Backtesting: "Hab ich überhaupt eine Chance mit meiner Strategie"
Eigentlich wollte ich in einer der letzten Kolumnen dieses Jahres was zum Thema professionellen Umfeld des Traders (Krankenversicherung, Steuern, Büromiete, professionell fees beim Broker Datenanbieter usw) schreiben.
Da sich aber das Steuersystem zu mindest für den Großteil der Leser ändern dürfte möchte ich dieses Thema auf das neue Jahr verschieben.
Für alle die dieses Jahr noch einen größeren Betrag zu versteuern haben mein Tip:
"Ein guter Steuerberater, auch wenn er über € 200,- pro Stunde kostet, zahlt sich wirklich aus."
Somit haben wir aber mehr Zeit für ein wichtigeres Thema - "Hab ich überhaupt eine Chance mit meiner Strategie"
Für jeden Trader stellt sich die Frage – Ist die Wahrscheinlichkeit auf mein Seite. Wenn ich alle meine Trades wie geplant durchdrücke kann ich überhaupt gewinnen?
Aber lasst uns noch mal einen Schritt weiter zurück gehen wie finde ich überhaupt eine Strategie und wie kann ich diese dann auf diese angesprochene Wahrscheinlichkeit überprüfen.
Für mich lief das in der Vergangenheit meist so ab:
Man beobachtet die Märkte aufmerksam und bemerkt, dass sich die Kurse an gewissen stellen ganz speziell verhalten. Dies kann zum Beispiel sein, dass
• der Markt über Mittag etwas ruhiger ist als von 9.30 bis 11 und 14 bis 16 Uhr.
• wenn der Markt mit einem extremen Gap rein kommt er sich oft in die Gegenrichtung bewegt.
• wenn der RSI ganz tief (unter 25) ist und der Markt schon über 2 stunden gefallen ist, dass immer wieder eine Gegenbewegung von 3 - 5 Punkten (ES) kommt.
• wenn Vollmond ist sich oft der Trend wendet ;)
• wenn Die Economy Daten sehr schwach ausfallen der Fed Fund Future aber einen möglichen Rate Cut einpreist die Kurse in der gestärkten Hoffnung trotzdem steigen
und so weiter und so weiter.
Ich denke jeder von uns hat schon solche Beobachtungen gemacht.
Nun wäre interessant die Wahrscheinlichkeiten zu überprüfen:
Was wäre wenn man immer den Mittagsbreakout handeln würde.
Wenn man wenn der Markt mit einem 1.5% Gap rein kommt sich gegen den Gap stellt.
Wenn es Vollmond ist sich gegen die aktuelle Trendrichtung stellt.
Usw.
Dafür gibt es jetzt zwei Möglichkeiten.
1.) Man schreibt sich ab jetzt jeden Trade in ein Excelsheet und kann dann nächstes Jahr oder das Jahr darauf darüber entscheiden ob man diese Signal handelt oder nicht
2.) Man überprüft objektiv in die Vergangenheit wie wäre die Formation Konstellation oder Fundamentaldaten gelaufen.
Wie kann man das jetzt machen:
1.) Man kauft sich die Tradestation 2000, Metastock, Wealthlab oder mietet sich die Tradestation 6. Kosten belaufen sich auf ca $ 4000 für die Tradestation 2000i und 95mtl für TS 6.0. Man kann sein Glück auch bei Ebay versuchen, da läuft die Tradestation meist für $500 und weniger über den Tisch.
2.) Man macht das zu Fuß, von Hand und darauf möchte ich heute näher eingehen.
Man benötigt:
• Eine klare Definition der Strategie
• Excel oder ein anderes Tabellenkalkulationsprogramm.
• Chartprogramm
• Einen gehäuften Esslöffel voll Zeit
Vorgehen:
Gut definierte Strategie:
Als erstes sollte man seine Beobachtungenn so gut als möglich in "Wenn Dann" Beziehungen setzen.
