Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Die Société Générale, eine der führenden französischen Geschäftsbanken, kündigte am Dienstag über ihre auf digitale Vermögenswerte spezialisierte Tochtergesellschaft SG-FORGE die Emission eines öffentlich handelbaren, durch US-Dollar gedeckten Stablecoins an. Die digitale Währung trägt den Namen „USD CoinVertible“ und wird ab Juli auf den Blockchain-Plattformen Ethereum und Solana verfügbar sein.
Dieser Schritt macht Société Générale zur ersten internationalen Großbank, die einen Stablecoin mit Dollardeckung auf den Markt bringt – ein deutlicher Vorstoß institutioneller Akteure in einen bislang von technologiegetriebenen Krypto-Start-ups dominierten Sektor.
Die digitale Währung wird auf der Ethereum- und Solana-Blockchain emittiert, um eine breite Interoperabilität und technische Flexibilität zu gewährleisten. Im Gegensatz zu vielen existierenden Stablecoin-Modellen ist der USD CoinVertible vollständig MiCA-konform, das heißt, er unterliegt den neuen EU-weiten Vorschriften für Krypto-Assets, die seit 2023 in Kraft sind. Laut SG-FORGE wird der Coin als sogenannter „E-Geld-Token“ klassifiziert, womit er in der streng regulierten Kategorie digitaler Zahlungsmittel eingeordnet ist.
Im Zentrum des Geschäftsmodells steht – wie bei anderen Stablecoin-Emittenten auch – die Hinterlegung von USD-Reserven, denen jeweils ein Token gegenübersteht. Die dabei eingesammelten Gelder werden zunächst in einem Bargeldkonto bei der renommierten Bank of New York Mellon (BNY Mellon) verwahrt. Künftig ist eine teilweise Umstrukturierung dieser Reserven in renditeträchtige Vermögenswerte wie kurzlaufende US-Staatsanleihen geplant, um die Kapitalrendite zu optimieren.
Laut Jean-Marc Stenger, dem CEO von SG-FORGE, besteht insbesondere bei Finanzinstituten, Unternehmen und Kryptobörsen ein signifikanter Bedarf an einem stark regulierten und bankenunterstützten Stablecoin. „Der Markt verlangt nach einer robusten, verlässlichen Lösung für Krypto-Zahlungen und Tokenisierung und wir sehen uns in der Position, genau das zu liefern“, sagte Stenger.
Ein erster Markttest mit einem Euro-Stablecoin im Jahr 2023 zeigte jedoch nur begrenzte Marktdurchdringung: Der Euro CoinVertible verzeichnete laut Website ein Gesamtvolumen von lediglich 41,8 Millionen Euro. Dies unterstreicht, wie entscheidend die Währungskonvertibilität und globale Nachfrage für den Erfolg eines Stablecoins sind und warum der Schritt zur Dollarbindung nun erfolgt.
SG-FORGE sieht den Einsatz des Tokens in verschiedenen Anwendungsfeldern:
Kryptohandel
Internationale Zahlungsabwicklung
Devisentransaktionen
Collateral-Management und Cash-Lösungen
Mehr als 15 Kryptobörsen und Broker haben sich laut SG-FORGE bereits als Partner verpflichtet. Konkrete Namen wurden bislang jedoch nicht genannt.
Der Stablecoin-Markt wird derzeit maßgeblich durch zwei Anbieter dominiert:
Tether (USDT), mit einer Marktkapitalisierung von über 155 Milliarden US-Dollar, ist der unangefochtene Branchenführer. Das Unternehmen investiert seine Reserven schwerpunktmäßig in US-Staatsanleihen und zählt laut CEO zu den sieben größten Haltern von US-Schuldtiteln im Jahr 2024.
Circle (USDC), der zweitgrößte Anbieter, ging am 5. Juni 2025 an die Börse und verzeichnete am ersten Handelstag ein Plus von 48 %, was auf das wiedererstarkte Investoreninteresse am Krypto-Sektor schließen lässt.
Beide Unternehmen verfügen derzeit nicht über eine MiCA-Lizenz, was Société Générale einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im europäischen Raum verschafft.
In den USA stehen derzeit legislative Entwicklungen bevor: Der US-Kongress arbeitet aktiv an einem Gesetz zur regulatorischen Einfassung von Stablecoins. Parallel dazu äußerten sich auch große Banken wie Bank of America, künftig eigene Stablecoins einführen zu wollen. Es zeichnet sich ab, dass der Dollar-Stablecoin als modernes Finanzinstrument zunehmend in das traditionelle Bankwesen integriert wird.
Diese Dynamik wird durch geopolitische Veränderungen verstärkt: Unter der aktuellen US-Regierung (Stand Juni 2025), die im Gegensatz zur Biden-Administration eine eher unternehmensfreundliche Krypto-Politik verfolgt, wird die Regulierung gelockert, wodurch Marktchancen für Anbieter wie Bullish oder Gemini entstehen (siehe unten).
Parallel zur Stablecoin-Offensive europäischer Banken kündigte die von Peter Thiel unterstützte Kryptobörse Bullish einen erneuten Börsengang in den USA an. Laut einem Bericht der Financial Times wurden in den vergangenen Wochen vertrauliche Unterlagen bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht. Das Unternehmen hatte bereits 2021 versucht, über eine SPAC-Fusion an die Börse zu gehen. Dieses Vorhaben scheiterte damals an regulatorischen Hürden und einem abrupten Zinsanstieg.
Unter der jetzigen US-Regierung hat sich das Umfeld deutlich verändert. Die SEC zeigt sich kooperativer, mehrere laufende Untersuchungen wurden eingestellt. Unternehmen wie Gemini haben ebenfalls kürzlich vertrauliche IPO-Anmeldungen eingereicht. Der Bitcoin-Kurs notiert derzeit bei rund 109.500 US-Dollar, was die wieder erstarkte Marktdynamik unterstreicht.
Bullish beschäftigt über 275 Mitarbeitende und betreibt Niederlassungen in den USA, Hongkong, Singapur, Gibraltar und auf den Kaimaninseln. Im vergangenen Jahr erwarb das Unternehmen das Krypto-Medienportal Coindesk, was auf eine strategische Erweiterung in Richtung Informations- und Meinungsführerschaft im Krypto-Sektor schließen lassen könnte.
Mit dem Schritt von Société Générale, einen MiCA-regulierten Dollar-Stablecoin zu emittieren, wird die Schnittstelle zwischen traditionellem Bankwesen und Blockchain-basierten Zahlungssystemen konkreter denn je ausgestaltet. Während die regulatorische Klarheit innerhalb der EU durch MiCA zunimmt, bleibt das globale Wettbewerbsumfeld durch private Anbieter wie Tether, Circle oder aufstrebende Börsen wie Bullish hochdynamisch.
Der Vorstoß der Société Générale markiert damit nicht nur einen strategischen Meilenstein, sondern auch eine Zäsur für die Adaption von Blockchain-Infrastruktur im institutionellen Zahlungsverkehr. Sollte sich die Nachfrage wie prognostiziert entwickeln, könnten weitere Großbanken dem Beispiel folgen. All das begleitet von einem regulatorischen Wettlauf zwischen USA, EU und Asien um die Standards der digitalen Zahlungszukunft.
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