Der dänische Logistikkonzern DSV hat sich im Übernahmeprozess von DB Schenker durchgesetzt und bietet der Deutschen Bahn für 100 Prozent der Anteile rund 14 Milliarden Euro. Damit konnte sich DSV gegen den letzten verbliebenen Konkurrenten, den Finanzinvestor CVC, durchsetzen. Laut Insidern wurde bereits ein rechtlich bindendes Angebot unterbreitet, das nur noch der Zustimmung des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn bedarf.
Mit der Übernahme von DB Schenker verfolgt DSV das Ziel, seine Position auf dem globalen Logistikmarkt weiter zu stärken. DSV gehört bereits zu den größten Logistikunternehmen der Welt und ist in den Bereichen Straßen-, See- und Luftfracht sowie in der Lagerlogistik tätig. Im Jahr 2023 erzielte DSV einen Jahresumsatz von rund 29 Milliarden Euro und betreibt weltweit über 2.000 Niederlassungen in mehr als 80 Ländern. Mit der Übernahme von Schenker könnte DSV seine Marktmacht in Europa erheblich ausbauen.
In einem vertraulichen Papier, das dem Handelsblatt vorliegt, erklärt DSV, wie es nach der Übernahme von Schenker vorgehen möchte. Geplant sind Investitionen in Höhe von rund einer Milliarde Euro innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre. Damit will DSV Schenkers Kapazitäten und Technologie erweitern. Die Deutsche Bahn selbst hätte in diesem Zeitraum lediglich 500 Millionen Euro investiert, was auf die angespannte finanzielle Lage des Konzerns zurückzuführen ist.
Mit diesen Investitionen verfolgt DSV das Ziel, DB Schenker zu einem führenden europäischen Logistikchampion zu formen. Besonders im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung möchte DSV Schenker weiter voranbringen. DSV ist bekannt dafür, stark in moderne Technologien zu investieren, um Prozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern. In den letzten Jahren hat DSV etwa in neue IT-Systeme und digitale Plattformen investiert, die die Nachverfolgung und das Management von Lieferketten deutlich verbessern.
Die Deutsche Bahn kämpft seit Jahren mit finanziellen Engpässen, die insbesondere das Kerngeschäft auf der Schiene betreffen. Vor über zwei Jahren beschloss der Bund, den Verkauf von DB Schenker anzustoßen, um dringend benötigte Mittel für Investitionen in das Schienennetz freizusetzen. Die Einnahmen aus dem Verkauf sollen dazu beitragen, den Schuldenberg der Deutschen Bahn, der derzeit bei rund 30 Milliarden Euro liegt, zu reduzieren.
Ohne DB Schenker hätte die Bilanz der Deutschen Bahn in den letzten Jahren schlechter ausgesehen, denn das Logistikgeschäft erwirtschaftete höhere Gewinne als der Schienenverkehr. Dennoch entschied man sich für den Verkauf, da die Fokussierung auf das Kerngeschäft „Schiene“ langfristig als sinnvoller betrachtet wird.
DSV wurde 1976 in Dänemark gegründet und hat sich seitdem zu einem der führenden globalen Logistikdienstleister entwickelt. Das Unternehmen ist in drei Hauptgeschäftsbereichen tätig: DSV Road, DSV Air & Sea und DSV Solutions. DSV Road ist einer der größten Anbieter von Straßentransportlösungen in Europa und verfügt über ein starkes Netzwerk von Spediteuren. DSV Air & Sea ist in der internationalen Luft- und Seefracht tätig und zählt hier zu den größten Anbietern weltweit. DSV Solutions konzentriert sich auf Lagerhaltung und Kontraktlogistik und betreibt zahlreiche moderne Lagerhäuser, die für Kunden aus verschiedenen Branchen maßgeschneiderte Lösungen anbieten.