Das Problem beim Zurücktesten in die Vergangenheit ist, das wenn man nicht ganz diszipliniert sich von einer Candle zur nächsten tastet, man die Zukunft sieht und Signale nimmt die man sonnst nicht nehmen würde weil es ja nachher gut gelaufen ist und umgekehrt. Um so genauer die Regeln sind um so weniger kommt man in Versuchung seine Performance schön zu schreiben.
Chartprogramm:
Jetzt nimmt man sein Chartprogramm und scrollt zurück und beginnt Tag für Tag zu überprüfen ob die vorher definierte "Wenn Dann" Regel eingetreten ist. Ich würde für diese Arbeit Nextrend empfehlen. Die Software ist mit verzögerten Kursen kostenlos und ich weiß aus eigener Erfahrung das sich so ein Rückblick mit dieser Software sehr komfortabel durchführen lässt.
Excel:
Die Ergebnisse schreibt man dann in ein Excelfile. Der Vorteil ist das man nachher sehr einfach mit den Werten rechnen kann - Slippage Kommissionen usw.
Ich habe einige kleine Beispiele beigelegt.
• NQ1.xls
• NQ2.xls
• DAX1.xls
Zeit:
Ich habe erst letztes Jahr einen Patern für den ES mit Hand wie hier beschrieben über 600 Tradingtage mit Nextrend überprüft und habe dafür 3 volle Tage benötigt. Im nachhinein war es aber eine der besten Investition an Zeit die ich getätigt habe.
Vorteile dieser Variante:
Der große Vorteil bei diesem „händischen" Test ist das man sehr sehr viele Charts sieht.
Obschon man sich diese Charts nicht alle genau merken kann werden Sie doch in unserem Unterbewusstsein gespeichert und tragen in Zukunft zu der Einschätzung des Marktes bei.
Man entwickelt ein sehr starkes Vertrauen in diese Strategie - wenn man sich mal Tagelang mit ihr beschäftigt und sieht das sie über eine größere Anzahl von Trades als Gewinner raus kommt. Auch erkennt man am Beispiel das Draw Downs ganz normal sind oder das man mit einem guten Trade die Verluste der letzten 3 wieder wett macht. Diese Arbeit prägt und schult das Bewusstsein und die Wahrnehmung für die wirklich wichtigen Dinge im Trading.
Beispiel: Wenn man zukünftig wieder in eine Drawdown Phase kommt dann wird man damit viel leichter fertig als wenn die Arbeit ein Computer gemacht hätte.
Man lernt gute Signale von besseren zu unterscheiden. Wenn man Tagelang über den Charts hängt wird man die ein oder andere Feinheit erkennen die es einem ermöglicht sein Setup zu verbessern oder in der Zukunft sein System erfolgreich zu overrulen.
Und es macht Spaß.
Wenn ich mit der Tradestation was backtest dann benötige ich dafür 1 oder 2 Minuten um es zu „coden" - schau mir 3 oder 4 Beispiele an um zu überprüfen ob ich auch keinen Fehler gemacht hab - sehe mir das Ergebnis an und fertig. Obschon diese Variante - wenn man eine gewisse Markterfahrung hat - sehr Vorteilhaft sein kann möchte ich einem Einsteiger doch erst mal den Fußweg empfehlen.
Immer wieder liest man von erfolgreichen Tradern die Ihre Charts immer noch mit der Hand zeichnen auch noch im Jahr 2002 und das aus gutem Grund. Sicher ist diese Variante der Wahrscheinlichkeitsüberprüfung sehr Zeitaufwendig aber diese Zeit ist sicher besser investiert als stundenlang in irgendwelchen Foren nach dem Heiligen Gral zu suchen.
Wenn man jeden Tag nur 5 Trades überprüft und am Wochenende vielleicht mal 10 dann hat man in einem Monat ein Jahr überprüft und sehr viel gelernt.
„Kein Ertrag ohne die entsprechende Investition"
Ich möchte an dieser Stelle allen Lesern der Kolumne ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen.
Wenn Euch noch Ideen für ein schönes Geschenk fehlen... Wie wäre es mit einer Patenschaft für ein Kind in Not? http://www.kindernothilfe.de
Dan
Auszug aus: http://www.enterlong.com/