Start eines Space Shuttle (Symbolbild).
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Nicolas Fuchs Nicolas Fuchs
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Nicolas ist seit 2016 Redakteur bei ARIVA.DE. Seine Expertise in der technischen Analyse und sein Engagement für genaue Prognosen machen ihn zu einer wertvollen Ressource für die Community, die auf aussagekräftige News angewiesen ist.

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Geheimplan der Bundeswehr: Wie die Bundeswehr und Polaris die Rüstungsindustrie ins All bringen wollen

Mit dem Start-up Polaris und einem innovativen Raumflugzeug plant die Bundeswehr eine neue Dimension militärischer Einsatzfähigkeit im All. Trotz bahnbrechender Technologie bleiben Experten skeptisch.
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Die neue Weltraumarchitektur der Bundeswehr: Polaris als Schlüsselfirma für Deutschlands strategische Unabhängigkeit

Im Schatten der globalen Großmächte rüstet Deutschland im All technologisch, strategisch und geopolitisch auf. Die Bundeswehr plant bis 2030 eine militärische Weltraumarchitektur im Umfang von 35 Milliarden Euro aufzubauen. Zentraler Bestandteil dieses Programms: ein Raumflugzeug, das ohne ausländische Hilfe entwickelt werden soll. Den Auftrag dafür erhält nicht Airbus oder ein anderer etablierter Rüstungskonzern, sondern das Bremer Start-up Polaris Raumflugzeuge GmbH. Dies ist ein mutiger Schritt in Richtung technologischer Eigenständigkeit.

„Ein Raumflugzeug ist keine Science-Fiction mehr“, betont Verteidigungsminister Boris Pistorius auf einer sicherheitspolitischen Fachkonferenz. Der Start soll nicht wie bei herkömmlichen Raketen vertikal erfolgen, sondern horizontal von normalen Startbahnen vergleichbar mit einem Flugzeug. Mit an Bord: Technologien, die Deutschland wieder auf Augenhöhe mit den USA und China bringen sollen.

Strategisches Ziel: Autonomie im Orbit

Laut Generalmajor Michael Traut, Leiter des Bundeswehr-Weltraumkommandos, gehe es um mehr als Prestige. Die Bundeswehr will in den sogenannten „High Altitude Operations“-Raum vordringen – einen bisher kaum genutzten Bereich zwischen 20 und 180 Kilometern Höhe. In dieser Zone ist bemannter Flugverkehr wegen des geringen Luftdrucks nahezu unmöglich. Wer hier operieren kann, erhält eine strategische Überlegenheit bei Aufklärung, Kommunikation und potenziell auch Verteidigung.

Der Vorteil liegt auf der Hand: In dieser Höhe beginnt nach internationalem Recht ab etwa 100 Kilometern der Weltraum. Ein dort fliegendes Raumflugzeug wäre somit praktisch immun gegen Luftraumverletzungsklagen. „Sie könnten in dieser Höhe über Russland fliegen und keiner dürfte Sie abschießen“, sagt Generalmajor Traut.

Polaris: Von der Garagenfirma zum Schlüsselpartner der Verteidigung

Die Geschichte des Unternehmens Polaris ist unkonventionell: Gegründet 2019 von Alexander Kopp – ehemals Forscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – mit 9.000 Euro Startkapital von Familienmitgliedern. Kopp arbeitete zuvor an Konzepten für Hyperschallflugzeuge und schrieb seine Promotion über aerothermodynamische Eigenschaften solcher Systeme. Lange Zeit bestand Polaris nur aus Kopp selbst mit einem Büro, für das kaum Miete gezahlt werden konnte.

Der Wendepunkt kam 2021 mit ersten Studienaufträgen der Bundeswehr. Parallel dazu wurde der Luftfahrtinvestor Matthias Spott, bekannt als einer der Vordenker der deutschen New-Space-Szene, auf Polaris aufmerksam. Die Kombination aus technologischem Know-how und effizienter Umsetzung überzeugte.

Heute beschäftigt Polaris rund 60 Mitarbeiter, plant erste Serienfertigungen ab 2026 und will 2028 ein Raumflugzeug präsentieren, das Satelliten in den Orbit bringen kann. Perspektivisch soll sogar ein 60 Meter langes „Heavy Orbital Spaceplane“ entwickelt werden, das 500 Tonnen Nutzlast transportieren kann, Raumstationen und kommerzielle Fabriken inklusive. Eine Vision, die Polaris zur „Airline für den Weltraum“ werden lassen könnte.

