nur" Module an Pkw-, Lkw- und Helikopter-Produzenten zu liefern, sollen jetzt komplette Systeme angeboten werden. Die Systeme, so Golls Vorstellung, können in dem neuen Verbund kostengünstiger produziert werden als zuvor, entsprechend reichlicher sollen mittelfristig die Gewinne sprudeln. Vorteil zwei ist laut Goll, "dass wir mit dieser Integration auch technisch attraktivere Lösungen anbieten können" - er rechnet sich Vorsprünge in der Entwicklung aus.
Später Sieger
Eine Vision, die auch der Hannoveraner Continental-Konzern , der ähnliche Komponenten wie ZF fertigt, verwirklichen wollte. Der Kaufkonkurrent hatte bereits seit Monaten mit Sachs - in den 80er Jahren von Mannesmann übernommen und 2000 an Siemens verkauft - verhandelt. Doch dann kam Goll. Nicht einmal vier Wochen brauchte der ZF-Chef für den Sieg im Bieterstreit. Am 1. Oktober 2001 unterschrieb er den Kaufvertrag, angeblich wurden 1,3 Milliarden Euro gezahlt, dazu addieren sich 200 Millionen Euro Schulden von Sachs, die übernommen wurden.
Auf der Umsatzseite bringt Sachs 2,1 Milliarden Euro ein, 6,5 Milliarden beträgt die Vergleichsziffer bei ZF. Damit belegt die neue "ZF Sachs" hinter Bosch und Continental Rang drei unter den Zulieferern in Deutschland und steigt weltweit zu den 15 größten auf. Die Zahl der Mitarbeiter kletterte von 37.500 auf 55.800, Entlassungen sind angeblich nicht geplant.
Gedämpfter Jubel
Doch in den Jubel mischt Goll auch kritische Gedanken: "In dem Jahr, in dem Sachs bei Siemens geparkt war, hat es einen Investitions- und Entscheidungsstau gegeben", sagt er. Hinzu kommt das raue Konjunkturklima: "2002 wird für uns ein noch schwierigeres Jahr als das vergangene werden." Als Pluspunkte verbucht ZF allerdings zwei im Vorjahr entwickelte, benzinsparende Automatikgetriebe, die jetzt erstmals in der BMW-7er-Reihe zum Einsatz kommen.
Und die Kriegskasse von ZF soll schon bald wieder Reserven enthalten: "Wenn übermorgen ein Schnäppchen angeboten wird, könnten wir uns eine Übernahme zumindest überlegen", sagt Goll. Der Appetit des 61-Jährigen ist mit dem großen Happen Sachs offenbar noch nicht gestillt.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Im stark fragmentierten Sektor der Automobilzulieferer wird es zu weiteren
Konsolidierungen kommen. ZF Friedrichshafen hat sich durch die Übernahme
rechtzeitig in eine komfortable Position gebracht.
- Die Produktpaletten ergänzen sich gut. In vielen Bereichen werden sich
Komponenten- zu Systemgeschäften umbauen lassen. Die Angebotspakete, die
damit für die Automobilproduzenten geschnürt werden können, gewinnen an
Attraktivität.
- Die für Mannesmann Sachs gezahlte Prämie erscheint angesichts der
strategischen Vorteile angemessen.
- Die Einzelheiten der Transaktion wurden der Öffentlichkeit wesentlich
detaillierter dargestellt als üblich.
N E S T L É / R A L S T O N P U R I N A: Kraftvoll zugebissen
Nachdem die wichtigsten Wettbewerber mit spektakulären Übernahmen vorgeprescht waren, schlug die Nummer eins am Weltmarkt beim führenden US-Futterfabrikanten zu.
Hamburg - Wer als Global Player einen Übernahmekandidaten ins Visier nimmt, steuert zumeist auf eine paradoxe Situation zu: Wer Neues kauft, muss Altes verkaufen, lauten die Vorschriften der Wettbewerbskommissionen - jedenfalls, wenn die Marktmacht andernfalls zu dominant werden würde.
Mit dem Dilemma hatte sich im vergangenen Sommer auch der Schweizer Nestlé-Konzern auseinander zu setzen. Für 10,3 Milliarden Dollar wurde der Tiernahrungsmittelhersteller Ralston Purina (Whiskas, Pedigree) aus St. Louis, USA, übernommen. Im Gegenzug veräußerte Nestlé - mit 90 Milliarden Euro Marktkapitalisierung der weltgrößte Lebensmittelkonzern - Tierfutter-Marken in Spanien, Griechenland und Italien.
"Wir stocken auf"
Für Nestlé-Chef Peter Brabeck war es die teuerste Übernahme, seit er 1997 an die Spitze des Konzerns aufrückte. Während Konkurrenten wie Unilever und Philip Morris schon in den Vorjahren große Mitbewerber geschluckt hatten (Bestfoods bzw. Nabisco), hielt sich Nestlé mit spektakulären Aktionen lange zurück.
Den Vorwurf, im Rennen um Marktanteile zurückzufallen, mag Brabeck allerdings nicht gelten lassen: "Wir stocken unsere Beteiligungen seit Jahren in den Sektoren auf, wo wir stark sind", sagt der 56-Jährige. Das sei nicht spektakulär, würde sich aber "sehr schnell" auszahlen.
Ruhe nach dem Sturm
Dasselbe gelte für viele Akquisitionen in Größenordnungen unterhalb von 130 Millionen Euro - das Wachstum in vielen kleinen Schritten lasse sich gut kontrollieren und steuern. Weiterhin verweist Brabeck auf die Effizienz von Kooperationen. "Wir sind nicht Aktionär bei General Mills, Coca-Cola oder L'Oreal, trotzdem habe ich mit allen erfolgreiche Joint Ventures."
Durch die Übernahme von Ralston Purina hat Nestlé allein auf dem US-Markt einen Marktanteil von etwa 60 Prozent bei Katzentrockenfutter und 45 Prozent bei Varianten für Hunde erobert. Dagegen liefen anfangs zahlreiche Landwirtschaftsverbände Sturm, weil sie ein Preisdiktat für die Zulieferbetriebe fürchteten. Nach einer Einigung mit dem "American Antitrust Institute" (Brabeck: "Wir haben durchaus nicht vor, unsere Zulieferer in den Ruin zu treiben."), war der Weg für die Übernahme frei.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Marktführerschaft am
Tierfuttermarkt. Nestlé belegt weltweit jetzt Rang 2.
