Unglücksmaschine
Flugzeugabsturz: Whistleblower warnte vor Boeing 787-8
Berlin. Nach dem Absturz einer 787-Dreamliner sind derzeit noch viele Fragen offen. Lag es an der Maschine selbst? Ein Experte hatte früh Bedenken.
Es ist ein schockierendes Schicksal, das eine Air-India-Maschine und deren Insassen ereilte. Am Donnerstagvormittag deutscher Zeit verunglückte die Maschine, die auf dem Weg von Ahmedabad nach London war, im Westen Indiens. An Bord der Maschine befanden sich 242 Passagiere. Wie hoch die Zahl der Todesopfer ist, ist bisher unklar. Zur Absturzursache wurden bisher ebenfalls keine genaueren Angaben gemacht. Augenzeugen schilderten aber eine Rauchentwicklung kurz nach Start des Flugzeugs.
Flugzeugabsturz in Indien – viele Tote befürchtet
Bei der Unglücksmaschine handelt es sich um eine Boeing 787-8 Dreamliner. Boeing stand in den vergangenen Jahren regelmäßig in der Kritik, immer wieder kam es auf Flügen zu unvorhergesehenen Ereignissen und Problemen an den Flugzeugen selbst. Doch trifft das auch auf das verunglückte Modell 787-8 zu, die weithin auch als „Dreamliner“ bekannt ist?
Absturz der Boeing: Experte warnte vor Baufehlern
Die Maschine ist ausgestattet mit 240 Sitzplätzen. Betrieben wird sie – wie die meisten modernen Passagier-Flugzeuge – mit zwei Düsen, die an den Tragflächen befestigt sind. Die Reichweite beträgt rund 13.500 Kilometer. Die 787-8 ist für große Treibstoffeffizienz bekannt und wird regelmäßig für Langstreckenflüge eingesetzt. Im Schnitt werden nach Angaben der Airline „British Airways“ rund zwanzig Prozent weniger Treibstoff verbraucht als bei vergleichbaren Flugzeugen.
Laut „Flightradar24“ war für den Flug die elf Jahre alte Boeing 787-8 mit der Kennzeichnung VT-ANB eingeplant. Der Dreamliner sollte um 13.10 Uhr starten und um 18.25 Uhr (jeweils Ortszeit) in London landen. Insgesamt betreibt Air India nach eigenen Angaben 27 Maschinen des Modells. Jetzt dürften es tragischerweise nur noch 26 sein.
In Berichten der New York Times und CNN, Medienportale aus den USA, hatte der Boeing-Ingenieur und Whistleblower Sam Salehpour schon im vergangenen Jahr Alarm geschlagen und behauptet, dass das Unternehmen sowohl bei den 777- als auch bei den 787-Dreamliner-Modellen bei der Herstellung „Abkürzungen“ nahm. Salehpour warnte, dass solche Kompromisse mit zunehmendem Alter dieser Flugzeuge katastrophale Risiken bergen könnten.
Ähnliches berichtet auch die Zeitung „The Economic Times“. So soll es bei den 787-8 Modellen jedoch immer wieder zu technischen Problemen gekommen sein. Demnach wurden bei einer einzelnen Maschine innerhalb eines Zeitraums von 25 Tagen gleich mehrfach Hydrauliklecks und Kappenfehlfunktionen gemeldet, was zu mehreren Flugausfällen führte. Ob solche Schäden auch einen Einfluss auf den Absturz der Maschine von Air India gehabt haben könnten, dürfte jetzt anhand der Wartungshistorie und weiterführender Untersuchungen geprüft werden.
Nach Angaben der Aviation Safety Network Database war es der erste Unfall mit einem 787 Dreamliner. In den vergangenen Jahren war Boeing immer wieder wegen Sicherheitsprobleme in die Schlagzeilen geraten. Bei den Unglücken mit Flugzeugen des Modells 737 Max im Oktober 2018 und März 2019 waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Luftfahrtbehörden in aller Welt hatten daraufhin Flugverbote für das Modell erlassen. Erst nach einigen technischen Verbesserungen wurde das Modell schrittweise wieder für den Flugverkehr freigegeben.