Der technologische Durchbruch: Aerospike-Triebwerk

Zentraler Meilenstein für Polaris ist der erfolgreiche Test eines Aerospike-Triebwerks. Diese Technologie galt lange als theoretisch überlegen, scheiterte jedoch immer wieder an technischen Hürden, insbesondere beim thermischen Management. Polaris gelang es durch neuartige Materiallegierungen und 3D-Metalldruck eine filigrane Kühlstruktur zu erzeugen, mit der die Überhitzungsprobleme in den Griff bekommen wurden.

Der Vorteil des Aerospike-Designs: Der Schub bleibt auch bei steigender Flughöhe konstant effizient, da sich der Abgasstrahl automatisch dem Außendruck anpasst. Im Gegensatz zu herkömmlichen Glockendüsen verspricht dies eine höhere Effizienz in unterschiedlichen Höhenlagen. Das ist ein entscheidender Faktor für den Betrieb in der schwer erreichbaren High-Altitude-Zone.

Bislang absolvierte Polaris über 200 Flüge mit verschiedenen Demonstratoren. Getestet wird überwiegend auf dem ehemaligen Militärflugplatz Peenemünde auf Usedom.

Kritische Stimmen: Machbarkeit und Effizienz unter der Lupe

Trotz der Erfolge bleiben namhafte Experten vorsichtig. Ulrich Walter, ehemaliger Professor für Raumfahrttechnik an der TU München, äußert Zweifel: „Das in den Griff zu kriegen, übersteigt die Fähigkeiten einer kleinen Firma wie Polaris.“ Hauptkritikpunkt ist die einheitliche Antriebsstufe des Raumflugzeugs, im Gegensatz zu herkömmlichen Raketen, die mehrere Stufen mit angepasster Schubkraft nutzen.

Auch wirtschaftlich sei der Betrieb solcher Raumflugzeuge bisher nicht überzeugend dargestellt worden. Die hohen technischen Anforderungen insbesondere bei Material, Kühlung und Stabilität in Hyperschallgeschwindigkeit, stellen selbst etablierte Raumfahrtunternehmen vor große Herausforderungen.

Doch Polaris will nicht allein operieren. In Kooperation mit Diehl Defence arbeitet man an der Integration moderner Luft-Luft-Raketen, was das Raumflugzeug zu einem potenziellen Verteidigungssystem machen könnte. Diese Fähigkeit, sowohl Aufklärung als auch Verteidigung zu kombinieren, macht das Projekt für die Bundeswehr strategisch interessant.

Globale Dynamik: Boom im Raumfahrtsektor

Der Polaris-Fall steht exemplarisch für eine breiter werdende Entwicklung. Laut einem aktuellen Bericht der Investmentfirma Seraphim Space erreichten die weltweiten Investitionen in die Raumfahrt im dritten Quartal 2025 ein Allzeithoch von 3,5 Milliarden US-Dollar – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum.

Der Trend: Weg von der Dominanz weniger Player wie SpaceX oder OneWeb, hin zu einer diversifizierten Start-up-Landschaft. Neben den USA sind auch europäische und chinesische Anbieter zunehmend aktiv. In China etwa sammelte Galactic Energy zuletzt 336 Millionen US-Dollar ein. Ein Rekord für ein privates Raumfahrtunternehmen in Fernost.

Auch in Deutschland steigt das Interesse an sogenannten „Dual-Use“-Technologien, die sowohl zivile als auch militärische Anwendungen ermöglichen. Projekte wie das Raumflugzeug von Polaris könnten in diesem Kontext künftig auch kommerzielle Anwendungen im Satelliten- oder Logistikbereich bedienen.

Ausblick: Raumfahrt als strategisches Fundament

Ob Polaris tatsächlich das „fast Unmögliche“ realisiert, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Die Bundeswehr verfolgt mit dem Raumflugzeug ein klares Ziel: Operative Eigenständigkeit im All und technologische Unabhängigkeit von den USA. Damit ist das Projekt nicht nur ein technologischer, sondern auch ein politischer Meilenstein.

Für die deutsche Industrie könnte das Raumflugzeug den Weg ebnen, um in einem reifenden Marktsegment Fuß zu fassen, das nach Einschätzung von Analysten noch bis mindestens 2026 weiter wächst. Verteidigungsbudgets steigen, der kommerzielle Raumfahrtmarkt boomt, und die Nachfrage nach wiederverwendbaren, flexiblen Raumfahrzeugen nimmt weltweit zu.

Für Polaris bedeutet das: Jetzt ist die Gelegenheit da, auch wenn der Weg technisch komplex bleibt und finanziell herausfordernd ist. Für Deutschland ist es eine Wette auf die Zukunft mit der Aussicht, das militärische und wirtschaftliche Spiel im Orbit aktiv mitzugestalten.


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