- Professionell durchgeführte, unauffällige Transaktion mit wenig
Reibungsverlusten.
- Nestlé zahlte zwar ein hohes Premium. Analysten und Investoren halten
den Aufschlag angesichts der Markenstärke von Ralston Purina aber für
angemessen.
B A Y E R / A V E N T I S C R O P S C I E N C E S:
"Ein neues Bayer schaffen"
Der Zukauf im Pflanzenschutz war ein großer Wurf. Die Gefahr einer feindlichen Übernahme ist damit zwar nicht vom Tisch - aber vorerst eingedämmt.
Hamburg - Zumindest ein Gutes hatte das ansonsten von Misserfolgen geprägte Jahr 2001 für die Leverkusener Bayer AG : Der Kauf des Pflanzenschutzgeschäfts von Aventis , an dem auch Schering mit 24 Prozent beteiligt war, kostete zwar stolze 7,25 Milliarden Euro und markiert damit den teuersten Einkauf der Firmengeschichte, doch Bayer fühlt sich jetzt gut gewappnet gegen eine feindliche Übernahme.
So konnten die Leverkusener ihre Marktposition im Geschäft mit Mitteln gegen Insekten, Pilzbefall und Unkraut durch den Zukauf entscheidend verbessern - knapp hinter dem Schweizer Marktführer Syngenta landet Bayer nun im weltweiten Vergleich auf Platz zwei. Durch die Übernahme des wesentlich größeren Mitbewerbers schießt der Jahresumsatz der Bayer-Sparte von 2,5 auf etwa 6,5 Milliarden Euro. Zudem erwirbt der Konzern auch eine angesehene Forschungsabteilung auf dem Gebiet der grünen Biotechnologie - bisher ein Schwachpunkt der Sparte.
Hoffnungssignal nach herben Rückschlägen
Während hier ein großer Wurf gelang, hatte Bayer in 2001 herbe Rückschläge zu verkraften, allen voran das Lipobay-Desaster. Der Verkaufsschlager musste nach dem Bekanntwerden von mehr als 100 Todesfällen, die mutmaßlich von dem Cholesterinsenker mitverschuldet wurden, weltweit vom Markt genommen werden. Den finanziellen Verlust beziffert Bayer selbst auf mehr als eine Milliarde Euro.
Neben der schwachen Chemiekonjunktur belasteten auch die Geschäfte mit dem Milzbrand-Medikament Ciprobay - zumindest das Image des Konzerns. Am Ende des Jahres gab es einen Einbruch beim operativen Ergebnis um 51 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro.
Doch in diesem Jahr will Bayer reüssieren: "Wir wollen ein neues Bayer schaffen", verspricht Noch-Primus Manfred Schneider. Randgeschäfte wie Haushaltsinsektizide und Duftstoffe sollen verkauft werden, um sich auf die vier neuen Teilkonzerne der Bayer-Holding zu konzentrieren: Pharma, Kunststoffe, Chemie und Landwirtschaft.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Trotz des hohen Volumens der Transaktion bleibt Bayer aufgrund einer
respektablen Cash-Position weiter voll handlungsfähig.
- Der Kauf markierte einen Wendepunkt nach einer langen Serie negativer
Schlagzeilen.
- Gutes Timing: Drei Monate nach dem Coup erfolgte das erfolgreiche Listing
an der Wall Street.
- Das Kerngeschäft Agrochemie wäre ohne den Zukauf kaum überlebensfähig
gewesen. Jetzt ist eine relevante Größe für den weltweiten Wettbewerb
erreicht.
Die fünf erfolgreichsten Übernahmen 2001 im Votum der manager-magazin-Jury
Käufer Ziel mm-Urteil*
--------------------------------------------------
INA Holding FAG Kugelfischer 80
ZF Friedrichshafen Mannesmann Sachs 79
Eon Powergen 72
Nestlé Ralston Purina 67
Bayer Aventis Crop Science 57
* In Prozent der möglichen Punkte
I N T E R V I E W: "Das Jahr der Schnäppchenjäger"
Was zeichnete die besten Transaktionen 2001 aus? Welche Fehler wurden gemacht? Und wohin steuert der deutsche M&A-Markt in diesem Jahr? manager-magazin.de sprach mit Booz-Allen-Partner Wolfgang Wagner.
mm.de*: Die Zahl der Übernahmen und Fusionen ist in Deutschland im vergangenen Jahr um 32 Prozent gesunken. Der Wert der Transaktionen sank sogar um 59 Prozent auf 135 Milliarden Euro. Warum läuft das Geschäft nicht mehr?
Wagner: Wenn sich die Märkte nach einem Boom wieder beruhigen, ist der Rückgang auf den ersten Blick meistens drastisch. In diesem Fall ist er zu großen Teilen auf den Internet-Boom in den Jahren 1999 und 2000 zurückzuführen. In der Euphorie wurde mit sehr viel Risiko-Toleranz gekauft. Auf unsere damals immer wieder gestellte, schlichte Frage, ob sich eine Übernahme überhaupt lohnt, reagierten die Unternehmen kaum. Jetzt hat sich der Trend umgekehrt. Bewährte Kaufmannskunst ist wieder gefragt - gesucht werden Aktionen, die gute Margen bei geringem Risiko bringen. Auch die zur Hochzeit kaum hinterfragten Synergieeffekte, die sich quasi immer automatisch einstellen sollten, werden heute penibel geprüft.
mm.de: Wie konnte die Kaufwut ausbrechen?
Wagner: Eine Mitschuld trifft sicherlich die Analystenzunft. Viele Vorstände sahen sich getrieben von den Vorgaben der Analysten. Waren drei Übernahmen binnen eines halben Jahres versprochen und gelangen nur zwei, wurde die Aktie des Unternehmens rasch heruntergesetzt und ein "verlangsamtes Wachstumstempo" kritisiert. Wie realitätsfern die Tempovorgaben waren, hat man dann am Ende des Booms gesehen.
mm.de: Heute stellen die Analysten allerdings andere Zahlen in den Vordergrund.
