[09:30, 02.03.07]
Von Ludwig Heinz
Fallende Aktienkurse in Asien, Amerika und Europa – und ein japanischer Yen, der gegenüber Dollar, Euro, Pfund und den meisten Emerging-Markets-Währungen aufwertet. Was schließen wir daraus?
Wie verhält sich US-Notenbankchef Ben Bernanke?
Erstens, dass das Geld aus den viel zitierten Carry Trades nicht nur verwendet wurde, um internationale Zinsdifferenzen am kurzen Ende auszunutzen. Bei Carry Trades werden Kredite in Niedrigzinsländern - insbesondere Japan - aufgenommen und in renditeträchtigen Aktiva überall in der Welt angelegt. Offensichtlich haben sich die Akteure dabei nicht nur auf Geldmarktanlagen beschränkt, sondern beispielsweise auch Aktien erworben. Zweitens: Nach dem Crash am chinesischen Aktienmarkt haben auch Anleger, die sich in Yen verschuldet hatten, kalte Füße bekommen und Aktien verkauft. Dabei dürfte es sich ganz überwiegend um institutionelle Investoren – insbesondere Hedge Fonds – handeln.
Allen beruhigenden Kommentaren von Volkswirten und Politikern zum Trotz breiten sich nun an den Märkten Ängste aus. Eine Spirale nach unten könne in Gang kommen, welche die Stabilität des internationalen Finanzsystems gefährdet und droht, auf die Realwirtschaft überzugreifen. Damit dürfte es nicht mehr lange dauern, bis der Ruf ertönt, die Notenbanken sollten die Krise verhindern.
Das ist insofern pikant, als es vor allem die Notenbanken waren, die das Feld bestellten, auf dem die Carry Trades so prächtig gediehen. Ausgangspunkt war der 11. September 2001: Nach den Terroranschlägen in den USA öffneten sie die Geldschleusen und fluteten die Märkte mit Liquidität. Das darf man ihnen nicht vorwerfen, vielmehr hatten sie wohl keine andere Wahl, um ein Abgleiten der Weltwirtschaft in die Rezession und möglicherweise in die Deflation zu verhindern. Vorwerfen könnte man ihnen aber, dass sie es versäumten, den Geldhahn rechtzeitig wieder zuzudrehen. Zwar erhöhten sie fast überall die Zinsen, von einem Abschöpfen überschüssiger Liquidität kann aber keine Rede sein.
Kein Wunder also, dass Hedge Fonds wie Pilze aus dem Boden schossen – und die Milliarden, die es in Japan nach wie vor zum oder nahe des Nulltarifs gab, gewinnbringend in alle möglichen Anlagekanäle pressten. Denn die Bank von Japan hinkte dem internationalen Zinserhöhungskurs der Notenbanken meilenweit hinterher. Zu tief saß und sitzt noch immer die Angst vor einer Rückkehr der Deflation im Land der aufgehenden Sonne. Und sorgte nicht der mit der Kreditaufnahme einhergehende massive Kapitalabfluss aus Japan dafür, dass der Yen schwächer und schwächer wurde? Neben dem Zinsgewinn winkten also auch noch Wechselkursgewinne! Wer will da schon daran erinnert werden, dass das Spiel zwar vielleicht lange Zeit, aber nicht auf Dauer gut gehen kann.
Dabei stehen die Notenbanken vor einem grundsätzlichen Problem: Sie sehen sich in vielen Ländern einem nahezu permanenten Druck seitens der Regierungen ausgesetzt, die Zinsen niedrig zu halten. Dieser Druck war in Japan bis zuletzt am stärksten. Regierungen drohen schon mal damit, die Unabhängigkeit der jeweiligen Notenbank zu begrenzen. Folge: Notenbanken tun nicht immer das ökonomisch gebotene, sondern öfter auch mal das politisch gewollte.
Nun stellt sich die Frage: Was können die Währungshüter tun, um die befürchtete Spirale nach unten an den Börsen aufzuhalten? Antwort: Sie könnten das tun, was sie in ähnlichen Situationen schon öfter getan haben: Die Märkte mit noch mehr billigem Geld versorgen. Was soviel heißt wie: den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Dabei ist natürlich vor allem die Fed gefragt. Die steckt aber in einem Dilemma. Einerseits ist offen, wie es mit der US-Konjunktur weitergeht – zuletzt wechselten katastrophal schlechte Daten (etwa der Auftragseingang der Industrie) mit überraschend guten (Konsumklima, Einkaufsmanagerindex der Industrie). Fed-Chef Ben Bernanke sieht eher eine Belebung der US-Konjunktur im Jahresverlauf (Zweckoptimismus?), Ex-Fed-Chef Alan Greenspan ängstigt die Märkte zuvor mit Bemerkungen, die US-Konjunktur könne gegen Ende des Jahres in die Rezession abgleiten.
Die Fed-Banker werden wahrscheinlich die Entwicklung der Finanzmärkte in den kommenden Tagen genau beobachten und mit Worten zu beruhigen versuchen. Sollten die Aktienkurse weiter fallen und der Yen weiter zulegen, bekommt Bernanke ein gewaltiges Problem. Senkt er die Zinsen, schrumpft die Zinsdifferenz zu Japan – was den Geldabfluss Richtung Japan tendenziell beschleunigen würde. Die Folge könnte sein, dass er das Ruder herumreißen und die Zinsen wieder anheben müsste, um den Greenback zu stützen. Andererseits könnte eine US-Leitzinssenkung die Aktienmärkte stärken und dem Dollar dadurch Mittelzuflüsse bescheren. Bernanke wandert auf einem schmalen Grat. Macht er allerdings nichts und die Aktienkursverfall hält an, erhöht sich die Gefahr einer Rezession in den USA, da der Konsum über dann über den Vermögenseffekt doppelt belastet wird: von der Immobilien- und der Aktienmarktseite her.
Die Europäische Zentralbank hat es da ein bisschen einfacher. Sie könnte nach der nächsten Zinsanhebung, auf die sie kaum verzichten wird, weiteren Erhöhungen entsagen. Und die Bank von Japan? Dort bereut man möglicherweise schon, die Zinsen überhaupt angehoben zu haben. Bis zur nächsten Zinserhöhung kann es sehr lange dauern.
Fazit: Probleme, die letztlich in der lockeren Geldpolitik der vergangenen Jahre ihre Ursache haben, lassen sich nur dadurch beseitigen, dass sie den Geldhahn erneut aufdrehen. Möglicherweise wirkt diese Medizin noch einmal, irgendwann wird es damit aber vorbei sein.
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