Chinas Regierung
päppelt Software-Branche auf
Von Christiane Kühl, Peking
Sicherheitssoftware gehörte zu den großen Gewinnern in Chinas aufstrebender Software-Industrie. Ziel der IT-Programmierer ist es langfristig dem Vorbild Indien Konkurrenz zu machen.
Im vergangenen Jahr stand "Hacked by Chinese" auch in China auf vielen Websites - zugeschlagen hatte der Virus "Code Red". Trotzdem war 2001 ein gutes Jahr für Chinas Anti-Viren-Programmierer: Die Branche ist seit geraumer Zeit dabei, aus dem Schatten der boomenden Hardware-Produzenten des Landes herauszutreten. Der Anfang ist gemacht. Bereits heute existieren in China mehr als 10.000 Software-Firmen, 3000 davon sind speziell mit der Entwicklung beschäftigt. "Die Software-Industrie wächst inzwischen schneller als Chinas IT-Markt insgesamt", sagt Dorothy Yang, Analystin des amerikanischen IT-Marktforschers IDC in Peking. Die staatsnahe CCID Consulting meldete für 2001 ein Branchenwachstum von knapp 24 Prozent auf 28,5 Mrd. Yuan (rund vier Mrd. Euro).
Chinas Regierung puscht die Entwicklung und fördert Software-Firmen mit Steuervergünstigungen und elf Software-Parks in den aufstrebenden Küstenmetropolen. Zudem will man von Indien lernen: Chinesische Delegationen geben sich im indischen "Silicon Valley", Bangalore, die Klinke in die Hand. Zwar sagte Sunil Mehta, Vizepräsident des indischen Software-Verbands NASSCOM, kürzlich, dass "China auf absehbare Zeit keine Gefahr für uns ist". Indien exportiere Software im Wert von acht Mrd. $, China nur für 600 Mio. $. Der Export sei jedoch nicht das Hauptaugenmerk des Landes, so IDC-Analystin Yang. "China hat einen großen Binnenmarkt, Indien nicht."
Regierung puscht mit Steuervergünstigungen
Fakt ist, dass Chinas boomende Wirtschaft Software braucht. Großes Potenzial haben neben Anti-Virenprogrammen vor allem Business-Software, Netzwerk- und E-Commerce-Lösungen sowie Informationsdienstleistungen. Und auch in Behörden und Staatsfirmen ist das elektronische Zeitalter angebrochen. Noch kontrollieren ausländische Firmen rund 50 Prozent des Marktes. Außer Microsoft sind auch IBM, SAP und Oracle in China aktiv. In die Top Ten der größten Anbieter schafften es laut IDC bislang nur zwei chinesische Firmen: UFSoft und Kingdee aus Peking. Grund: Viele der chinesischen Softwarebetriebe sind noch zu klein und zu wenig innovativ. Da aber ausländische Programme teurer sind und die heimischen Unternehmen qualitativ zulegen, wird ihnen ein wachsender Marktanteil prognostiziert.
UFSoft, Chinas größter privater Entwickler von Business-Software, wurde 1988 gegründet. Inzwischen beschäftigt die Firma mehr als 600 Informatiker und ist an der Börse in Shanghai gelistet. Mittelfristig wolle er zu den 50 global größten Software-Firmen gehören, sagt Präsident Wang Wenjing. Chinas WTO-Beitritt werde den Wettbewerbsdruck nun erhöhen, glaubt er. Zumal jetzt auch Hardware-Firmen wie PC-Marktführer Legend auf Grund kleiner Margen im Kerngeschäft zusätzlich in die Software-Produktion einsteigen wollen.
Steigender Marktanteil bei lokalen Anbietern
Microsoft gründete im Januar zusätzlich zu seinem bereits in Peking ansässigen Asien-Forschungszentrum ein Software-Joint-Venture mit zwei chinesischen Partnern. Zudem schmiedete der Konzern eine Allianz mit vier großen lokalen Computerherstellern, die nun zusammen mehr als die Hälfte des chinesischen Marktes ausmachen. In Peking fiel Microsoft jedoch auf die Nase: Die Stadtregierung entschied sich gegen die US-Software und kauft nun bei lokalen Firmen, die günstige Anwendungen auf Basis des Betriebssystems Linux anbieten. In der Microsoft-Zentrale in Seattle soll man so erbost gewesen sein, dass überlegt wird, das China-Hauptquartier von Peking nach Shanghai zu verlegen.
Lästig sind für Microsoft und die anderen West-Unternehmen nach wie vor Chinas Produktpiraten. Zwar schreiben die WTO-Statuten den Schutz geistigen Eigentums vor. Das Problem bleibt jedoch die Implementierung. Noch immer sind fast 90 Prozent aller in China verwendeten Desktop-Software Raubkopien. Das neue Windows XP gibt es an der Straßenecke für umgerechnet drei Euro. Immerhin: Der Staat will sich nun bessern. Shanghai und Peking haben ihren Beamten befohlen, auf ihren Bürocomputern Raubkopien durch Originale zu ersetzen.