Wagner: Ja, heute prüfen sie die Bilanzen verstärkt auf Solidität.
mm.de: Das haben auch die Gewinner des M&A-Awards getan. Wo sehen Sie die Stärken der besten Aufkäufer?
Wagner: Siegfried Goll, Lenker von ZF Friedrichshafen, hat bei der Übernahme von Mannesmann Sachs besonders effizient, konsequent und geräuschlos agiert. Während die Szene davon ausging, dass der Reifenkonzern Conti den Zuschlag bereits erhalten habe, mischte Goll hinter den Kulissen mit - und gewann. Außerdem scheint es aus heutiger Sicht keine gravierenden Integrationsprobleme zu geben.
mm.de: Einen Punkt mehr in der Wertung konnte INA-Chef Jürgen Geißinger erreichen.
Wagner: Ausschlaggebend ist hier sein Mut zu einer feindlichen Übernahme gewesen. Obwohl es operative Fehler bei der Übernahme von FAG Kugelfischer gegeben hat, insbesondere in der Kommunikation nach außen - für seine Bereitschaft, auch ein Scheitern der Aktion in Kauf zu nehmen, hat sich Geißinger Anerkennung verdient. Die Palette des Automobilzulieferers ergänzt das INA-Geschäft hervorragend. Zudem war FAG Kugelfischer vor der Übernahme an der Börse deutlich unterbewertet. Geißinger hat also seine Chance zum richtigen Zeitpunkt genutzt.
mm.de: Von der Vergangenheit zum Ausblick: Einen positiven Effekt auf das M&A-Geschäft in Deutschland sollte die Steuerreform zur Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen auslösen. Warum ist der Turbo noch nicht angesprungen?
Wagner: Es existieren positive Effekte - allerdings wurde die Reform auch in den Medien etwas über Gebühr nach oben gespielt. Auch vor der Reform gab es für große Unternehmen individuelle Möglichkeiten, sich von Beteiligungen zu trennen, ohne die horrend hohe Veräußerungssteuer zu zahlen.
mm.de: Könnten bestimmte Branchen trotz der allgemeinen Flaute im M&A-Geschäft 2002 Eigendynamik entwickeln?
Wagner: Mehr Aktionen als in anderen Sektoren erwarte ich bei Banken und Versicherungen - hier besteht erhöhter Handlungsbedarf. Dass die Deutsche Bank jetzt den Gerling-Konzern auf den Markt wirft, zeigt, wie ernst es den Unternehmen mit ihren Portfoliobereinigungen ist. In den meisten anderen Branchen dagegen sind viele M&A-Aktivitäten erst einmal auf Eis gelegt.
mm.de: Trotz derzeit günstiger Einstiegskurse?
Wagner: Unternehmenschefs, die mit dem Gedanken eines Verkaufs spielen, halten sich in einer Zeit, in der keine hohen Preise zu erzielen sind, zurück ...
mm.de: ... umso stärker müssten die kaufwilligen Unternehmen aber doch darauf versessen sein, jetzt zu günstigen Preisen zuzuschlagen.
Wagner: Nein. Übernahmeszenarien werden von der Kaufseite detailliert, mit schärferen Ansprüchen geprüft - und nicht mehr in aller Eile durchgezogen. Potenzielle Käufer richten zudem derzeit den Fokus auf die interne Struktur. Man prüft eher die bestehenden Strukturen, als sich über Expansionen Gedanken zu machen.
mm.de: So, wie Sie das Umfeld schildern, muss es doch fast schon zwangsläufig Unternehmen geben, die stark unterbewertet und somit günstig einzukaufen sind.
Wagner: Schon, aber nur in begrenztem Umfang. 2002 könnte tatsächlich ein Schnäppchenjäger-Jahr werden. Am Neuen Markt werden aus meiner Sicht in diesem Jahr noch einige Rosinen gepickt, denn hier sind auch solide Firmen mit Kursverlusten abgestraft worden. Es ergeben sich in ganz unterschiedlichen Branchen Gelegenheiten. Zumal in vielen Private-Equity-Fonds aktuell viel Geld festhängt, das relativ kurzfristig auch investiert werden muss.
mm.de: Wenn ein Unternehmen wie Holzmann mit dem Rücken zur Wand steht, werden professionelle Aufkäufer hellhörig.
Wagner: Die Kaufinteressenten fokussieren sich dabei allein auf die Filetstücke der Zielunternehmen. Die Vermeidung solcher Fire-Sales wird für betroffene Unternehmen in diesem Jahr zu den Hauptaufgaben gehören.
M E T H O D E: Suche nach Vorbildern
Mit dem M&A-Preis zeichnet manager magazin zum dritten Mal in Folge die gelungenste Transaktion (Fusion oder Akquisition) des zurückliegenden Jahres aus.
Der Wettbewerb
In dem Wettbewerb wurden alle Unternehmensdeals des Jahres 2001 mit führender Beteiligung aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) und einem Volumen von mindestens 300 Millionen Dollar untersucht.
Die Vorauswahl
Eine Arbeitsgruppe von Booz Allen & Hamilton unter Leitung von Wolfgang Wagner (siehe Interview) ermittelte zunächst unter allen in Frage kommenden Zusammenschlüssen - 16 Fusionen und Übernahmen erfüllten die Kriterien - die fünf aussichtsreichsten Kandidaten. Diese bewertete eine Jury ausgewiesener M&A-Profis hinsichtlich Vision, Strategie, Durchführung und Kommunikation.
Die Entscheidung
Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus. 80 Prozent aller möglichen Jury-Punkte erhielt die INA-Holding Schaeffler KG für ihre Übernahme von FAG Kugelfischer. Der zweitplatzierte Deal, der Kauf von Mannesmann Sachs durch ZF Friedrichshafen, erreichte 79 Prozent. Den dritten Rang belegt der Energiekonzern Eon; die Übernahme der britischen PowerGen kam auf 72 Prozent.
