Euro-Indikator:
Von Christian Schütte, Berlin
Vor allem die drastische Verschlechterung der Aussichten für die Industrie hat die Euro-Wirtschaft an den Rand einer Rezession gebracht. Das zeigt die Detailauswertung des FTD-Euro-Wachstumsindikators im November.
Die Institute der Euroframe-Gruppe, die den Indikator für die Zeitungen der Financial-Times-Gruppe ermitteln, rechnen inzwischen damit, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Euro-Zone im laufenden vierten Quartal nur noch um 0,5 Prozent höher sein wird als ein Jahr zuvor. Das geringe Plus im Jahresvergleich ergibt sich, weil die Wirtschaft seit Mitte 2001 stagniert.
"Im dritten und vierten Quartal wird die Euro-Zone überhaupt nicht mehr wachsen. Es könnte im vierten Quartal sogar eine Schrumpfung geben", sagte Gustav Adolf Horn, Konjunkturchef des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Problemdruck für die Wirtschaftspolitik sei speziell in Deutschland inzwischen enorm.

Bereits seit dem Sommer deuten Umfragen und Auftragsdaten auf einen Produktionsrückgang in der Euro-Industrie; der Terrorschock vom 11. September habe diese Entwicklung nur noch verstärkt, analysieren die Institute.
Die exportorientierte Industrie leidet insbesondere unter der Konjunkturschwäche in den USA und deren weltweite Folgewirkungen. "Zudem laufen die Wachstumsimpulse aus, die von der kräftigen Abwertung des Euro ausgegangen waren", sagte Horn. Im Jahr 2000 hatte der Euro gegenüber dem US-Dollar teilweise weit über 15 Prozent an Wert verloren. Europäische Anbieter konnten so ihre Marktanteile auf Exportmärkten ausbauen.
Leichte Hoffnung
Leichte Hoffnung schöpfen die Ökonomen aus den monetären Indikatoren. Noch bis in den Sommer dieses Jahres hatten die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) vom vergangenen Jahr das Wachstum in der Euro-Zone deutlich gebremst. Dies entsprach auch der Absicht der EZB, die angesichts eines Euro-Wirtschaftswachstums von 3,4 Prozent im vergangenen Jahr eine Überhitzung befürchtet hatte.
Der restriktive Effekt dieser Geldpolitik läuft allerdings inzwischen aus, wie der FTD-Indikator anzeigt. Seitdem die EZB zuletzt die Zinsen zweimal deutlich um je 50 Basispunkte gesenkt hat, ist von dieser Seite für nächstes Jahr sogar ein leichter konjunktureller Impuls zu erwarten. "Es wird aber mindestens bis zum Frühjahr dauern, bis die anregende Wirkung der niedrigeren Zinsen spürbar wird", so Horn.
Unterstützung durch Ölpreis
Unterstützung könnte die Euro-Wirtschaft laut FTD-Indikator auch vom Ölpreis erhalten. Die sprunghafte Verteuerung des Rohöls hatte die Konjunktur von Ende 1999 bis Mitte 2001 stark belastet. Seitdem ist dieser Effekt aber ausgelaufen: Der Ölpreis stieg zunächst nicht mehr weiter und ist seit Oktober sogar deutlich rückläufig. Bleiben neue Preisschocks aus, dann ergibt sich für das kommende Frühjahr von Seiten des Ölpreises ein leicht positiver Wachstumsimpuls.
Laut Indikator könnten sich die positiven Effekte bereits zu Jahresbeginn durchsetzen, falls sich die Folgen des 11. September nicht in weiter schwachen Stimmungswerten bei Unternehmen und Verbrauchern im November und Dezember niederschlagen. Diese Werte bestimmen maßgeblich das jeweilige Gesamtergebnis des FTD-Indikators.
Der FTD-Euro-Wachstumsindikator wird seit März 2000 monatlich von der Euroframe-Gruppe berechnet, der acht europäische Forschungsinstitute angehören.