Die verunglückte Maschine war laut offiziellen Flugdaten regelmäßig auf der Strecke zwischen Ahmedabad und London im Einsatz, eine Strecke, die in etwa 9,5 Stunden zurückgelegt werden kann. An Bord befanden sich regelmäßig Urlauber und Geschäftsleute.
Im vorderen Bereich der Maschine befindet sich die Business-Class, bei der die Passagiere auf einen eigenen Bildschirm, ausreichend Beinfreiheit, einem eigenen Vorhang und indidivudellen Lampen zurückgreifen können. Im hinteren Bereich der Maschine folgen zunächst die Premium-Economy-Sitzplätze (eigener USB-Port, etwas breiterer Sitz). Direkt danach kommt die normale Economy-Class, bei der sich die Passagiere auf schmalere Sitze und weniger Komfort einstellen müssen. Je nach Fluggesellschaft verfügen die Flugzeuge über W-LAN, Unterhaltungsangebote und ein breites Angebot zur Verköstigung und Ernährung.
An Bord der Maschine waren laut der Fluggesellschaft 242 Menschen. Darunter sollen 169 indische, 53 britische und sieben portugiesische Staatsangehörige sowie ein kanadischer Staatsangehöriger sein. Offizielle Angaben zu möglichen Opferzahlen gibt es bisher nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf die Polizei, mehr als 100 Leichen seien in ein lokales Krankenhaus gebracht worden.
Der Flug hob um 13.39 Uhr Ortszeit von der Startbahn 23 in Ahmedabad ab. Offenbar geriet die Maschine sofort in schwerste Probleme. Einer der Piloten soll einen »Mayday«-Notruf an die Flugsicherung abgesetzt haben, auf Nachfragen des zuständigen Fluglotsen aber reagierte die Besatzung nicht.
Die Maschine stürzte übereinstimmenden Berichten zufolge offenbar in das Wohnheim einer medizinischen Hochschule in Ahmedabad. Ein von der indischen Behörde für Industriesicherheit auf X veröffentlichtes Foto zeigt, wie das Heck des Flugzeugs waagerecht aus einem Gebäude herausragt.
Boeing kündigte in einer ersten Stellungnahme an, Informationen über den Absturz zu sammeln. Ebenfalls unklar ist, warum das Flugzeug abgestürzt ist. Eines der kursierenden Videos, aufgenommen von einem Zeugen am Boden, zeigt klar, wie die Maschine nach dem Abheben keine Höhe gewinnt. Auf den Aufnahmen ist aber noch mehr zu sehen – erste mögliche Indizien zur Unfallursache: Das Fahrwerk ist eindeutig ausgefahren, obwohl es in dieser Flugphase bereits eingeklappt sein sollte, damit das Flugzeug mit geringerem Luftwiderstand leichter aufsteigen kann. Zudem erscheint es so, dass die Landeklappen (»Flaps«) bereits eingefahren wurden, obwohl sie bei niedriger Fluggeschwindigkeit aus aerodynamischen Gründen noch unverzichtbar sind. Die Unglücksmaschine war elf Jahre alt. Im Cockpit saßen zwei Piloten: Kapitän Sumeet Sabharval, ein erfahrener Flugzeugführer, der auch als Prüfer tätig war. Neben ihm der Erste Offizier Clive Kundar, der mit einer Flugerfahrung von rund 1100 Stunden noch am Beginn seiner Karriere war.
Indiens Luftfahrt boomt, Hunderte neue Flugzeuge werden in den nächsten Jahren in Dienst gestellt. Das Erfahrungsniveau der Piloten ist dort daher oft eher niedrig. Ob dieser Umstand bei diesem Unglück eine Rolle gespielt hat, ist derzeit noch völlig unklar.
Möglich ist, dass der unerfahrene Co-Pilot die beiden Hebel im Cockpit verwechselt hat, mit denen Fahrwerk und Landeklappen bedient werden. Sie liegen zwar nahe beieinander, aber ihr Aussehen und ihr Betätigungsmechanismus sind so gestaltet, dass Verwechslungen ausgeschlossen sein sollten. Ob es tatsächlich so war, müssen die Untersuchungen zeigen.
Grüne Sterne beruhen auf Gegenseitigkeit!