Die Juroren
Rolf Habbel, Deutschland-Chef von Booz Allen & Hamilton
Markus Rudolf, Professor für Kapitalmarkttheorie an der WHU Vallendar
Michael Treichl, Beteiligungsmanager der Investmentgesellschaft Bessemer, Vogel & Treichl
Ralph Wollburg, M&A-Anwalt der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer
Gruß
Happy End
Nicht nur Größe zählt: Die Familienfirma INA schluckte die börsennotierte FAG
Hamburg - Im September verblüffte die fränkische INA-Holding Schaeffler KG die Wirtschaftswelt. Die Familienfirma schluckte den börsennotierten Konkurrenten FAG Kugelfischer - ein Novum in Deutschland. Die ausgeklügelte Transaktion setzt damit nach Ansicht der mm-Expertenjury Zeichen für künftige Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions).
Für den spektakulären Deal wird die INA-Gruppe jetzt mit dem diesjährigen M&A-Award ausgezeichnet. Mit diesem Preis würdigen das manager magazin und die Unternehmensberatung Booz Allen & Hamilton alljährlich die gelungenste Transaktion mit führender Beteiligung eines Unternehmens aus dem deutschsprachigen Raum.
Die besten Transaktionen
Auch andere Konzerne nutzten trotz schwierigen Umfelds ihre Chancen. Zur zweitbesten Transaktion des Jahres 2001 wählten die mm-Juroren den Kauf des Autozulieferers Mannesmann Sachs durch ZF Friedrichshafen; der Deal festigte die Stellung der Friedrichshafener als Autozulieferer. Die Übernahme der britischen Powergen durch den Energiekonzern Eon landete auf Rang 3.
Bei Sieger INA überzeugte die wirtschaftliche Logik des Zusammenschlusses: Das Unternehmen steigt mit der übernommenen FAG Kugelfischer zum zweitgrößten Wälz- und Kugellagerhersteller der Welt auf; Kundenstruktur und Produktportfolio beider Unternehmen ergänzen sich perfekt, urteilte die mm-Jury.
Die M&A-Trends des Jahres
Wie der INA-Chefin Maria-Elisabeth Schaeffler die feindliche Übernahme gelang, was Transaktionen erfolgreich macht - und was sie scheitern lässt, lesen Sie detailliert im aktuellen manager magazin (Ausgabe 4/2002).
manager-magazin.de präsentiert im Folgenden die fünf erfolgreichsten Übernahmen im Überblick. Was zeichnete die Transaktionen aus? Wer war der Kopf dahinter? Im mm.de-Interview bewertet Booz-Allen-Experte Wolfgang Wagner die Deals und zeigt die Trends auf dem deutschen M&A-Markt auf.
E O N / P O W E R G E N: Besser als Enron
Die Übernahme der britischen Powergen war ein wichtiger Schritt in der Expansionsstrategie. Und mit Sicherheit ein besserer Kauf als der Konzern, mit dem vorher verhandelt wurde - denn der ist heute bankrott.
Hamburg - Nach der Indiskretion eines Managers beim britischen Energiekonzern Powergen am 16. Januar 2001 war die Katze aus dem Sack: Deutschlands größter Versorgerkonzern Eon will den Mitbewerber kaufen und ist bereit, etwa 15 Milliarden Euro auszugeben.
Während nach außen Eon-Chef Ulrich Hartmann der Kapitän des größten deutschen Deals war, hatte im Hintergrund sein Vorstandskollege Hans Michael Gaul die Rolle des Steuermanns übernommen. Der hatte sich bereits Lorbeeren für seine Rolle in einem 1998 geplanten Deal mit dem US-Stromriesen Enron verdient - und zwar, weil er ihn platzen ließ. "Die haben uns partout nicht in ihre Bücher schauen lassen", begründete Gaul seine Absage. Nach der spektakulären, milliardenschweren Pleite von Enron wird umso deutlicher, wie berechtigt Gauls Misstrauen war.
Weitere Käufe sollen folgen
Mit der freundlichen Übernahme des größten britischen Energieversorgers Powergen, der schließlich mit 15,3 Milliarden Euro zu Buche schlug, kommt Eon bei der von Hartmann verordneten Internationalisierung ein Stück voran: 45 Prozent ihres Energieumsatzes erwirtschaften die Düsseldorfer jetzt außerhalb Deutschlands. Die Powergen-Tochter LG&E in Kentucky repräsentiert einen bedeutenden Marktanteil im US-Markt.
Zudem sei Powergen so ertragsstark, dass es bereits in diesem Jahr zur Ergebnisverbesserung von Eon beitragen soll, erklärte Konzernlenker Hartmann. Weitere Einkäufe sollen folgen. In wenigen Jahren will Eon 70 Prozent seines Umsatzes im Ausland angesiedelt haben. Für weitere Zukäufe soll der Konzern über einen Finanzierungsspielraum von 35 bis 40 Milliarden Euro verfügen.
Folgsame Wettbewerbshüter
Auf der anderen Seite sollen Verkäufe im Chemiegeschäft die Kriegskasse noch füllen: Nachdem VAW Aluminium für 3,1 Milliarden Euro an Norsk Hydro ging, soll die Mehrheit am Logistiker Stinnes noch in diesem Jahr fallen. Die Immobilientochter Viterra steht mittelfristig ebenso zum Verkauf wie die Chemietochter Degussa - bis 2007 dürften die Konzernteile einen neuen Besitzer finden.
Dass Eon mit seiner Expansionspolitik häufig auf Bedenken der Wettbewerbshüter stößt, ist verständlich. Schließlich ist der Konzern nach den Worten von Energie-Chef Hans-Dieter Harig mit "etwa 100 Milliarden Kilowattstunden in 2001" bereits der größte Stromhändler Europas. Doch trotz zahlreicher kartellrechtlicher Auflagen, wie sie aktuell auch mit der Powergen-Übernahme entstehen, konnte Eon seine Geschäftsergebnisse in den vergangenen Jahren stetig verbessern. Im Umgang mit den Behörden scheinen die Düsseldorfer also einen gangbaren Weg gefunden zu haben.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Der erste ernsthafte Schritt Eons zur Internationalisierung des Geschäfts ist
geglückt.
- Konsequenter, der neuen Strategie entsprechender Schritt, die Energie-
Aktivitäten aus- und das Chemiegeschäft abzubauen.
