Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé steht zur Jahresmitte 2025 unter wachsendem Druck: Trotz eines leicht über den Erwartungen liegenden organischen Umsatzwachstums von 2,9 % musste der Konzern einen Umsatzrückgang von 1,8 % auf 44,2 Milliarden Schweizer Franken hinnehmen. Wesentliche Belastungsfaktoren sind die gestiegenen Kosten für Rohstoffe insbesondere bei Kakao und Kaffee, sowie neue Zölle und ein starker Schweizer Franken, die sich negativ auf die Marge und Wettbewerbsfähigkeit auswirken.
Nestlé-CEO Laurent Freixe, der im September 2024 das Steuer übernommen hatte, kündigte mögliche weitere Preisanpassungen in der zweiten Jahreshälfte an. Bereits im ersten Halbjahr hatte der Konzern Preiserhöhungen von durchschnittlich 2,7 % umgesetzt, was leicht über den Markterwartungen lag. Diese Maßnahmen reichten allerdings nicht aus, um die Gewinnentwicklung zu stabilisieren: Der Reingewinn sank um 10,3 % auf 5,07 Milliarden Franken, und die operative Marge (UTOP) fiel um 90 Basispunkte auf 16,5 %.
Besonders stark betroffen sind zwei zentrale Rohstoffe im Nestlé-Portfolio: Arabica-Kaffee hat sich seit Anfang 2023 mehr als verdoppelt, während sich die Kakaopreise mehr als verdreifacht haben. Diese Preissteigerungen treiben die Produktionskosten von Produkten wie Nespresso-Kapseln und KitKat-Riegeln in die Höhe.
CEO Freixe kommentierte dazu:
„Wir stehen vor einem noch nie dagewesenen Szenario, in dem zwei unserer wichtigsten Rohstoffe historische Höchststände erreicht haben. Als Branchenführer mussten wir schnell reagieren.“
Die Wirkung der bisherigen Preisanpassungen wird sich laut Nestlé in den kommenden Quartalen noch stärker niederschlagen. Dennoch ist laut Finanzvorständin Anna Manz mit einem weiteren Rückgang der operativen Marge im zweiten Halbjahr zu rechnen. Währungseinflüsse, Zollbelastungen und zusätzliche Rohstoffkosten sollen die Erträge weiter belasten.
Zwar konnte Nestlé das organische Wachstum leicht über den Analystenerwartungen von 2,8 % halten, doch das reale interne Wachstum (RIG) – also das Mengenwachstum unabhängig von Preisveränderungen – fiel mit 0,2 % deutlich unter die prognostizierten 0,4 %. Im zweiten Quartal lag der Wert sogar bei -0,3 %, was laut Barclays-Analysten als „negative Überraschung“ zu werten sei.
Besonders schwach entwickelte sich das China-Geschäft, wo der Umsatz organisch um 4,2 % zurückging. Als Reaktion darauf wurde bereits das lokale Management ausgetauscht, weitere Maßnahmen zur Reorganisation wurden angekündigt. Freixe sieht hier einen mittelfristigen Sanierungsbedarf:
„Wir rechnen mit bis zu einem Jahr, um zu nachhaltigem Wachstum zurückzukehren.“
Ein zentrales Element der Neuausrichtung betrifft das Geschäft mit Vitaminen, Mineralstoffen und Nahrungsergänzungsmitteln (VMS), das Freixes Vorgänger Mark Schneider im Jahr 2021 für rund 5,8 Milliarden US-Dollar akquiriert hatte. Der Umsatz dieses Bereichs lag im ersten Halbjahr bei rund 1 Milliarde Franken. Die Performance blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück: Das reale interne Wachstum lag in diesem Bereich bei -0,8 %. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich der Konzern auch weiterhin auf dieses wachsende Segment konzentrieren wird.
Nestlé hat nun eine strategische Überprüfung der leistungsschwachen US-Marken wie Nature’s Bounty, Osteo Bi-Flex, Puritan’s Pride und diverser Handelsmarken eingeleitet. Eine Veräußerung dieser Marken ab 2026 sei möglich. Freixe kündigte an, sich künftig auf margenstärkere, globale Premium-Marken im Bereich Gesundheit und Ernährung zu konzentrieren. Themen wie gesunde Alterung, Gewichtsmanagement und Frauengesundheit sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
Trotz dieser Einschnitte bleibt Nestlé dem Geschäft mit medizinischer Ernährung verpflichtet. Die Sparte Nestlé Health Science erzielte im ersten Halbjahr einen Umsatz von 3,2 Milliarden Franken was rund 16 % des Konzernumsatzes darstellt.
Um das Unternehmen zu straffen und auf profitables Wachstum auszurichten, verfolgt CEO Freixe die Strategie „Weniger, größer, besser“. Nestlé konzentriert sich dabei auf sechs sogenannte „große Wetten“:
Säuglingsnahrung 9
Nescafé Espresso Concentrate
Maggi Airfryer-Produktreihe
Chocobakery
Gourmet-Katzenfutter (Purina)
Nescafé Dolce Gusto Neo
Diese Kernbereiche sollen das zukünftige Wachstum tragen, während weniger rentable Produktlinien und Regionen wie das VMS-Massengeschäft und schwache China-Aktivitäten restrukturiert oder abgestoßen werden.
An der Börse reagierten Investoren verhalten bis negativ auf die Quartalszahlen: Die Nestlé-Aktie verlor bis zum späten Vormittag des Berichtsstags (24. Juli 2025) rund 5,5 % auf 73,51 Franken. Damit liegt der Kurs nun wieder unter dem Jahresanfangsniveau. Zum Vergleich: Anfang 2022 notierte die Aktie noch bei knapp 130 Franken. Die Konkurrenten Unilever und Danone (Danone Aktie) konnten im gleichen Zeitraum deutlich stärker zulegen.
Trotz aller Herausforderungen hält der Konzern an seiner Prognose für das Gesamtjahr 2025 fest. Das organische Umsatzwachstum soll über den 2,2 % des Vorjahres liegen, die bereinigte operative Marge mindestens 16 % betragen. CEO Freixe betonte:
„Wir ergreifen heute die richtigen Maßnahmen, um unsere Wachstumsambitionen für die Zukunft zu stärken. Unser mittelfristiger Ausblick bleibt bestehen, auch wenn wir die erhöhten makroökonomischen Risiken anerkennen.“
Nestlé steht zur Mitte des Geschäftsjahres 2025 vor erheblichen strukturellen und operativen Herausforderungen. Der Margenverfall durch Rohstoffpreise, Zölle und Währungseinflüsse zwingt den Konzern zu einer konsequenten strategischen Neuausrichtung. Erste Maßnahmen wie die Fokussierung auf margenstarke Premiumprodukte und die Überprüfung defizitärer Geschäftsbereiche sind eingeleitet. Ob sich der Konzern in einem zunehmend preisbewussten Konsumumfeld behaupten kann, wird sich in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Derzeit steht der Titel bei einer Mehrheit der Analysten auf Hold.
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