- Mercedes-Benz tritt in den Robotaxi-Markt ein.
- Erste autonome S-Klasse-Fahrzeuge starten in Abu Dhabi.
- Marktentwicklung für Robotaxis könnte 400 Milliarden Euro erreichen.
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Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Der Stuttgarter Automobilkonzern Mercedes-Benz hat am Dienstag offiziell seinen Einstieg in den Markt für Robotaxis bekannt gegeben. Erste Fahrzeuge der S-Klasse mit vollautonomer Fahrtechnologie (Level 4) sollen bereits in Abu Dhabi eingesetzt werden. Die technische Basis liefern Partnerschaften mit dem chinesischen Start-up Momenta und dem US-Chiphersteller Nvidia (Nvidia Aktie). Damit reagiert Mercedes auf strukturelle Herausforderungen in der Automobilindustrie und will sich zugleich im wachsenden Segment autonomer Mobilitätsdienste positionieren.
Mercedes-Benz hatte sich ursprünglich aus dem klassischen Taxigeschäft zurückziehen wollen und sich bei Fahrassistenzsystemen auf Level 2 und 3, also teilautonome Systeme konzentriert, bei denen der Fahrer stets bereit sein muss die Kontrolle zu übernehmen. Mit dem Einstieg in Level 4, also vollautonomes Fahren auf definierten Strecken, vollzieht der DAX-Konzern nun eine Kehrtwende. Die neue Strategie sieht den Verkauf autonomer Fahrzeuge an Flottenbetreiber vor. Dies soll zunächst in den Vereinigten Arabischen Emiraten, mittelfristig aber auch in China, den USA und Europa stattfinden.
Mercedes liefert für das Robotaxi-Programm die Fahrzeuge inklusive der nötigen Sensorik. Die Software und Systemintegration übernimmt in Asien das chinesische Start-up Momenta, das seit 2017 eine strategische Beteiligung von Mercedes hält. In westlichen Märkten arbeitet der Autobauer mit Nvidia zusammen.
Diese Arbeitsteilung soll es ermöglichen, die hohen Entwicklungs- und Produktionskosten zu teilen und gleichzeitig regional differenzierte Lösungen für komplexe rechtliche und technische Anforderungen zu schaffen. Momenta ist der erste chinesische Zulieferer, dem Mercedes den Zugang zu einer sicherheitsrelevanten Schlüsseltechnologie gewährt, was ein durchaus bemerkenswerter Schritt angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen im Tech-Sektor ist.
Laut einer aktuellen Studie von McKinsey wird der Markt für Robotaxis in der EU und den USA bis 2035 ein Volumen von bis zu 400 Milliarden Euro erreichen können. Derzeit liegt das Marktvolumen unter einer Milliarde Euro. Die Analysten rechnen mit bis zu fünf Millionen Robotaxis weltweit innerhalb der nächsten zehn Jahre. Dies ist eine massive Skalierung gegenüber aktuell weniger als 3.000 aktiven Fahrzeugen, vor allem in Pilotprojekten in den USA und China.
Mercedes-Benz kämpft derzeit mit sinkenden Absatz- und Gewinnzahlen. Angesichts einer global herausfordernden Konjunkturlage gilt die Neuausrichtung im Bereich autonomer Mobilitätslösungen als strategischer Versuch, neue Umsatzquellen zu erschließen und zugleich die technologische Führungsrolle in einem Zukunftsmarkt zu behaupten.
Im Wettbewerb mit Pionieren wie Waymo (Google/Alphabet), das derzeit über 250.000 autonome Fahrten pro Woche verzeichnet, positioniert sich Mercedes gezielt im Premiumsegment. Die eingesetzte S-Klasse soll nicht nur technische Innovation bieten, sondern auch höchsten Komfort. Eine neue Version der Limousine mit dem Betriebssystem MB.OS, das autonomes Fahren ermöglicht, wird Ende Januar 2026 vorgestellt.
