Der chinesische Aktienmarkt erlebt derzeit eine Phase bemerkenswerter Stärke. Getragen wird die Rallye von Technologiewerten und einer breit angelegten Sektorrotation, die laut Wenli Zheng, Portfoliomanager der China Evolution Equity Strategy bei T. Rowe Price, auf einen "erneuten Optimismus der Anleger" hinweist.
Zheng betont, dass die Stimmung an den Märkten in China eng mit dem wirtschaftlichen Wandel des Landes verknüpft sei. "Mit jeder neuen Wachstumsphase ändern sich die Investitionstreiber – von Exporten über Infrastruktur bis hin zu Immobilien. Jetzt rücken Konsum und Technologie in den Mittelpunkt", erklärt er.
Nach Jahren des Pessimismus – ausgelöst durch den Abschwung am Immobilienmarkt und schwaches Wachstum zwischen 2022 und 2024 – kehrt allmählich Zuversicht zurück. Seit Herbst 2024 habe eine Reihe gezielter Regierungsmaßnahmen signalisiert, dass der Entschuldungszyklus sich dem Ende nähere. Das habe das Vertrauen der Anleger deutlich gestärkt, so Zheng.
Zwei entscheidende Trends im Zyklus
Chinas Wirtschaft pendelte in den letzten drei Jahrzehnten zwischen Schuldenabbau und starkem Wachstum. Jede neue Expansionsphase sei von anderen Kräften getragen worden. "Während frühere Zyklen von Exporten und Bau getrieben waren, wird das kommende Jahrzehnt von Konsum und Technologie bestimmt sein. Das Wachstum wird zwar moderater, aber dafür nachhaltiger ausfallen", prognostiziert Zheng.
Reife Sektoren ernten die Früchte
Die strukturellen Veränderungen in Chinas Wirtschaft prägen auch die Aktienmärkte. Nach Jahren dominanter Blue-Chip- und Qualitätsaktien zwischen 2016 und 2020 wechselte die Marktführerschaft mehrfach – verstärkt durch hohe Bewertungen, die Pandemie und eine schwächere Konjunktur. Heute erleben viele traditionelle Branchen eine "Erntephase", in der geringere Investitionsausgaben und stabile Cashflows die Gewinne stützen.
"Wer nur auf Nettogewinne schaut, übersieht Chancen", sagt Zheng. Die Aluminiumindustrie sei ein gutes Beispiel: Nach Jahren des Kapazitätsausbaus verzeichne sie nun starke Finanzkennzahlen und Kurssteigerungen. Ähnliche Trends seien bei LCD-Herstellern zu beobachten. Diese Unternehmen hätten sich „auch ohne politische Unterstützung als widerstandsfähig erwiesen", betont Zheng.
Gleichzeitig versucht Peking, durch seine sogenannte "Anti-Involutions"-Politik den überhitzten Wettbewerb in Branchen wie Elektrofahrzeugen, Solarenergie und Stahl zu dämpfen. Ziel sei es, Margen zu stabilisieren und die Rentabilität reifer Industrien zu sichern.
Drei Wachstumsmotoren: Konsum, Technologie und reife Industrien
Zheng sieht drei klare Schwerpunkte für Anleger: Konsum, Technologie und reife Branchen. Der Konsum bleibe einer der wichtigsten Wachstumstreiber. Starke Marken und führende Plattformunternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen hätten hier die besten Karten. "Betreiber von Einkaufszentren beispielsweise profitieren von den Konsumtrends unabhängig davon, welcher Sektor gerade im Fokus steht", erklärt Zheng.
Der zweite Motor sei die technologische Innovation. Chinas Fortschritte bei künstlicher Intelligenz, Biotechnologie und fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen (ADAS) eröffnen laut Zheng enorme Wachstumschancen. "ADAS befindet sich an einem Wendepunkt, ähnlich wie Elektrofahrzeuge vor einigen Jahren", sagt er.
Schließlich gewinnen auch reife Industrien wie Aluminium, Glasfaser und Windkraft an Attraktivität. Die verbesserte Angebots-Nachfrage-Balance könne laut Zheng "versteckten Investitionswert freisetzen".
Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg
Für Anleger bleibt Agilität entscheidend. "Chinas Markt verändert sich rasant. Wer flexibel bleibt, strukturelle Trends erkennt und über Mega-Caps hinausschaut, wird profitieren", fasst Zheng zusammen. Besonders kleine und mittelgroße Unternehmen böten enormes Potenzial, da viele von Chinas künftigen Wachstumschampions aus diesem Segment hervorgehen dürften. Beispielsweise hat der iShares MSCI China Small-Cap ETF in den vergangenen 3 Monaten bereits knapp 20 Prozent zugelegt.
Autor: sbh-Redaktion/neb