Zweite Chance für Bush

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Zweite Chance für Bush

 
17.09.01 03:10
Zweite Chance für Bush

Von Yvonne Esterhazy, Washington

Die grausamen Anschläge in Amerika sind zugleich eine große Chance für den US-Präsident zum Neuanfang. Erst schien er die Gelegenheit hilflos zu verspielen - jetzt kriegt er doch noch die Kurve.


"USA, USA", skandierten die erschöpften Feuerwehrleute. US-Präsident George W. Bush stand mitten unter ihnen, den Arm um die Schultern eines Mannes gelegt. "Ich kann Euch hören, die restliche Welt kann Euch hören, und die Leute, die dieses Gebäude zerstört haben werden bald von uns allen hören", rief er in ein Megafon. Er stand an dem Ort, den die Amerikaner jetzt "Ground Zero", den Nullpunkt, nennen - da wo sich im Herzen von New York kürzlich noch die Zwillingstürme des World Trade Center (WTC) in die Luft reckten und heute monumentale Schuttberge auftürmen.

Bushs Auftritt kam an - und er könnte zum Wendepunkt in der schwierigsten Woche seiner Präsidentschaft werden. Die Anschläge auf das WTC und Pentagon bieten dem US-Staatsoberhaupt bei aller Grausamkeit zugleich die Chance auf einen Neuanfang. Die wusste der mächtigste Amerikaner zunächst in keinster Weise zu nutzen - seit dem Wochenende scheint sich das nun zu ändern.

Erst gehemmt und lethargisch


Bush, im offenen Hemd und Windjacke traf in New York den richtigen Ton, fand die richtige Mischung aus Mitgefühl und Entschlossenheit. Die amerikanische Nation, die danach lechzt, von ihrem Präsidenten in dieser historischen Krise geführt, geeint und getröstet zu werden, erlebt nun einen transformierten George W. Bush. Der ist im Grunde ein Typ, der sich in einem informellen Rahmen - etwa auf seiner Ranch in Texas - am wohlsten fühlt und den Führungsstil eines Vorstandsvorsitzenden favorisiert, der viel delegiert. Emotionen zeigte Bush bisher in der Öffentlichkeit kaum und anders als Vorgänger Clinton wirkt er zum Leidwesen seiner Berater bei offiziellen Fernsehauftritten oft gehemmt und wenig überzeugend.

Hilflos klingende Statements


Auch am letzten Dienstag, dem Tag der verheerenden Terroranschläge gab Bush zunächst eine schwache Figur ab. Kurz nachdem er von den Attacken gehört hatte, drohte er flapsig: "Wir werden sie schon kriegen, diese Burschen." Stunden später meldete er sich - da er sich aus Sicherheitsgründen nicht zurück nach Washington traute - von einem Luftwaffenstützpunkt aus Louisiana, dann von einem Bunker in Nebraska, wo er jeweils kurze und hilflos klingende Statements vom Teleprompter ablas.


Als Bush - endlich in Washington angekommen - sich dann abends umrahmt von den Insignien der Macht aus dem Oval Office ans Volk wandte, enttäuschte er viele erneut. Die Berater warfen unverzüglich die PR-Maschine an und sorgten dafür, dass Bush künftig ständig im Fernsehen zu sehen war. Hastig arrangierten sie in den folgenden Tagen Besuche bei Terror-Opfern im Krankenhaus und beim halbzerstörten Pentagon. Parallel dazu häuften sich die zunehmend martialisch klingenden öffentlichen Äußerungen des Präsidenten. Er kehrte den entschlossenen Oberbefehlshaber hervor, der die Nation auf einen Krieg vorbereitet - aber auch Mitleid mit den Opfern und ihren Angehörigen zeigt.

Positive Umfrageergebnisse


Nicht nur Thomas Mann von der Denkfabrik Brookings meint, nach schlechtem Start habe der Republikaner im Verlauf der Woche an Profil gewonnen. "Bush hat sich gut geschlagen und das Richtige gesagt", lobt später sogar Tony Blinken, unter dem Demokraten Clinton im Nationalen Sicherheitsrat für Europa zuständig. "Ich bin beeindruckt", attestierte ihm gar der Fraktionsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt. Umfragen zeigen, dass 64 Prozent der Bevölkerung dem außenpolitisch unbedarften Bush plötzlich zutrauen, die Krise zu bewältigen.


Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass das außenpolitisch erfahrene Team von Außenminister Colin Powell, Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den angekündigten "Krieg gegen den Terrorismus" systematisch vorbereitet und versucht, eine internationale Koalition zu schmieden, die den angekündigten Vergeltungsschlag unterstützen soll.


Bush junior findet zunehmend Geschmack an seiner neuen Rolle als Kriegspräsident: "Die Nation muss verstehen, dass dies nun der Fokus meiner Regierung ist." Er begreift nun, dass die Krise für ihn und seine Präsidentschaft eine Chance für einen Neubeginn darstellt. Vielleicht gelingt es ihm nun wie Clinton, dessen Ansehen nach dem Terroranschlag in Oklahoma-City kräftig zulegte, seiner Präsidentschaft neue Impulse zu geben. Eine Umfrage der "Washington Post" zeigt plötzlich Zustimmungsraten von 86 Prozent für den Republikaner, der bei den Wahlen im letzten Jahr landesweit die Mehrheit verfehlte.

Demokraten winken alles durch


Seine neue Popularität ist allerdings nur zum Teil sein persönliches Verdienst. Bei externen Bedrohungen steht das US-Volk und die politische Opposition traditionell zum Präsidenten. Eine Welle des Patriotismus hat inzwischen das ganze Land erfasst, überall flattern Flaggen mit dem Sternenbanner, selbst kritische Intellektuelle scheuen plötzlich vor öffentlicher Kritik an Präsident Bush zurück. Innenpolitisch haben sich die Parameter bereits zu seinen Gunsten verändert. Die Demokraten wollen nicht als diejenigen erscheinen, die dem Präsidenten in dieser schwierigen Lage in den Rücken fallen. Erstes Resultat: John Negroponte, Bushs umstrittener Kandidat für den UN-Botschafterposten wurde soeben problemlos vom Senat bestätigt. Auch der Widerstand gegen das umstrittene Raketenschild und die von Bush gewünschte Handelsvollmacht für den zügigen Abschluss künftiger Freihandelsverträge nimmt bereits ab. Ausbleiben dürften ferner die erwarteten Kämpfe um die Verwendung des Überschusses aus der Rentenkasse. Da sich das Land offiziell im Kriegszustand befindet, steht auch der Rententopf zur Disposition. Für Bushs Präsidentschaft haben die Terroranschläge insofern befreiend gewirkt.


Das könnte sich aber auch schnell wieder ändern - je nachdem wie der Konflikt sich nun entwickelt. Im Moment befürworten rund zwei Drittel der Amerikaner einen militärischen Vergeltungsschlag. Groß ist die Bereitschaft, Opfer auch unter US-Soldaten in Kauf zu nehmen. "Jeder weiß, dass dies kein antiseptischer Vorgang wird", sagt Thomas Mann. "Einen zehnjährigen Krieg in den Bergen von Afghanistan werden die US-Bürger aber nicht in Kauf nehmen."

"FTD"


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