Mit diesem Schritt hebt sich Mercedes bewusst vom Massenansatz der Konkurrenz ab. Während Waymo primär Fahrzeuge von Jaguar einsetzt und Tesla auf einfache technische Architekturen mit Kameras setzt, verfolgt Mercedes einen sogenannten redundanten Sensor-Ansatz: Kameras, Radar und Lidar-Sensoren arbeiten gemeinsam, um insbesondere unter schwierigen Wetterbedingungen höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten.
Mercedes war Ende 2021 der erste Hersteller, der in Deutschland eine Zulassung für Fahrten auf Level 3 erhalten hat – zunächst bei Geschwindigkeiten bis 60 km/h, seit Ende 2024 sind bis zu 95 km/h erlaubt. Bis 2030 sollen sogar bis zu 130 km/h möglich werden. Diese Technologie steht bereits in der S-Klasse und dem elektrischen EQS für Privatkunden zur Verfügung.
Die Erweiterung auf Level 4 für den Flottenbetrieb ist daher ein logischer nächster Schritt, bei dem Mercedes auf bereits vorhandene Hard- und Softwareplattformen aufbauen kann. Zugleich wird damit das margenstärkste Modell des Konzerns für eine neue Zielgruppe geöffnet: Mobilitätsdienstleister und städtische Betreiber von Premiumflotten.
Zunächst wird die autonome S-Klasse in Abu Dhabi eingesetzt. Betreiber ist der lokale Anbieter Lumo, der bereits über eine Genehmigung für autonomes Fahren verfügt. Die Region gilt aufgrund ihrer zahlungskräftigen Bevölkerung und der offenen Technologiepolitik als idealer Testmarkt für luxuriöse Mobilitätslösungen.
Im nächsten Schritt wird Mercedes das Angebot auf China und die USA ausweiten. In Städten wie Peking, Shanghai und Wuhan gibt es bereits Pilotzonen für autonomes Fahren. Mercedes ist hier gut positioniert. Als erster westlicher Hersteller erhielt das Unternehmen die Erlaubnis, Fahrten auf Level 4 in Peking durchzuführen.
In Europa hingegen gestaltet sich die Situation komplexer: Unterschiedliche Regulierungen, starke Konkurrenz durch öffentliche Verkehrsmittel und vergleichsweise hohe Eintrittsbarrieren machen eine schnelle Skalierung schwieriger. Dennoch sehen Branchenkenner Chancen – vor allem durch die hohen Taxipreise, die durch autonome Systeme gesenkt werden könnten.
Auch andere Akteure setzen verstärkt auf Robotaxis:
Waymo plant eine Expansion nach London und Tokio.
Tesla arbeitet weiter an der Vision eines vollständig autonomen Fahrzeugs ohne Lenkrad.
Nvidia plant mit Uber eine Flotte von bis zu 100.000 Fahrzeugen weltweit.
Stellantis (Opel-Mutterkonzern) liefert Fahrzeuge für diverse Mobilitätsanbieter.
Lucid Motors, ein US-Elektroautohersteller, ist ebenfalls Teil dieses Ökosystems.
In Europa drängen chinesische Anbieter wie Pony AI und Baidu (in Kooperation mit Lyft) auf den Markt. Auch Volkswagen investiert in autonome Mobilität und will den ID.Buzz als vollautonomes Fahrzeug positionieren.
Mit dem Einstieg in das Robotaxi-Geschäft betritt Mercedes-Benz ein hochdynamisches, aber auch kapitalintensives Feld. Die Kombination aus Premiumfahrzeugen, technologischer Partnerschaft und Marktdiversifikation könnte dem Konzern dabei helfen, sich gegen etablierte Akteure wie Waymo, Tesla oder Pony AI zu behaupten.
Trotz regulatorischer Hürden und hoher Investitionen zeigt sich, dass autonome Mobilität auch für traditionelle Hersteller eine strategische Option mit hohem Potenzial darstellt – insbesondere, wenn sie in Premiumsegmenten positioniert wird. Für Mercedes bedeutet dies: weniger Abhängigkeit vom klassischen Fahrzeugverkauf, neue Erlösmodelle und die Möglichkeit, technologisch auf Augenhöhe mit den globalen Innovationsführern zu agieren.
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