Börsenmäntel
Beim Handeln mit Börsenmänteln ist viel Fachwissen gefragt
01. Juli 2005 Die allgemein freundliche Tendenz an den Aktienmärkten und Kursgewinne bei den jüngsten größeren Börsengängen wie Wincor Nixdorf, Lanxess oder Conergy haben geholfen, das Fenster zur Börse wieder etwas zu öffnen. Ganz so schwierig wie vor einem oder zwei Jahren ist der klassische Börsengang inzwischen nicht mehr.
Das ändert aber nichts daran, daß zuletzt auch das Geschäft mit Börsenmänteln wieder eine spürbare Belebung erfahren hat. Vielmehr ist es vermutlich sogar die aufgehellte Stimmung an den Märkten, die auch diesem Segment auf die Sprünge geholfen hat. Während der Baisse, als auch die Spekulanten ihre Wunden leckten, wollte kaum jemand etwas von den riskanten Papieren wissen. Mittlerweile hat sich der Wind aber gedreht.
Das bestätigt auch Sam Winkel, Vorstand der Bremer Carthago Capital AG, dessen Gesellschaft auf den Handel mit Börsenmänteln spezialisiert ist. „Das Interesse an Börsenmänteln ist deutlich gestiegen, die Zahl der Anfragen hat bei uns klar zugenommen”, weiß er zu berichten (lesen Sie dazu auch das Interview: "Bei Börsenmänteln ist Geduld eine wichtige Tugend").
Und er ergänzt: „Die Kurse vieler Börsenmäntel sind in den vergangenen Monaten angesprungen, mehr als die Hälfte von ihnen haben zwischenzeitlich deutliche Wertsteigerungen erfahren. Ein gutes Beispiel ist die Questos-Aktie. Nachdem durchsickerte, daß die Gesellschaft von Carthago für eine Manteltransaktion fit gemacht werden soll, sprang der Kurs in kürzester Zeit von 0,25 auf 1,40 Euro gleich massiv an.”
Die Gewinnchancen sind groß ...
Kurssprünge dieser Art sind genau die Faszination, die eine bestimmte Anlegergruppe anzieht wie Motten das Licht. Was lockt, sind im Erfolgsfall immense Kursgewinne, die mitunter auch schon mal locker über 1.000 Prozent betragen können. Aber wie immer an der Börse sind auch Wetten auf Börsenmäntel keine Einbahnstraße ins Glück. Vielmehr warten auf die Investoren auch große Risiken.
Christoph Schäfer, Vorstand bei der ebenfalls in dem Segment mitmischenden Falkenstein Nebenwerte AG, warnt jedenfalls eindringlich: „Es handelt sich um ein sehr spekulatives Geschäft. Das sollte jedem, der hier mitmischen will, unbedingt klar sein.” Selbst die meisten Profis scheuten die damit verbundenen Gefahren, zumal für institutionelle Adressen auch die dünnen Börsenumsätze gegen ein Engagement sprächen ("Bei Börsenmänteln ist Geduld eine wichtige Tugend").
Das Risiko, auf das alle Experten ausdrücklich hinweisen, liegt darin, daß von den vorhandenen Kandidaten letztlich vielleicht ein Zehntel wirklich für einen sauberen Börsenmantel taugt. Bis herausgefiltert ist, welche Titel das sind, müssen interessierte Investoren erst langwierige Hausaufgaben erledigen und Bilanzen studieren. Erschwert wird die Arbeit dadurch, daß kein Börsenmantel dem anderen gleicht.
... aber die Risiken ebenfalls
Ein gewichtiges Problem ist auch, daß die Informationsbasis, auf der Entscheidungen getroffen werden müssen, oft dürftig ist. Für Außenstehende kann die wichtige Frage, ob tatsächlich alle Altlasten bereinigt sind oder nicht, häufig nicht abschließend beantwortet werden. Oft erweist es sich auch als schwierig, zu beurteilen, wie werthaltig die eingebrachten Vermögensgegenstände des Aufkäufers tatsächlich sind.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß die Börsenmäntel von ehemals krisengeschüttelten Unternehmen stammen. Laut Winkel muß man sich deswegen immer fragen, ob sich nicht vielleicht nur zwei schwarze Schafe zusammenschließen. Keinen guten Ruf bei den Händlern von Börsenmänteln genießen übrigens in der Regel Titel aus dem ehemaligen Neuen Markt. Hier sollte potentielle Investoren noch mehr als sonst auf der Hut sein, lautet die Faustformel unter Experten.
Zeit- und Kostenersparnis wichtige Vorteile für Emittenten
Trotz der vielen Mängel, die viele der Mantel-Kandidaten mit sich herumtragen, kann sich im Einzelfall sowohl für einen Börsen-Aspiranten als auch für einen Spekulanten ein Einstieg lohnen. Unternehmen mit Börsenplänen können beispielsweise über diese Schiene viel Zeit sparen. Während ein klassischer Börsengang schon als zügig abgewickelt zu bezeichnen ist, wenn er in weniger als zwölf Monaten durchgezogen wurde, kann das Ganze mit einem Börsenmantel auch in drei Monaten über die Bühne gebracht werden.