- Schnelle, sachorientiert durchgeführte Transaktion, die auch unter
kartellrechtlichen Gesichtspunkten gut vorbereitet war.
I N A / F A G K U G E L F I S C H E R: Fischfang mit Dynamit
Es ist selten, dass ein Familienbetrieb eine börsennotierte AG gegen deren Willen schlucken kann. Der INA-Holding glückte das Husarenstück - zu guten Konditionen.
Hamburg - Der INA-Gruppe und ihren Geschäftsführern Jürgen Geißinger und Mary Jo Gresens gelang nach Ansicht der mm-Expertenjury nicht nur eine der spektakulärsten, sondern zugleich auch die erfolgreichste Transaktion des Jahres 2001.
Das Familienunternehmen aus dem fränkischen Herzogenaurach hatte im vergangenen September überraschend eine Kaufofferte für die Aktien des börsennotierten Wettbewerbers FAG Kugelfischer lanciert. INA, mit einem Jahresumsatz von 4,1 Milliarden Euro, trat an, den Schweinfurter Mitbewerber mit 2,4 Milliarden Jahresumsatz zu übernehmen.
"Wir werden kämpfen"
Gegen den anfänglichen Widerstand des FAG-Managements gelang es INA, die Übernahme innerhalb weniger Wochen zu vollenden. Ein Deal, der nach Ansicht der mm-Jury Zeichen setzt für künftige Transaktionen in Deutschland. Zumal die wirtschaftliche Logik des Zusammenschlusses überzeugt: Das Unternehmen steigt durch den Zusammenschluss zum zweitgrößten Wälz- und Kugellagerhersteller der Welt auf; Kundenstruktur und Produktportfolio beider Firmen harmonieren perfekt.
Dissonanzen allerdings kennzeichnen den Weg zur erzwungenen Übernahme. FAG-Vorstandschef Uwe Loos hatte nach dem Trompetenstoß der INA am 10. September noch ausgerufen: "Wir werden kämpfen" und anschließend händeringend nach einem Weißen Ritter gesucht. Als Reaktion auf den drohenden Eignerwechsel präsentierte Loos in den Medien ein bis dato geheim gehaltenes Hightech-Lager aus dem Forschungslabor und tarierte den fairen Wert der FAG-Aktie auf "40 Euro". Wenige Tage später drosselte er die Einschätzung dann allerdings auf "12 bis 16 Euro".
Im Schoß der Familie
Auf der Suche nach einem Konzern, der die feindliche Übernahme noch verhindern könnte - im Gespräch war unter anderem der japanische FAG-Kooperationspartner NTN - wurde das Schweinfurter Unternehmen allerdings nicht fündig. Die Terroranschläge vom 11. September, der folgende Absturz der Börsen und die allgemeine Konjunkturflaute erschwerten das Unterfangen. Hinzu kam, dass INA dem Vernehmen nach bereits vor der ersten offiziellen Offerte genügend Anteile für eine Sperrminorität besaß. Eine Waffe, mit der sich jeder Vorstandsbeschluss torpedieren lässt.
Schließlich zog die FAG auch noch das Werberegister: Mit Millionenaufwand wurden Anzeigen platziert, die Anleger vor einem Annehmen des INA-Übernahmeangebots warnten. INA selbst schaltete sich mit vergleichbarem Werbeaufwand in die Meinungsmache ein. Nachdem INA das Angebot, pro Aktie 11 Euro zu zahlen, noch einmal um einen Euro nachgebessert hatte, war das Schicksal der FAG besiegelt. Nach nicht einmal sechs Wochen stand der Kaufpreis fest: 720 Millionen Euro, weniger als ein Drittel eines Jahresumsatzes der FAG.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Die schwache Position von FAG in Bezug auf die Kapitalmarkt-Partner wurde
gewinnbringend ausgenutzt.
- Die Produktpalette wurde sinnvoll ergänzt, durch die gewonnene Vielfalt
können neue Kundenkreise erschlossen werden.
- Durch den neuen Größenvorteil können Vorteile eines oligopolistischen
Marktes genutzt werden: Die Top Ten beherrschen 80 Prozent des
Gesamtumsatzes.
Z F / M A N N E S M A N N S A C H S: Aus dem Hinterhalt
Als ZF-Chef Siegfried Goll sein Interesse für den Kauf von Sachs anmeldete, war das für die Branche eine Überraschung. In erstaunlich kurzer Zeit brachte er den Deal unter Dach und Fach.
Hamburg - Als Siegfried Goll im vergangenen Sommer das Lenkrad bei ZF Friedrichshafen von Klaus Beyer übernahm, konnten sich einige Mitbewerber in der Autozulieferindustrie süffisante Kommentare nicht verkneifen: Der Wechsel des bisherigen Vizechefs käme kurz vor dem 61. Geburtstag zu spät, hieß es. Zudem hätte Goll, der vor 40 Jahren seinen Berufsweg in Friedrichshafen am Bodensee-Ufer als Testingenieur begann, nie bei einem anderen Konzern als ZF gearbeitet.
Nachteil Goll? Bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im August 2001, konterte der gebürtige Bregenzer: Als er die Übernahme des Schweinfurter Traditionskonzerns Mannesmann Sachs ankündigte, verstummte die Kritik. Denn die aktuellen Produkte des zur Jahrhundertwende gegründeten Konzerns, der anfangs mit der "Torpedo-Freilaufnabe" einen weltweiten Megaseller für die Fahrradindustrie schuf, runden die Palette von ZF ab.
Systeme statt Komponenten
Insbesondere die großen Sachs-Bereiche Fahrwerke und Antriebsstrang harmonieren. Ein Beispiel: Seit der Übernahme können Sachs-Stoßdämpfer jetzt mit ZF-Bremsanlagen zu kompletten Achssystemen verbunden werden. Statt wie in der Vergangenheit "nur" Module an Pkw-, Lkw- und Helikopter-Produzenten zu liefern, sollen jetzt komplette Systeme angeboten werden. Die Systeme, so Golls Vorstellung, können in dem neuen Verbund kostengünstiger produziert werden als zuvor, entsprechend reichlicher sollen mittelfristig die Gewinne sprudeln. Vorteil zwei ist laut Goll, "dass wir mit dieser Integration auch technisch attraktivere Lösungen anbieten können" - er rechnet sich Vorsprünge in der Entwicklung aus.
