So, der Bärenfalle mit der Suppe gut entwischt... ;-)
Ich kann mich mit Tradingtechniken nicht so recht anfreunden. Damit will ich nicht definitiv sagen, dass niemand damit erfolgreich sein kann, aber ich glaube fast alle sind es nicht.
Du sagst es ja selber: "Niemand weiß, ob Dip-Buying im jetzt begonnenen Abwärtstrend nicht genauso fatal enden wird, wie "Spike-Shorting" im Aufwärtstrend geendet hätte"
Für mich kann nur eine (auch nachträglich) korrekte strategische Einbettung ein technisch orientiertes Trading erfolgreich machen. Die tollsten Techniken retten nicht eine falsche strategische Einschätzung.
Mit strategischer Einschätzung meine ich übrigens nicht unbedingt etwas sehr langfristiges, sondern damit meine ich die innere Mechanik dessen, was im nächsten viertel bis halben Jahr passiert (und zwar unter Einschluss der voraussichtlichen Psychologie der Marktteilnehmer). Ob die USA irgendwann mal zusammenbrechen oder nicht, ob China der neue Imperator wird oder nicht, ob die Welt an einer Klimakatastrophe zugrunde geht oder nicht, das ist alles sowas von herzlich egal für den Erfolg unserer Spekulationen. Aber viele berauschen sich daran, weil es so spannend ist, und weil es auch nicht so schnell offensichtlich wird, wenn sie falsch liegen. Nun gut, dann müssen sie den Rausch halt als Ersatz für Gewinne nehmen. Klassischer Kompensationsmechanismus ;-)
Persönlich versuche ich vorherzusehen, was die grundsätzliche strategische Einbettung ist, was auf Grund dessen in den nächsten Monaten voraussichtlich passiert, und suche mir daraus eine kleine Anzahl von Wetten als Portfolio (früher habe ich nur eine gemacht, und wenn die falsch war, bin ich wegen ihrer Grösse mit ihr untergegangen).
Zu jeder Wette versuche ich mir einen worst case zu bilden für den Fall, dass meine Ableitung, was in den nächsten Monaten passieren sollte, falsch ist. Und die Umsetzung der Wette mache ich so, dass ich auch den worst case überleben kann, indem ich bei Misserfolg "verbillige", solange, bis der Turnaround tatsächlich kommt. Stopp-Loss mache ich praktisch überhaupt nicht (nur im äussersten Notfall, so wie Schleudersitzhebel-ziehen), sondern versuche durchzuhalten.
Technik spielt dabei durchaus eine Rolle, zum Beispiel ist mein Dax-Short so dimensioniert, dass ich bis knapp hinter 5'400 durchhalten können will. Um die 5'400 gibt es viele "technische" Gründe, dass eine eventuell bis dahin gelaufene Rallye spätestens dann ins Wanken kommt.
Mit der Mischung aus 1. Fundamentalanalyse, 2. strategischer Einschätzung der wichtigsten Mechanismen der nächsten Monate und 3. voraussichtlicher Stimmungsentwicklung bin ich seit einem halben Jahr recht gut gefahren. Vorher hatte ich "3." nicht drin und habe ziemliche Desaster erlebt.
Damit ich nicht im Kopf unbemerkt drifte, schreibe ich mir auch zu jedem Zeitpunkt eine explizite kompakte Headline für "2." auf, an der ich mein praktisches Handeln überprüfe, oder ob die ehemalige Einschätzung noch korrekt ist.
Seit einer Woche ist das "US-Spin-Doctoring stützt Rallye nur bis Neu-Wahrnehmung der Realwirtschaft, dann Retest des März-Tiefs".
4 Wochen vorher war es "Rallye erschöpft sich, Vertrauenskrise revisited, seitwärts mit erhöhter Vola, Tauziehen Bullen<->Bären". Damit hatte ich offensichtlich zu früh gelegen.