Neben der Zeitersparnis werden speziell kleine Unternehmen zu spüren bekommen, daß sich die großen Investmentbanken nicht gerade um eine Betreuung reißen. Denn dafür sind die Erlöse, gemessen an den Kosten für die Institute, meistens zu bescheiden. Für die Börsenkandidaten gibt es dagegen keinen günstigeren Weg auf das Parkett als über einen Mantelkauf. Zumindest dann, wenn durch einen Namenswechsel dafür Sorge getragen wird, daß das meistens schlechte Image des ausgebombten Titels nicht auf das eigene Unternehmen abfärbt.
Bei der Suche nach Vor- und Nachteilen von Manteltransaktionen auf Emittentenseite sei abschließend noch erwähnt, daß das früher noch sehr bedeutsame Argument der Nutzung steuerlicher Verlustvorträge heute praktisch keine Rolle mehr spielt. Denn es reicht schon, wenn zwei der drei nachfolgenden Kriterien erfüllt sind, um der Verwertbarkeit von Verlustvorträgen einen Riegel vorzuschieben. Die Fragen, die dabei eine Rolle spielen, lauten: Kommt es zu einem Wechsel des Großaktionärs? Wird neues Kapital zugeführt? Ändert sich der Geschäftszweck? Punkte also, die in der Regel mit Ja zu beantworten sein werden.
Nur etwas für Spezialisten
Zusammengefaßt läßt sich somit festhalten, daß der Handel mit und die Spekulationen auf Börsenmäntel durchaus ihre Berechtigung haben. Aber sie sind mit großen Risiken behaftet, denen man nur mit der gebotenen Vorsicht und der unabdingbar erforderlichen Erfahrung und Fachkompetenz aus dem Weg gehen kann.
Wer in dem Segment mitmischen will, kommt also nicht umhin, intensiv seine Hausaufgaben zu machen. Selbst dann sollte nur dosiert investiert werden. Das ist auch das, wozu Schäfers rät: „Interessenten müssen sich vor einem Einstieg ganz intensiv mit dem Thema beschäftigen. Und sie dürfen nie zu viel von ihrem Gesamtkapital in diesen Bereich stecken.” Übersetzt heißt das nichts anderes, als daß Kleinanleger, die Börsenmäntel nicht zu ihrem Steckenpferd machen wollen, im Zweifelsfall am Besten die Finger von dem Segment lassen
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @JüB
Quelle: www.faz.net/s/...1FA90D321F79DBB4AF~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Beim Handeln mit Börsenmänteln ist viel Fachwissen gefragt
01. Juli 2005 Die allgemein freundliche Tendenz an den Aktienmärkten und Kursgewinne bei den jüngsten größeren Börsengängen wie Wincor Nixdorf, Lanxess oder Conergy haben geholfen, das Fenster zur Börse wieder etwas zu öffnen. Ganz so schwierig wie vor einem oder zwei Jahren ist der klassische Börsengang inzwischen nicht mehr.
Das ändert aber nichts daran, daß zuletzt auch das Geschäft mit Börsenmänteln wieder eine spürbare Belebung erfahren hat. Vielmehr ist es vermutlich sogar die aufgehellte Stimmung an den Märkten, die auch diesem Segment auf die Sprünge geholfen hat. Während der Baisse, als auch die Spekulanten ihre Wunden leckten, wollte kaum jemand etwas von den riskanten Papieren wissen. Mittlerweile hat sich der Wind aber gedreht.
Das bestätigt auch Sam Winkel, Vorstand der Bremer Carthago Capital AG, dessen Gesellschaft auf den Handel mit Börsenmänteln spezialisiert ist. „Das Interesse an Börsenmänteln ist deutlich gestiegen, die Zahl der Anfragen hat bei uns klar zugenommen”, weiß er zu berichten (lesen Sie dazu auch das Interview: "Bei Börsenmänteln ist Geduld eine wichtige Tugend").
Und er ergänzt: „Die Kurse vieler Börsenmäntel sind in den vergangenen Monaten angesprungen, mehr als die Hälfte von ihnen haben zwischenzeitlich deutliche Wertsteigerungen erfahren. Ein gutes Beispiel ist die Questos-Aktie. Nachdem durchsickerte, daß die Gesellschaft von Carthago für eine Manteltransaktion fit gemacht werden soll, sprang der Kurs in kürzester Zeit von 0,25 auf 1,40 Euro gleich massiv an.”
Die Gewinnchancen sind groß ...
Kurssprünge dieser Art sind genau die Faszination, die eine bestimmte Anlegergruppe anzieht wie Motten das Licht. Was lockt, sind im Erfolgsfall immense Kursgewinne, die mitunter auch schon mal locker über 1.000 Prozent betragen können. Aber wie immer an der Börse sind auch Wetten auf Börsenmäntel keine Einbahnstraße ins Glück. Vielmehr warten auf die Investoren auch große Risiken.