Später Sieger
Eine Vision, die auch der Hannoveraner Continental-Konzern , der ähnliche Komponenten wie ZF fertigt, verwirklichen wollte. Der Kaufkonkurrent hatte bereits seit Monaten mit Sachs - in den 80er Jahren von Mannesmann übernommen und 2000 an Siemens verkauft - verhandelt. Doch dann kam Goll. Nicht einmal vier Wochen brauchte der ZF-Chef für den Sieg im Bieterstreit. Am 1. Oktober 2001 unterschrieb er den Kaufvertrag, angeblich wurden 1,3 Milliarden Euro gezahlt, dazu addieren sich 200 Millionen Euro Schulden von Sachs, die übernommen wurden.
Auf der Umsatzseite bringt Sachs 2,1 Milliarden Euro ein, 6,5 Milliarden beträgt die Vergleichsziffer bei ZF. Damit belegt die neue "ZF Sachs" hinter Bosch und Continental Rang drei unter den Zulieferern in Deutschland und steigt weltweit zu den 15 größten auf. Die Zahl der Mitarbeiter kletterte von 37.500 auf 55.800, Entlassungen sind angeblich nicht geplant.
Gedämpfter Jubel
Doch in den Jubel mischt Goll auch kritische Gedanken: "In dem Jahr, in dem Sachs bei Siemens geparkt war, hat es einen Investitions- und Entscheidungsstau gegeben", sagt er. Hinzu kommt das raue Konjunkturklima: "2002 wird für uns ein noch schwierigeres Jahr als das vergangene werden." Als Pluspunkte verbucht ZF allerdings zwei im Vorjahr entwickelte, benzinsparende Automatikgetriebe, die jetzt erstmals in der BMW-7er-Reihe zum Einsatz kommen.
Und die Kriegskasse von ZF soll schon bald wieder Reserven enthalten: "Wenn übermorgen ein Schnäppchen angeboten wird, könnten wir uns eine Übernahme zumindest überlegen", sagt Goll. Der Appetit des 61-Jährigen ist mit dem großen Happen Sachs offenbar noch nicht gestillt.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Im stark fragmentierten Sektor der Automobilzulieferer wird es zu weiteren
Konsolidierungen kommen. ZF Friedrichshafen hat sich durch die Übernahme
rechtzeitig in eine komfortable Position gebracht.
- Die Produktpaletten ergänzen sich gut. In vielen Bereichen werden sich
Komponenten- zu Systemgeschäften umbauen lassen. Die Angebotspakete, die
damit für die Automobilproduzenten geschnürt werden können, gewinnen an
Attraktivität.
- Die für Mannesmann Sachs gezahlte Prämie erscheint angesichts der
strategischen Vorteile angemessen.
- Die Einzelheiten der Transaktion wurden der Öffentlichkeit wesentlich
detaillierter dargestellt als üblich.
N E S T L É / R A L S T O N P U R I N A: Kraftvoll zugebissen
Nachdem die wichtigsten Wettbewerber mit spektakulären Übernahmen vorgeprescht waren, schlug die Nummer eins am Weltmarkt beim führenden US-Futterfabrikanten zu.
Hamburg - Wer als Global Player einen Übernahmekandidaten ins Visier nimmt, steuert zumeist auf eine paradoxe Situation zu: Wer Neues kauft, muss Altes verkaufen, lauten die Vorschriften der Wettbewerbskommissionen - jedenfalls, wenn die Marktmacht andernfalls zu dominant werden würde.
Mit dem Dilemma hatte sich im vergangenen Sommer auch der Schweizer Nestlé-Konzern auseinander zu setzen. Für 10,3 Milliarden Dollar wurde der Tiernahrungsmittelhersteller Ralston Purina (Whiskas, Pedigree) aus St. Louis, USA, übernommen. Im Gegenzug veräußerte Nestlé - mit 90 Milliarden Euro Marktkapitalisierung der weltgrößte Lebensmittelkonzern - Tierfutter-Marken in Spanien, Griechenland und Italien.
"Wir stocken auf"
Für Nestlé-Chef Peter Brabeck war es die teuerste Übernahme, seit er 1997 an die Spitze des Konzerns aufrückte. Während Konkurrenten wie Unilever und Philip Morris schon in den Vorjahren große Mitbewerber geschluckt hatten (Bestfoods bzw. Nabisco), hielt sich Nestlé mit spektakulären Aktionen lange zurück.
Den Vorwurf, im Rennen um Marktanteile zurückzufallen, mag Brabeck allerdings nicht gelten lassen: "Wir stocken unsere Beteiligungen seit Jahren in den Sektoren auf, wo wir stark sind", sagt der 56-Jährige. Das sei nicht spektakulär, würde sich aber "sehr schnell" auszahlen.
Ruhe nach dem Sturm
Dasselbe gelte für viele Akquisitionen in Größenordnungen unterhalb von 130 Millionen Euro - das Wachstum in vielen kleinen Schritten lasse sich gut kontrollieren und steuern. Weiterhin verweist Brabeck auf die Effizienz von Kooperationen. "Wir sind nicht Aktionär bei General Mills, Coca-Cola oder L'Oreal, trotzdem habe ich mit allen erfolgreiche Joint Ventures."
Durch die Übernahme von Ralston Purina hat Nestlé allein auf dem US-Markt einen Marktanteil von etwa 60 Prozent bei Katzentrockenfutter und 45 Prozent bei Varianten für Hunde erobert. Dagegen liefen anfangs zahlreiche Landwirtschaftsverbände Sturm, weil sie ein Preisdiktat für die Zulieferbetriebe fürchteten. Nach einer Einigung mit dem "American Antitrust Institute" (Brabeck: "Wir haben durchaus nicht vor, unsere Zulieferer in den Ruin zu treiben."), war der Weg für die Übernahme frei.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Marktführerschaft am
Tierfuttermarkt. Nestlé belegt weltweit jetzt Rang 2.
