Der Top-Manager von heute lebt gefährlich

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Der Top-Manager von heute lebt gefährlich sv.Spielkind

Der Top-Manager von heute lebt gefährlich

 
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Nach dem vorläufigen Niedergang der Börsen-Höchstkurse ist die Stimmung im Land gereizt. Ein Sündenbock ist schnell ausgemacht: Der Manager soll Schuld an der Misere haben. Arbeitgeber und Aktionäre versuchen immer häufiger, Manager in Regress zu nehmen. Nachdem die Führungskraft seit jeher Karriere und Ruf aufs Spiel gesetzt hat, soll es jetzt an ihr Vermögen und ihre persönliche Freiheit gehen.

Kleinanleger zerren Vorstände wegen vermeintlich vorsätzlich falscher Ad-hoc-Mitteilungen vor den Kadi, Aufsichtsräte verklagen Vorstände auf Schadensersatz. Großaktionäre verlangen Sonderprüfungen, um Licht in angebliches Fehlverhalten des Managements zu bringen. Anteilseigner verweigern die Entlastung der Vorstände. Der Staatsanwalt ist auch mit von der Partie. Eine Strafanzeige ist schnell gestellt und kostet wenig.

Klagen auf Schadensersatz

Dabei geht es bei weitem nicht nur um Neue-Markt-Pleiten wie EM.TV, Metabox oder Infomatec: Bei der Deutschen Telekom hagelte es Strafanzeige und Drohung mit Schadensersatzansprüchen, bei der Metallgesellschaft und Commerzbank Forderungen nach Sonderprüfung. Schadensersatzforderungen laufen gegen Exvorstände beim Pharmahändler Anzag und beim Aktenvernichter Schleicher & Co. International.

Großmetzger Moksel hat gleich drei Vorstandsmitglieder vor Gericht gebracht mit dem Vorwurf, Konzerntöchter so schlecht überwacht zu haben, dass dort durch betrügerische Machenschaften Millionenschäden entstehen konnten. Das Ergebnis: 5,5 Millionen Mark Schadensersatz.

Nach Ruf und Karriere stehen jetzt Vermögen und Freiheit auf dem Spiel

Es belegt: Karriere, Ruf und Einkommen haben die Manager seit jeher eingesetzt, jetzt steht immer häufiger auch ihr Vermögen auf dem Spiel. Manchmal sogar die persönliche Freiheit. Dabei hat es erst ein Anleger bis in den Gerichtssaal geschafft: Am 18. Mai 2001 stand die Forderung eines Infomatec-Investors beim Landgericht Augsburg auf der Sitzungsliste. Verlangt wurden 12.000 Mark Schadensersatz für den Kauf von 300 Aktien zu 26 Euro.

Der Münchner Anwalt Klaus Rotter, ein Vorreiter der Klagen gegen Vorstände, sagt: „Die Strafakten geben deutliche Anhaltspunkte für vorsätzlich falsche Ad-hoc-Meldungen über angebliche Riesenaufträge.“

Erfolgsaussichten auf Freiheitsstrafe gering

Die Erfolgsaussichten sind dennoch gering. Der Kläger muss dem Gericht nämlich auch beweisen, dass die Mitteilungen aus dem Unternehmen tatsächlich das für ihn entscheidende Kaufstimulans waren. Das ist schwierig, erst recht, wenn mehrere Monate zwischen beiden Ereignissen liegen.

Nach deutschem Recht haften Vorstände und Aufsichtsräte den Aktionären nur ausnahmsweise für Kursverluste, falls nicht Fehler bei Emissionsprospekten vorliegen. Ein Verstoß etwa gegen die Regeln über Ad-hoc-Meldungen bringt für die Manager zwar Ärger und auch Bußgelder, doch keine Rechte für den Anleger.

Nicht nur Aktionärsklagen drohen: Wenn der Arbeitgeber klagt...

Gefährlicher für die Manager ist der Versuch des Arbeitgebers, sie für verlustreiche Fehlleistungen haftbar zu machen. „Die einschlägigen Vorschriften bestehen seit 1937 unverändert“, so der Düsseldorfer Anwalt Oliver Sieg von der Sozietät Godefroid & Pielorz. Doch bisher wurden sie kaum genutzt. Ein unfähiger Vorstand wurde möglichst diskret entlassen. Ohne Not tat man sich gegenseitig nicht weh.

Noch 1995 wurde das Oberlandesgericht Hamm scharf kritisiert, als es drei Manager zu 1,5 Millionen Mark Schadensersatz verdonnerte, weil sie die Harpener AG durch leichtfertige Kreditvergabe 15 Millionen Mark gekostet hatten. Begründet wurde die Kritik damit, dass sich die Führungskräfte nicht selbst bereichert hatten.

Sensibilität für schuldhaftes Fehlverhalten steigt

Das ist heute irrelevant. Einen Anstoß gab der Bundesgerichtshof 1997 mit dem Arag/Garmenbeck-Urteil (II ZR 175/95): Es ist für den Aufsichtsrat grundsätzlich Rechtspflicht, Schadensersatzansprüche gegen Vorstände zu verfolgen, sonst haftet er selbst. Dazu kommt die veränderte Einstellung zur persönlichen Leistung.