Christoph Schäfer, Vorstand bei der ebenfalls in dem Segment mitmischenden Falkenstein Nebenwerte AG, warnt jedenfalls eindringlich: „Es handelt sich um ein sehr spekulatives Geschäft. Das sollte jedem, der hier mitmischen will, unbedingt klar sein.” Selbst die meisten Profis scheuten die damit verbundenen Gefahren, zumal für institutionelle Adressen auch die dünnen Börsenumsätze gegen ein Engagement sprächen ("Bei Börsenmänteln ist Geduld eine wichtige Tugend").
Das Risiko, auf das alle Experten ausdrücklich hinweisen, liegt darin, daß von den vorhandenen Kandidaten letztlich vielleicht ein Zehntel wirklich für einen sauberen Börsenmantel taugt. Bis herausgefiltert ist, welche Titel das sind, müssen interessierte Investoren erst langwierige Hausaufgaben erledigen und Bilanzen studieren. Erschwert wird die Arbeit dadurch, daß kein Börsenmantel dem anderen gleicht.
... aber die Risiken ebenfalls
Ein gewichtiges Problem ist auch, daß die Informationsbasis, auf der Entscheidungen getroffen werden müssen, oft dürftig ist. Für Außenstehende kann die wichtige Frage, ob tatsächlich alle Altlasten bereinigt sind oder nicht, häufig nicht abschließend beantwortet werden. Oft erweist es sich auch als schwierig, zu beurteilen, wie werthaltig die eingebrachten Vermögensgegenstände des Aufkäufers tatsächlich sind.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß die Börsenmäntel von ehemals krisengeschüttelten Unternehmen stammen. Laut Winkel muß man sich deswegen immer fragen, ob sich nicht vielleicht nur zwei schwarze Schafe zusammenschließen. Keinen guten Ruf bei den Händlern von Börsenmänteln genießen übrigens in der Regel Titel aus dem ehemaligen Neuen Markt. Hier sollte potentielle Investoren noch mehr als sonst auf der Hut sein, lautet die Faustformel unter Experten.
Zeit- und Kostenersparnis wichtige Vorteile für Emittenten
Trotz der vielen Mängel, die viele der Mantel-Kandidaten mit sich herumtragen, kann sich im Einzelfall sowohl für einen Börsen-Aspiranten als auch für einen Spekulanten ein Einstieg lohnen. Unternehmen mit Börsenplänen können beispielsweise über diese Schiene viel Zeit sparen. Während ein klassischer Börsengang schon als zügig abgewickelt zu bezeichnen ist, wenn er in weniger als zwölf Monaten durchgezogen wurde, kann das Ganze mit einem Börsenmantel auch in drei Monaten über die Bühne gebracht werden.
Neben der Zeitersparnis werden speziell kleine Unternehmen zu spüren bekommen, daß sich die großen Investmentbanken nicht gerade um eine Betreuung reißen. Denn dafür sind die Erlöse, gemessen an den Kosten für die Institute, meistens zu bescheiden. Für die Börsenkandidaten gibt es dagegen keinen günstigeren Weg auf das Parkett als über einen Mantelkauf. Zumindest dann, wenn durch einen Namenswechsel dafür Sorge getragen wird, daß das meistens schlechte Image des ausgebombten Titels nicht auf das eigene Unternehmen abfärbt.
Bei der Suche nach Vor- und Nachteilen von Manteltransaktionen auf Emittentenseite sei abschließend noch erwähnt, daß das früher noch sehr bedeutsame Argument der Nutzung steuerlicher Verlustvorträge heute praktisch keine Rolle mehr spielt. Denn es reicht schon, wenn zwei der drei nachfolgenden Kriterien erfüllt sind, um der Verwertbarkeit von Verlustvorträgen einen Riegel vorzuschieben. Die Fragen, die dabei eine Rolle spielen, lauten: Kommt es zu einem Wechsel des Großaktionärs? Wird neues Kapital zugeführt? Ändert sich der Geschäftszweck? Punkte also, die in der Regel mit Ja zu beantworten sein werden.
Nur etwas für Spezialisten
Zusammengefaßt läßt sich somit festhalten, daß der Handel mit und die Spekulationen auf Börsenmäntel durchaus ihre Berechtigung haben. Aber sie sind mit großen Risiken behaftet, denen man nur mit der gebotenen Vorsicht und der unabdingbar erforderlichen Erfahrung und Fachkompetenz aus dem Weg gehen kann.
Wer in dem Segment mitmischen will, kommt also nicht umhin, intensiv seine Hausaufgaben zu machen. Selbst dann sollte nur dosiert investiert werden. Das ist auch das, wozu Schäfers rät: „Interessenten müssen sich vor einem Einstieg ganz intensiv mit dem Thema beschäftigen. Und sie dürfen nie zu viel von ihrem Gesamtkapital in diesen Bereich stecken.” Übersetzt heißt das nichts anderes, als daß Kleinanleger, die Börsenmäntel nicht zu ihrem Steckenpferd machen wollen, im Zweifelsfall am Besten die Finger von dem Segment lassen
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @JüB
Quelle: www.faz.net/s/...1FA90D321F79DBB4AF~ATpl~Ecommon~Scontent.html