Ein wichtiger Meilenstein für DSV war die Übernahme des Schweizer Logistikunternehmens Panalpina im Jahr 2019 für rund 4,6 Milliarden Euro. Dieser Kauf stärkte DSVs Präsenz im internationalen Luft- und Seefrachtgeschäft erheblich und ermöglichte es dem Unternehmen, seine Marktanteile weltweit auszubauen. Mit dem Kauf von DB Schenker wird DSV seine führende Stellung in Europa weiter festigen und seine globale Reichweite weiter ausbauen.
Die Gewerkschaft Verdi favorisierte hingegen den Finanzinvestor CVC als Käufer, obwohl dieser oft für radikale Kostensenkungsprogramme bekannt ist. Laut Verdi könnten bei einer Übernahme durch DSV rund 5.300 Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet sein. CVC versprach hingegen, weniger drastische Maßnahmen zu ergreifen, was der Gewerkschaft besser erschien. Auch wenn CVC die Europazentrale von DB Schenker möglicherweise schließen würde, erwartet Verdi dort einen geringeren Arbeitsplatzabbau.
DSV beschäftigt bereits mehrere Tausend Mitarbeiter in Deutschland und plant nach eigenen Angaben keine drastischen Maßnahmen, doch das Misstrauen seitens der Arbeitnehmervertreter bleibt groß.
Ein weiterer Aspekt, der in den Übernahmegesprächen zur Sprache kam, war die Möglichkeit einer Rückbeteiligung des Staates. Dies wurde von der Deutschen Bahn jedoch als unwirtschaftlich abgelehnt. Ursprünglich schlug CVC vor, nur 75,1 Prozent der Anteile zu übernehmen und den Rest beim Bund zu belassen. Diese Idee scheiterte jedoch an den finanziellen und organisatorischen Nachteilen, die eine solche Struktur mit sich bringen würde.
DB Schenker ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte der Deutschen Bahn, sondern auch ein Ergebnis der strategischen Expansion des ehemaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn. Im Jahr 2002 erwarb die Deutsche Bahn die LKW-Spedition, die ursprünglich aus dem Kerngeschäft „Schiene“ ausgegliedert wurde. Mehdorns Ziel war es, aus der Bahn einen international agierenden Logistiker zu formen, der in mehreren Verkehrsträgern tätig ist – Straße, Schiene, Luft und See. Die Expansion sollte auch die Grundlage für einen möglichen Börsengang des Konzerns bilden.
Mittlerweile zählt DB Schenker zu den größten Logistikunternehmen der Welt, doch diese Diversifizierung stand in den letzten Jahren immer wieder in der Kritik, da sie von den eigentlichen Zielen der Deutschen Bahn – nämlich dem Schienenverkehr – ablenke.
DSV legt seit Jahren großen Wert auf Nachhaltigkeit und Effizienz in der Logistik. Das Unternehmen investiert kontinuierlich in umweltfreundliche Technologien, um seinen CO2-Ausstoß zu verringern und die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dies umfasst den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr, die Optimierung von Routen sowie den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien in den Lagerhäusern. Durch die Integration von DB Schenker könnte DSV von deren internationalen Netzwerk und Expertise profitieren, um diese Initiativen weiter voranzutreiben.
Die Übernahme von DB Schenker durch DSV markiert den Beginn einer neuen Ära für das Logistikunternehmen. Während DSV auf Expansion und Investitionen setzt, stellt sich die Frage, wie der Übergang für die 70.000 Beschäftigten von DB Schenker gestaltet wird. Auch wenn DSV eine langfristige Investitionsstrategie verfolgt, bleibt die Unsicherheit über den künftigen Arbeitsplatzabbau bestehen. Für die Deutsche Bahn ist der Verkauf ein wichtiger Schritt, um die Schuldenlast zu verringern und den Fokus wieder stärker auf das Kerngeschäft zu richten.
Die kommenden Monate werden zeigen, wie schnell DSV die Übernahme vollziehen und welche Auswirkungen dies auf die Logistikbranche in Europa haben wird.
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