Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Brummer:

Die Hoffnung stirbt zuletzt

 
05.02.02 08:49

BRÜSSEL, 4. Februar. Am vergangenen Freitag haben die Brüsseler Börsianer den ersten Monat des neuen Jahres bilanziert. Das Ergebnis lautete: enttäuschend, aber nicht hoffnungslos. Auch die belgischen Marktteilnehmer hatten zum Jahreswechsel gehofft, daß nach zwei mageren Jahren die mit Amsterdam und Paris verbundene Brüsseler Börse Anlauf zu einer neuen Aufwärtsbewegung nehmen werde. Nicht viel anders als an den Leitmärkten in Frankfurt, London und New York stand das Euronext-Börsenbarometer auf "schön". Doch daraus wurde zunächst nichts: gemessen am Bel-20-Index der führenden Werte sind belgische Aktien im Januar um durchschnittlich 0,6 Prozent gegenüber dem Jahreswechsel billiger geworden. Das hat viele Börsianer zwar verunsichert, dennoch glaubt die Mehrheit, daß dies kein Trend für den Rest des Jahres sei. "Die guten Tage stehen uns noch bevor", sagt einer der erfahrenen Börsenteilnehmer.

Daß die vielzitierte Globalisierung an den Börsen längst Wirklichkeit geworden ist, gehört besonders an den kleinen europäischen Märkten seit langem zu den Grundlagen des Geschäfts. Wie mit einem Seismographen werden entfernte Erdbeben wie der Zusammenbruch des amerikanischen Energieriesen Enron aufgezeichnet und im Kalkül auch der belgischen Marktteilnehmer registriert.

Auf dem Parkett fühlten sich einige an den Zusammenbruch des flämischen Sprachtechnologie-Unternehmens Lernout & Hauspie im vergangenen Herbst erinnert; es hatte mit einem Schlag deutlich gemacht, daß die Bäume der Hochtechnologie nicht in den Himmel wachsen, besonders wenn Managementfehler im Spiel sind. Daß zahlreiche Kleinaktionäre durch den spektakulären Zusammenbruch geschädigt wurden, hat viele Börsenteilnehmer nachdenklich gemacht und einmal mehr zu Fragen über die Qualität der Prüfer und Aufsichtsbehörden geführt.

In Brüssel sind aber auch die guten Nachrichten registriert worden. So ließen sich die Optimisten von den Äußerungen des amerikanischen Notenbankpräsidenten Alan Greenspan nur allzu gerne anstecken, der in der vergangenen Woche, unter Hinweis auf die Rückkehr des Wirtschaftswachstums im vierten Quartal, das Ende der Talsohle angekündigt hatte. Wenn es in den Vereinigten Staaten bald wieder aufwärts gehen sollte, dürfte Europa nachziehen, lautet der Kommentar bei Euronext.

Zuerst müssen aber auch in Brüssel die schlechten Unternehmensergebnisse verdaut werden, die den Börsianern in diesen Tagen die Stimmung verhageln. Besonders die Banken und Finanzdienstleister brachten den Börsenindex der vergangenen Woche unter Druck, während Totalfina, einer der führenden Werte des Markts, Barco und einige Pharmawerte, wie Omega, sich gut behaupten konnten. Solche gegenläufigen Entwicklungen machen jede Marktprognose unmöglich.

Wer sich Trost von den wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmendaten Belgiens erhofft, dürfte auch nicht viel klüger werden. Immerhin steht das kleine Königreich in einigen Disziplinen besser da als Deutschland. So sagen die meisten Konjunkturanalysten für dieses Jahr ein wirtschaftliches Wachstum von etwa 1,3 Prozent voraus. Damit dürfte Belgien voraussichtlich im Mittelfeld der EU liegen, während die deutsche Volkswirtschaft mit angenommenen 0,75 Prozent einen der hinteren Ränge einnehmen wird. Und auch bei der Staatsverschuldung schneidet Belgien besser ab als der große Nachbar im Osten: schon im vergangenen Jahr konnten die Belgier mit einem nahezu ausgeglichenen Haushalt glänzen, in diesem Jahr soll sogar ein kleiner Überschuß von 0,3 Prozent erzielt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß das kleine Land weniger von der Weltwirtschaft getroffen wird als Deutschland.

Zu den guten Nachrichten, die die Börse bereits vorweggenommen hat, gehört nicht zuletzt die Absicht der Regierung, die zweite Stufe der Steuerreform in diesem Jahr zu verwirklichen. Sie soll einerseits die im europäischen Vergleich besonders hart zugreifende Progression für die Mehrheit der belgischen Steuerzahler spürbar flacher gestalten und den Höchstsatz auf 52 Prozent beschränken. Andererseits sollen auch die Unternehmen entlastet werden, vor allem mit der Senkung der Körperschaftsteuer von 40 auf 34 Prozent. Damit dürfte Finanzminister Didier Reynders sein Pulver verschossen haben, zumindest für dieses Jahr.

PETER HORT

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.02.2002, Nr. 30 / Seite 25
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