In Detroit pfeift es bereits jeder Spatz vom Dach. Was die Absatzzahlen der US-Autoindustrie betrifft, so wird sich das Rekordjahr 2000 nicht wiederholen lassen. Die große Preisfrage ist nur, wie stark der Markt einbrechen wird und welche Konsequenzen dies für die Ertragslage der drei großen amerikanischen Autohersteller hat. Die Prognosen gehen weit auseinander, und es drängt sich der Verdacht auf, dass viele Automanager die Abschwächung und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne noch erheblich unterschätzen.
Ford-Chef Jacques Nasser ließ Anfang dieses Monats verlauten, er halte für 2001 ein Zulassungsvolumen von 16,5 Millionen Neufahrzeugen für wahrscheinlich. Damit würde die US-Autoindustrie mit einem Absatzrückgang von rund 1,5 Millionen Fahrzeugen noch relativ glimpflich davonkommen. Bei DaimlerChrysler macht man sich größere Sorgen: Bis auf lediglich 15,5 Millionen Einheiten könnte der Markt schrumpfen. Vor diesem Hintergrund sind die Kapazitäten und Kostenstrukturen in Detroit immer noch auf viel zu hohe Volumina ausgerichtet.
Die Betrachtung der Absatzzahlen sagt ür den Ernst der Lage herzlich wenig aus. Der Gesamtmarkt zerfällt nämlich in zwei Teile. Den Erfolgen und steigenden Marktanteilen der Importeure aus Japan, Korea und nicht zuletzt Europa steht ein sich beschleunigender Verfall der einheimischen "Big Three" gegenüber: Um 3,4% schrumpfte der Markt im November. Die Chrysler-Verkäufe brachen dagegen um 5,1%, die von General Motors und Ford um jeweils 8% ein. Dies liegt an den alternden Modellpaletten und den nach wie vor vorhandenen Qualitätsproblemen der amerikanischen Hersteller. Die Importeure haben sich inzwischen auch der für die Ertragslage der US-Konzerne essenziell wichtigen Teilmärkte für Geländewagen und Pick-up Trucks angenommen. Ihre neuen Modelle sind durchweg attraktiver als die einheimischen Angebote.
Es geht der US-Autoindustrie somit bereits jetzt deutlich schlechter, als es die bloßen Zahlen vermuten lassen. Die im zweiten Halbjahr immer größer gewordenen Fahrzeughalden ließen sich zwar an die Kunden losschlagen, aber nur um den Preis rekordhoher Rabatte von teilweise über 4000 Dollar pro Fahrzeug. Die Preisnachlässe sind wohl der Hauptgrund für die hohen Verluste bei Chrysler. Sie scheinen ferner wesentlich zur Gewinnerosion bei General Motors und Ford im vierten Quartal beizutragen. Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass die Absatzankurbelung um fast jeden Preis viele Konsumenten zu vorzeitigen Neuanschaffungen bewegt hat. Die "Großen Drei" müssen sich vorwerfen zu lassen, ihr eigenes Geschäft des neuen Jahres leichtfertig kannibalisiert zu haben. Die in Detroit gehegten Hoffnungen, dass sich die Rabatte im neuen Jahr auf ein Normalmaß zurückdrehen lassen, erscheinen daher ziemlich unrealistisch.
Es mag für den neuen Chrysler-Chef Dieter Zetsche ein schwacher Trost sein: Er ist mit seiner anspruchsvollen Sanierungsaufgabe in Detroit nicht allein. Schwere Managementfehler hat es nicht nur bei Chrysler gegeben. Auch Nasser und insbesondere GM-Chef G. Richard Wagoner müssen die Folgen der Leichtfertigkeit vergangener Jahre bewältigen.