Seither gilt: „Das Old-Boys-Network wird aufgebrochen“, betont der Münchner Anwalt Hannspeter Riedel von der Kanzlei Spitzweg. Die Sensibilität für schuldhaftes Fehlverhalten steigt, beobachtet auch der Heidelberger Gesellschaftsrechtler Peter Hommelhoff. „Hier findet ein grundlegender Wandel statt.“ Für den Manager steigt die persönliche Gefahr deutlich, wenn das Unternehmen nach seinem Ausscheiden zum Insolvenzfall wird. Denn – darauf ist Verlass – dem Insolvenzverwalter ist alles recht, was die Konkursmasse aufpäppelt.



Rechtsunsicherheit: Wie groß ist der unternehmerischer Entscheidungsspielraum?

Die neue Situation zeigt Wirkung. Manche Kandidaten überlegen heute genau, ob sie einen Aufsichtsratsposten übernehmen, beobachtet Riedel. Er wird häufiger mit Plänen konfrontiert, Vermögenswerte auf Familienmitglieder zu übertragen, um sie in Sicherheit zu bringen.

Ganz auszuschalten sind die Risiken nicht, weil nicht immer klar ist, was das Recht verlangt. Der Bundesgerichtshof gesteht dem Vorstand einen großen unternehmerischen Entscheidungsspielraum zu. Gesellschaftsrechtler Hommelhoff: „Dazu gehört die Möglichkeit, dass sich eine Entscheidung im Nachhinein als falsch herausstellt.“ Das Problem: „Die Grenzen dieses Spielraums lassen sich nur näherungsweise bestimmen“, so Rechtsprofessor Peter Heermann von der Universität Bayreuth.

Doch auch der Ruf des Klägers ist in Gefahr

Der Rest ist Unsicherheit. Bei der Frankfurter Metallgesellschaft ging es immerhin um Milliardenverluste durch Termingeschäfte. Trotzdem wurde die Sache via Vergleich und damit ohne klärenden Richterspruch erledigt. Schließlich schaden die Verfahren auch dem Ruf des Klägers und sie binden – wie Anzag-Vorstandsvorsitzender Horst Trimborn auf der diesjährigen Hauptversammlung wissen ließ – auch im klagenden Unternehmen Zeit und Geld.

Der Fall: Im Februar hat Anzag seinen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden verklagt, weil er Aufträge zu überhöhten Konditionen vergeben haben soll. Das auftragnehmende Unternehmen soll er überdies seinem persönlichen Berater zu äußerst günstigen Konditionen zugeschanzt haben. Das Votum der Richter steht noch aus.

Ultima Ratio: Manager-Versicherung gegen Haftungsrisiken

Die Ultima Ratio der Manager ist wie so oft die Assekuranz. Die D&O-Versicherung, mit vollem Namen: Directors' and Officers' Liability Insurance soll Führungskräfte vor Haftungsrisiken schützen. Vor Ansprüchen seines Arbeitgebers und – wenn das vereinbart ist – auch vor Aktionärsklagen. Denn die Betriebshaftpflichtversicherung greift hier nicht. „Damit hat die D&O-Police dieselbe Funktion wie die Berufshaftpflichtversicherung etwa für Ärzte oder Anwälte“, erklärt der Düsseldorfer D&O-Experte Michael Hendricks.

Das neue Produkt kommt an. Hendricks: „Das jährliche Prämienvolumen ist in den letzten fünf bis sechs Jahren von zehn Millionen auf 200 Millionen Mark gestiegen.“ Die GeneralCologne Re Rückversicherung erwartet einen weiteren Anstieg auf eine Milliarde. Die neue Sicherheit ist teuer. Den Schutz jedoch bekommt auch für gutes Geld nicht jeder. Peter Paul Geppert von Gerling überlegt vor Policenvergabe: „Würde ich als solider Anleger dort investieren? Wenn nein, mache ich auch keine D&O.“

Wichtig: Greift die Assekuranz auch bei Insolvenz?

Der Vorstand kann sich übrigens nicht selbst schützen, das ist Sache des Aufsichtsrates. Die D&O funktioniert nur, wenn alle Elemente stimmen. Dabei sind unter anderem folgende Punkte wichtig: Das verbreitete Kündigungsrecht der Versicherung bei Insolvenz schafft gerade dann eine Deckungslücke, wenn für die Manager erhöhtes Risiko besteht.

Manche Versicherungen bieten gegen Prämienaufschlag auch hier Schutz. Bei Aktivitäten im Ausland, besonders in den USA muss die Police auch dafür gelten.

Umfangreicher Rechtsschutz sollte jeder Manager haben

Zum vollständigen Schutz des Managers gehört die Rechtsschutzversicherung für Strafverfahren. Gerling-Mitarbeiter Wener Dahnz: „Diese Police deckt auch die hohen Kosten eines spezialisierten Wirtschaftsstrafverteidigers mit Stundensätzen zwischen 300 und 1000 Mark.“

Nach Eindruck des Wirtschaftsstrafrechtlers Bernhard Swienty vom Münchner Büro der Kanzlei Linklaters Oppenhoff & Rädler wird zunehmend das Strafrecht als herangezogen. Oft versuchen die Anspruchsteller so an Informationen heranzukommen, denn der Staatsanwalt muss jeder Anzeige erst einmal nachgehen.


quelle: wiwo.de/news

gruss sv.Spielkind



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