- Professionell durchgeführte, unauffällige Transaktion mit wenig
Reibungsverlusten.
- Nestlé zahlte zwar ein hohes Premium. Analysten und Investoren halten
den Aufschlag angesichts der Markenstärke von Ralston Purina aber für
angemessen.
B A Y E R / A V E N T I S C R O P S C I E N C E S:
"Ein neues Bayer schaffen"
Der Zukauf im Pflanzenschutz war ein großer Wurf. Die Gefahr einer feindlichen Übernahme ist damit zwar nicht vom Tisch - aber vorerst eingedämmt.
Hamburg - Zumindest ein Gutes hatte das ansonsten von Misserfolgen geprägte Jahr 2001 für die Leverkusener Bayer AG : Der Kauf des Pflanzenschutzgeschäfts von Aventis , an dem auch Schering mit 24 Prozent beteiligt war, kostete zwar stolze 7,25 Milliarden Euro und markiert damit den teuersten Einkauf der Firmengeschichte, doch Bayer fühlt sich jetzt gut gewappnet gegen eine feindliche Übernahme.
So konnten die Leverkusener ihre Marktposition im Geschäft mit Mitteln gegen Insekten, Pilzbefall und Unkraut durch den Zukauf entscheidend verbessern - knapp hinter dem Schweizer Marktführer Syngenta landet Bayer nun im weltweiten Vergleich auf Platz zwei. Durch die Übernahme des wesentlich größeren Mitbewerbers schießt der Jahresumsatz der Bayer-Sparte von 2,5 auf etwa 6,5 Milliarden Euro. Zudem erwirbt der Konzern auch eine angesehene Forschungsabteilung auf dem Gebiet der grünen Biotechnologie - bisher ein Schwachpunkt der Sparte.
Hoffnungssignal nach herben Rückschlägen
Während hier ein großer Wurf gelang, hatte Bayer in 2001 herbe Rückschläge zu verkraften, allen voran das Lipobay-Desaster. Der Verkaufsschlager musste nach dem Bekanntwerden von mehr als 100 Todesfällen, die mutmaßlich von dem Cholesterinsenker mitverschuldet wurden, weltweit vom Markt genommen werden. Den finanziellen Verlust beziffert Bayer selbst auf mehr als eine Milliarde Euro.
Neben der schwachen Chemiekonjunktur belasteten auch die Geschäfte mit dem Milzbrand-Medikament Ciprobay - zumindest das Image des Konzerns. Am Ende des Jahres gab es einen Einbruch beim operativen Ergebnis um 51 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro.
Doch in diesem Jahr will Bayer reüssieren: "Wir wollen ein neues Bayer schaffen", verspricht Noch-Primus Manfred Schneider. Randgeschäfte wie Haushaltsinsektizide und Duftstoffe sollen verkauft werden, um sich auf die vier neuen Teilkonzerne der Bayer-Holding zu konzentrieren: Pharma, Kunststoffe, Chemie und Landwirtschaft.
Die Pluspunkte der Übernahme
- Trotz des hohen Volumens der Transaktion bleibt Bayer aufgrund einer
respektablen Cash-Position weiter voll handlungsfähig.
- Der Kauf markierte einen Wendepunkt nach einer langen Serie negativer
Schlagzeilen.
- Gutes Timing: Drei Monate nach dem Coup erfolgte das erfolgreiche Listing
an der Wall Street.
- Das Kerngeschäft Agrochemie wäre ohne den Zukauf kaum überlebensfähig
gewesen. Jetzt ist eine relevante Größe für den weltweiten Wettbewerb
erreicht.
Knappe Entscheidung
Die fünf erfolgreichsten Übernahmen 2001 im Votum der manager-magazin-Jury
Käufer Ziel mm-Urteil*
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INA Holding FAG Kugelfischer 80
ZF Friedrichshafen Mannesmann Sachs 79
Eon Powergen 72
Nestlé Ralston Purina 67
Bayer Aventis Crop Science 57
* In Prozent der möglichen Punkte
I N T E R V I E W: "Das Jahr der Schnäppchenjäger"
Was zeichnete die besten Transaktionen 2001 aus? Welche Fehler wurden gemacht? Und wohin steuert der deutsche M&A-Markt in diesem Jahr? manager-magazin.de sprach mit Booz-Allen-Partner Wolfgang Wagner.
mm.de*: Die Zahl der Übernahmen und Fusionen ist in Deutschland im vergangenen Jahr um 32 Prozent gesunken. Der Wert der Transaktionen sank sogar um 59 Prozent auf 135 Milliarden Euro. Warum läuft das Geschäft nicht mehr?
Wagner: Wenn sich die Märkte nach einem Boom wieder beruhigen, ist der Rückgang auf den ersten Blick meistens drastisch. In diesem Fall ist er zu großen Teilen auf den Internet-Boom in den Jahren 1999 und 2000 zurückzuführen. In der Euphorie wurde mit sehr viel Risiko-Toleranz gekauft. Auf unsere damals immer wieder gestellte, schlichte Frage, ob sich eine Übernahme überhaupt lohnt, reagierten die Unternehmen kaum. Jetzt hat sich der Trend umgekehrt. Bewährte Kaufmannskunst ist wieder gefragt - gesucht werden Aktionen, die gute Margen bei geringem Risiko bringen. Auch die zur Hochzeit kaum hinterfragten Synergieeffekte, die sich quasi immer automatisch einstellen sollten, werden heute penibel geprüft.
mm.de: Wie konnte die Kaufwut ausbrechen?
Wagner: Eine Mitschuld trifft sicherlich die Analystenzunft. Viele Vorstände sahen sich getrieben von den Vorgaben der Analysten. Waren drei Übernahmen binnen eines halben Jahres versprochen und gelangen nur zwei, wurde die Aktie des Unternehmens rasch heruntergesetzt und ein "verlangsamtes Wachstumstempo" kritisiert. Wie realitätsfern die Tempovorgaben waren, hat man dann am Ende des Booms gesehen.
mm.de: Heute stellen die Analysten allerdings andere Zahlen in den Vordergrund.
