Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Am Freitag entscheiden die Aktionäre des Industriekonzerns Thyssenkrupp (ThyssenKrupp Aktie) (WKN: 750000) über einen der bedeutendsten strategischen Schritte der jüngeren Unternehmensgeschichte: Die Ausgliederung der Marinesparte TKMS (Thyssenkrupp Marine Systems). Diese soll zunächst zu 49 % an die bestehenden Anteilseigner abgegeben und zu einem späteren Zeitpunkt separat an die Börse gebracht werden.
Dieser Umbau erfolgt vor dem Hintergrund eines veränderten geopolitischen und wirtschaftlichen Umfelds. Die Verteidigungsausgaben der europäischen NATO-Staaten steigen deutlich. Maßgeblich ausgelöst durch die wiederholten Forderungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, Europa müsse mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen. Der Trend zur Aufrüstung hat in der gesamten Verteidigungsindustrie für erhebliche Wachstumsimpulse gesorgt.
Thyssenkrupp reagiert nun mit der Schaffung eines eigenständigen Players in diesem Markt. Damit positioniert sich Thyssenkrupp klar im wachsenden Segment für maritime Verteidigungstechnologie.
Der Zeitpunkt der Entscheidung ist allerdings nicht frei von Herausforderungen: Erst kürzlich hat TKMS einen milliardenschweren Großauftrag der australischen Marine verloren. Trotz eines laut Medienberichten 20 % günstigeren Angebots unterlag das Unternehmen im Wettbewerb um den Bau von elf neuen Fregatten dem japanischen Konzern Mitsubishi (Mitsubishi Aktie) Heavy Industries (ISIN: JP3905400009).
Der Auftrag hat ein Gesamtvolumen von zehn Milliarden australischen Dollar (Dollarkurs) (rund 6,1 Mrd. Euro) und wäre einer der größten Einzeldeals in der Geschichte von TKMS gewesen. Die Japaner überzeugten die australische Regierung mit technologischer Überlegenheit bei Personalbedarf und Feuerkraft, sowie mit weitreichenden sicherheitspolitischen Zugeständnissen.
Laut dem australischen Verteidigungsministerium ist dieser Rüstungsdeal der bislang größte zwischen Japan und Australien. Eine geopolitische Signalwirkung ist unübersehbar: Die Zusammenarbeit soll als Gegengewicht zum chinesischen Flottenausbau dienen und beinhaltet auch die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur beider Länder. Für Japans Verteidigungsindustrie stellt dies zudem einen historischen Durchbruch dar, da der Waffenexport bis 2014 weitgehend verboten war.
Trotz des verpassten Großauftrags ist die wirtschaftliche Lage von TKMS weiterhin robust. Der Auftragsbestand des Kieler U-Boot- und Kriegsschiffbauers lag zum Stand Ende Juli 2025 bei über 18 Milliarden Euro, was ein Anstieg um mehr als 50 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zum Vergleich: Im Geschäftsjahr 2023/24 belief sich das Auftragsbuch noch auf rund 11,7 Milliarden Euro.
Zu den laufenden Großprojekten zählen unter anderem U-Boot-Lieferungen für die Bundeswehr, die niederländische Marine sowie die norwegische Seestreitkraft. Diese Programme sorgen laut Management für eine Auslastung der Werften bis in die 2040er-Jahre und ist verbunden mit langlaufenden Zahlungsströmen und hoher Planungssicherheit.
„Die Entscheidung im australischen Fregattenprogramm hat keine Auswirkungen auf unsere wirtschaftliche Lage oder strategische Ausrichtung“, betonte ein Unternehmenssprecher. Zwar sei der Verlust bedauerlich, doch TKMS sei durch andere Projekte langfristig gesichert aufgestellt.
Im Vorfeld der virtuellen Hauptversammlung am Freitag warb Konzernchef Miguel López nachdrücklich für die geplante Abspaltung von TKMS. Der Schritt soll nicht nur mehr Transparenz und unternehmerische Eigenständigkeit ermöglichen, sondern vor allem die Kapitalbasis stärken. Ziel ist es, zusätzliche Mittel für die technologische Modernisierung und den Ausbau der internationalen Marktstellung zu generieren.
López betonte gegenüber den Aktionären: „Die Projekte von TKMS liefern über Jahre hinweg verlässliche Zahlungsströme. Für Sie als Investoren bedeutet das Kontinuität, Transparenz und ein hohes Maß an Planungssicherheit.“ Ein Börsengang der laut Analystenkreisen noch 2025 stattfinden könnte, würde zudem eine stärkere Bewertung der Marinesparte ermöglichen, die aktuell als Teilkonzern unterbewertet sein dürfte.
Die deutsche Bundesregierung hat bereits eine Grundsatzvereinbarung mit Thyssenkrupp getroffen, die sicherstellen soll, dass der Bund bei TKMS auch nach einer Börsennotierung Einfluss behält. Damit will Berlin sicherstellen, dass strategisch bedeutsame Verteidigungsgüter unter nationaler Kontrolle bleiben. Einzelheiten zu dieser Struktur wurden bislang nicht veröffentlicht.
Die Aktie von Thyssenkrupp (WKN: 750000) hat sich seit Jahresbeginn deutlich positiv entwickelt. Der Kurs hat sich seit Januar 2025 mehr als verdoppelt. Dies ist eine Reaktion auf den sprunghaften Anstieg des Auftragsvolumens bei TKMS sowie die Aussicht auf eine ertragreiche Ausgliederung.
Der kurzfristige Rückschlag durch den verlorenen Auftrag in Australien führte am Dienstag dieser Woche zwar zu einem leichten Kursrückgang von rund einem Prozent. Langfristig dürfte der strukturelle Umbau des Konzerns jedoch von Investoren positiv bewertet werden – insbesondere, wenn es gelingt, TKMS als eigenständigen Rüstungskonzern erfolgreich am Kapitalmarkt zu etablieren.
Analysten sehen in dem Schritt eine logische Fortsetzung des Konzernumbaus, den Thyssenkrupp seit Jahren vorantreibt. Frühere Verkäufe von Geschäftsteilen wie etwa die Aufzugsparte hatten bereits zur Fokussierung auf industrielle Kernbereiche geführt. Die Ausgliederung von TKMS wäre nun ein weiterer Meilenstein in dieser Entwicklung.
Die Entscheidung Australiens zugunsten Japans ist ein Beispiel für die zunehmende Vernetzung sicherheitspolitischer Interessen und wirtschaftlicher Kooperationen im asiatisch-pazifischen Raum. Für europäische Anbieter wie TKMS bedeutet dies wachsenden Wettbewerbsdruck, aber auch Chancen, insbesondere durch die gestiegene Nachfrage innerhalb der NATO.
Die europäische Sicherheitsarchitektur befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Länder wie Deutschland, Polen und die skandinavischen Staaten investieren verstärkt in maritime Verteidigungskapazitäten. TKMS steht damit im Zentrum eines Marktes, dessen strategische Relevanz in den kommenden Jahren weiter zunehmen dürfte.
Gerade vor diesem Hintergrund ist die geplante Verselbständigung von TKMS als Spezialist für U-Boote und Fregatten ein Schritt mit hoher Tragweite für Thyssenkrupp sowohl als Mutterkonzern als auch für den deutschen Rüstungsstandort insgesamt.
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