Wie acht Männer Milliarden verwalten

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Wie acht Männer Milliarden verwalten

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03.01.06 17:55
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Januar 2006, 17:23 Uhr


Schweizer Privatbank


Wie acht Männer Milliarden verwalten


Von Oliver Stock


Acht Männer ziehen die entscheidenden Fäden im globalisierten Kapitalmarkt. Das Oktett bildet den Teilhaberkreis des Schweizer Bankhauses Pictet. Hier werden rund 170 Mrd. Euro verwaltet. Eine gewaltige Summe, die in etwa dem Bruttoinlandsprodukt Portugals oder Thailands entspricht.



GENF. Die Schalterhalle am Boulevard George-Favon in Genf lassen Kunden der Privatbank Pictet rechts liegen. Sie dient inzwischen weniger zur Abwicklung von Geldgeschäften als vielmehr als Heimstatt für ein Automobil, das heute liebevoll „Pic-Pic“ genannt wird. Lucien Pictet hat den Wagen 1914 gebaut, zusammen mit seinem Freund, dem Abenteurer Paul Piccard.

Vorbei an dem Oldtimer, der angeblich sogar noch läuft, geht es zum Fahrstuhl. Ohne Zutun des Fahrgastes schwebt der Lift in die richtige Etage, wo den Besucher das Gefühl soliden Reichtums umgibt. Von hier oben, wo sich auch die Speisesäle befinden, in denen erlesene Kunden bewirtet werden, werden rund 170 Mrd. Euro verwaltet. Eine gewaltige Summe, die in etwa dem Bruttoinlandsprodukt Portugals oder Thailands entspricht.

Acht Männer entscheiden letztlich darüber, wohin dieses riesige Vermögen bewegt wird. Acht Männer, die damit im globalisierten Kapitalmarkt entscheidende Fäden ziehen. In 64 Ländern legen sie das Geld der Gutbetuchten aus 180 Nationen an. Die Zahl acht hat sich bewährt; jüngere Kollegen rücken nur nach, wenn ältere aussteigen. Ein, zwei Männer, die den Namen Pictet tragen, sind stets darunter.

Das Oktett bildet den Teilhaberkreis des Bankhauses, alle acht stehen mit ihrem privaten Vermögen für die Bank gerade – Privatbankiers eben. Einer von ihnen ist Jacques de Saussure, ein studierter Mathematiker mit hoher Stirn, grauem, leicht lockigem Haar und jenem unerbittlichen Charme des Privatbankiers, der niemals das Gefühl hinterlässt, um einen Kunden zu kämpfen, ihn aber stets gewinnen will. „Wir sind gewissermaßen eine große, kleine Bank. Bei uns gibt es Personen, die persönlich verantwortlich sind. Wer will schon mit einer Maschine arbeiten?“, fragt de Saussure. Er beschreibt das Modell, mit dem sich Pictet durch die globale Welt schlägt, so: Wo nur noch Größe zählt, wird Übersichtlichkeit zum Wert an sich. Wo Vermögen in Milliarden gezählt wird, müssen die Verwalter der Riesensummen Gesicht zeigen.

170 Jahre lang in der ziemlich genau 200-jährigen Tradition des Bankhauses war das niemanden so klar. Da hatte die Schalterhalle noch ihre Funktion. Summen wurden nicht per Mouseclick um die Welt geschoben. De Saussure kennt die Zeit noch. Als er 1980 zu Pictet stieß, hatte das Zeitalter des elektronischen Datentransfers gerade erst begonnen. Zwei Dinge seien es, die die Globalisierung so richtig in Gang gebracht haben, sagt er: Die Telekommunikation mit der Möglichkeit, Computer zu vernetzen. „Wir können seither weltweit unsere Dienstleistungen erbringen.“ Der zweite Faktor sei die politische Öffnung, die mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 eingesetzt habe.



Die Genfer wuchsen mit ihren Aufgaben. Und sie wuchsen schnell. 14 Niederlassungen in elf Ländern zählen sie heute. Das Logo mit dem aufgerichteten Löwen findet sich von Montreal bis Tokio. Die Arbeitsweise hat sich natürlich geändert. „Wir sind heute sehr viel spezialisierter“, sagt de Saussure und vergleicht die Kundenberater der Bank mit Orchesterchefs. „Sie setzen jedes einzelne Instrument nach Bedarf ein.“

Dass die Musik noch immer in Genf spielt, hat nicht nur mit der Familie Pictet zu tun, die in der Stadt Calvins ihre Wurzeln hat. Natürlich trete die Frage des Standorts einer Bank immer mehr in den Hintergrund. „Aber es gibt viele Argumente, die für Genf sprechen“, sagt de Saussure. Er nennt die Steuerberater und Anwälte, die darauf spezialisiert sind, den Bankiers zuzuarbeiten. Und er spricht von der Diskretion der Schweizer im Allgemeinen, die ihr Bankgeheimnis wahren, das Nachfragen ausländischer Finanzämter oft abprallen lässt. So wie der Diskretion der Genfer im Besonderen, die unter dem Reformator Calvin gelernt haben, über Geld am liebsten gar nicht zu reden.

Allerdings zollt auch Pictet Tribut an die Globalisierung. Das traditionsreiche Gebäude am Boulevard Georges-Favon wird dieses Jahr aufgegeben. Weinkeller, Speisesäle und „Pic-Pic“ werden umziehen, weil das außerordentliche Wachstum der letzten 30 Jahre die Zahl der Mitarbeiter auf mehr als 2 000 hochschnellen ließ. Sie ziehen nun in ein Außenquartier der Stadt, wo ein Neubau entsteht. Allerdings sind die Pictets selbstbewusst genug, um vorauszusagen, dass nicht zuletzt durch ihren Umzug der neue Stadtteil ein Gesicht bekommen wird – ein persönliches in einer bislang noch weitgehend gesichtslosen Vorstadt.

Kleine Drehscheibe der Finanzwelt

Vermögen Die Schweiz lebt wie kein anderes Land davon, dass Kunden aus aller Welt hier ihr Geld anlegen. Rund 2 400 Mrd. Schweizer Franken (1 566 Mrd. Euro) aus dem Ausland lagen im Oktober 2005 in Schweizer Depots. Neben dem traditionell guten Service vertrauen Kunden vor allem auf die Diskretion, der Banken, die durch das Bankgeheimnis garantiert wird. Es verhindert, dass ausländische Steuerfahnder Einblick auf Schweizer Konten nehmen können.

Wirtschaftsfaktor Der Erfolg der Banken führt dazu, dass die Finanzbranche der größte Wirtschaftssektor der Schweiz ist. Sie erreicht einen Wertschöpfungsanteil von rund elf Prozent am BIP – doppelt so hoch ist wie in Deutschland, Frankreich und den USA. Nach Schätzungen der Schweizerischen Bankiervereinigung tragen die Banken zwölf Prozent zu den Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden bei.

Arbeitgeber Die Banken sind auch der größte Arbeitgeber. Direkt sind 100 000 Menschen innerhalb des Landes in der Branche beschäftigt. Zählt man indirekt und bei Schweizer Banken im Ausland Beschäftigte mit, dürften es zweieinhalb mal so viele sein.


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