Wagner: Ja, heute prüfen sie die Bilanzen verstärkt auf Solidität.
mm.de: Das haben auch die Gewinner des M&A-Awards getan. Wo sehen Sie die Stärken der besten Aufkäufer?
Wagner: Siegfried Goll, Lenker von ZF Friedrichshafen, hat bei der Übernahme von Mannesmann Sachs besonders effizient, konsequent und geräuschlos agiert. Während die Szene davon ausging, dass der Reifenkonzern Conti den Zuschlag bereits erhalten habe, mischte Goll hinter den Kulissen mit - und gewann. Außerdem scheint es aus heutiger Sicht keine gravierenden Integrationsprobleme zu geben.
mm.de: Einen Punkt mehr in der Wertung konnte INA-Chef Jürgen Geißinger erreichen.
Wagner: Ausschlaggebend ist hier sein Mut zu einer feindlichen Übernahme gewesen. Obwohl es operative Fehler bei der Übernahme von FAG Kugelfischer gegeben hat, insbesondere in der Kommunikation nach außen - für seine Bereitschaft, auch ein Scheitern der Aktion in Kauf zu nehmen, hat sich Geißinger Anerkennung verdient. Die Palette des Automobilzulieferers ergänzt das INA-Geschäft hervorragend. Zudem war FAG Kugelfischer vor der Übernahme an der Börse deutlich unterbewertet. Geißinger hat also seine Chance zum richtigen Zeitpunkt genutzt.
mm.de: Von der Vergangenheit zum Ausblick: Einen positiven Effekt auf das M&A-Geschäft in Deutschland sollte die Steuerreform zur Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen auslösen. Warum ist der Turbo noch nicht angesprungen?
Wagner: Es existieren positive Effekte - allerdings wurde die Reform auch in den Medien etwas über Gebühr nach oben gespielt. Auch vor der Reform gab es für große Unternehmen individuelle Möglichkeiten, sich von Beteiligungen zu trennen, ohne die horrend hohe Veräußerungssteuer zu zahlen.
mm.de: Könnten bestimmte Branchen trotz der allgemeinen Flaute im M&A-Geschäft 2002 Eigendynamik entwickeln?
Wagner: Mehr Aktionen als in anderen Sektoren erwarte ich bei Banken und Versicherungen - hier besteht erhöhter Handlungsbedarf. Dass die Deutsche Bank jetzt den Gerling-Konzern auf den Markt wirft, zeigt, wie ernst es den Unternehmen mit ihren Portfoliobereinigungen ist. In den meisten anderen Branchen dagegen sind viele M&A-Aktivitäten erst einmal auf Eis gelegt.
mm.de: Trotz derzeit günstiger Einstiegskurse?
Wagner: Unternehmenschefs, die mit dem Gedanken eines Verkaufs spielen, halten sich in einer Zeit, in der keine hohen Preise zu erzielen sind, zurück ...
mm.de: ... umso stärker müssten die kaufwilligen Unternehmen aber doch darauf versessen sein, jetzt zu günstigen Preisen zuzuschlagen.
Wagner: Nein. Übernahmeszenarien werden von der Kaufseite detailliert, mit schärferen Ansprüchen geprüft - und nicht mehr in aller Eile durchgezogen. Potenzielle Käufer richten zudem derzeit den Fokus auf die interne Struktur. Man prüft eher die bestehenden Strukturen, als sich über Expansionen Gedanken zu machen.
mm.de: So, wie Sie das Umfeld schildern, muss es doch fast schon zwangsläufig Unternehmen geben, die stark unterbewertet und somit günstig einzukaufen sind.
Wagner: Schon, aber nur in begrenztem Umfang. 2002 könnte tatsächlich ein Schnäppchenjäger-Jahr werden. Am Neuen Markt werden aus meiner Sicht in diesem Jahr noch einige Rosinen gepickt, denn hier sind auch solide Firmen mit Kursverlusten abgestraft worden. Es ergeben sich in ganz unterschiedlichen Branchen Gelegenheiten. Zumal in vielen Private-Equity-Fonds aktuell viel Geld festhängt, das relativ kurzfristig auch investiert werden muss.
mm.de: Wenn ein Unternehmen wie Holzmann mit dem Rücken zur Wand steht, werden professionelle Aufkäufer hellhörig.
Wagner: Die Kaufinteressenten fokussieren sich dabei allein auf die Filetstücke der Zielunternehmen. Die Vermeidung solcher Fire-Sales wird für betroffene Unternehmen in diesem Jahr zu den Hauptaufgaben gehören.
M E T H O D E: Suche nach Vorbildern
Mit dem M&A-Preis zeichnet manager magazin zum dritten Mal in Folge die gelungenste Transaktion (Fusion oder Akquisition) des zurückliegenden Jahres aus.
Der Wettbewerb
In dem Wettbewerb wurden alle Unternehmensdeals des Jahres 2001 mit führender Beteiligung aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) und einem Volumen von mindestens 300 Millionen Dollar untersucht.
Die Vorauswahl
Eine Arbeitsgruppe von Booz Allen & Hamilton unter Leitung von Wolfgang Wagner (siehe Interview) ermittelte zunächst unter allen in Frage kommenden Zusammenschlüssen - 16 Fusionen und Übernahmen erfüllten die Kriterien - die fünf aussichtsreichsten Kandidaten. Diese bewertete eine Jury ausgewiesener M&A-Profis hinsichtlich Vision, Strategie, Durchführung und Kommunikation.
Die Entscheidung
Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus. 80 Prozent aller möglichen Jury-Punkte erhielt die INA-Holding Schaeffler KG für ihre Übernahme von FAG Kugelfischer. Der zweitplatzierte Deal, der Kauf von Mannesmann Sachs durch ZF Friedrichshafen, erreichte 79 Prozent. Den dritten Rang belegt der Energiekonzern Eon; die Übernahme der britischen PowerGen kam auf 72 Prozent.
Die Juroren
Rolf Habbel, Deutschland-Chef von Booz Allen & Hamilton
Markus Rudolf, Professor für Kapitalmarkttheorie an der WHU Vallendar
Michael Treichl, Beteiligungsmanager der Investmentgesellschaft Bessemer, Vogel & Treichl
Ralph Wollburg, M&A-Anwalt der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer
Gruß
Happy End