U.a. Text geht heute an die Geschäftsführung der WiWo/Handelsblatt - Gruppe mit der Bitte um Stellungnahme bis Donnerstag, 9:00.
Danach werde ich diesen Artikelentwurf grossflächig verteilen und hoffe, dass das Thema aufgegriffen wird.
Handelsblatt und Wirtschaftswoche vor dem Aus?
Missmanagement und Reputationsverlust
Eine Katastrophe für die Deutsche Medienlandschaft! Das grosse Traditionsblatt für die Finanzwirtschaft, das Handelsblatt, befindet sich in einer extremen wirtschaftlichen Lage. Der Konkurs droht.
Still und heimlich veröffentlichte die DvH Medien GmbH, die Mutter des HB und der WiWo, im Februar im Bundesanzeiger die Konzernblanz 2018. Es zeigt sich ein desaströses Bild. Eine ehemalige Kapitalrücklage von 180 Mio Euro (hundertachtzig Milionen!) ist durch entstandene Verluste von 147 Mio Euro nahezu aufgezehrt. Der operative Verlust ist gegenüber 2017 noch einmal um mehr als drei Mio auf über 12 Mio gestiegen. Die ohnehin bescheidenen liquiden Mittel schmolzen um weitere 7 Mio Euro.
Der Personalaufwand stieg trotz der prekären Situation um über 20 Mio Euro. Die Hilflosigkeit des Managements könnte unterstellt werden, berücksichtigt man, dass der hohe aussergewöhnliche Aufwand stark vom Aufwand für Strategieberatung geprägt ist.
Drohen strafrechtliche Konsequenzen? Ob der Tatbestand einer Konkursverschleppung erfüllt ist, bedarf es näherer Informationen. Bei anhaltend negativer Ergebnisse müsste beurteilt werden, ob das Unternehmen überschuldet ist und ob es in der Zukunft überlebensfähig ist.
Die prüfende Wirtschaftsprüfung Rödl & Partner kommentiert diese nicht, sondern verweist:
Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses sind die gesetzlichen Vertreter dafür verantwortlich, die Fähigkeit des Konzerns zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu beurteilen.
Und
Ein eigenständiges Prüfungsurteil zu den zukunftsorientierten Angaben sowie zu den zugrunde liegenden Annahmen geben wir nicht ab. Es besteht ein erhebliches unvermeidbares Risiko, dass künftige Ereignisse wesentlich von den zukunftsorientierten Angaben abweichen.
Im Jahresabschluss nimmt die Geschäftsführung keine Stellung zur Zukunftsfähigkeit.
Eine Überschuldung würde gegeben sein, wenn die Bilanzwerte der DvH Medien GmbH um nur ca. 30 Mio sinken würden. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die immateriellen Werte trotz operativer Verluste um weitere 10 Mio angestiegen sind. Die immateriellen Vermögenswerte belaufen sich nun auf sagenhafte 390 Mio bei einem Bilanzvolumen von nur 450 Mio.
Rödl und Partner sowie die Geschäftsleitung geben keine Beurteilung der Werthaltigkeit der immateriellen Werte ab, signalisieren aber am Rande, dass keine Bedenken bestünden.
Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass Rödl & Partner nicht zu einer vollumfänglichen Prüfung verpflichtet wurden, sondern:
"holen wir ausreichende geeignete Prüfungsnachweise ein"
Tröstlich ist das alles für Kapitalgeber allerdings dann nicht, müsste es aufgrund nicht bestehender Zukunftsfähigkeit zu einem Verkauf der Mediengruppe kommen. Welcher Interessent würde für eine zu liquidierende Gesellschaft die immateriellen Vermögenswerte gleich hoch bewerten. Doch nur, wenn mehrere Kaufinteressenten vorhanden wären. Dies scheint fraglich. Die famose Financial Times musste 2015 z.B. am Ende an einen japanischen Investor verramscht werden.
Noch einmal zurück zur Zukunftsfähigkeit. Gemäss Wikipedia sind die Auflagen z.B. des HB nur geringfügig gestiegen. Die Zahl der Abos indes ging trotz kostenloser Angebote zurück.
Mit vierwöchigen kostenlosen Digitalabos versuchte das Handelsblatt, verzweifelt Kunden zu gewinnen. Handelsblatt Online setzte zunächst auf ein Freemium-Modell, bei dem die Website-Inhalte gratis verfügbar waren oder teilweise hinter der Paywall lagen. Im Mai 2018 führte das Handelsblatt eine neue Paid-Content-Strategie ein. Alle Texte, Videos, Recherchetools und Infografiken wurden kostenpflichtig.
Man hat erkannt, dass zum Überleben auch Geldströme notwendig sind, wenngleich diese derzeit für uns nicht ersichtlich sind.
Das Vertrauen in die Mediengruppe wird auch nicht durch die jüngsten Personalien gestärkt. 2018 wurde der ehemalige Chefredakteur und damalige Herausgeber des Handelsblatt Gabor Steingart plötzlich entlassen. Mitte 2019 ging einer der entscheidenden Köpfe der Gruppe, der Geschäftsführer Frank Dopheide, der sich nun am Top Management bedient, so Creative Director Sebastian Kaiser, der diese Woche zu ihm wechselte. Eine Fortführung ohne geeignetes Personal scheint zumindest herausfordernd.
Ein Grund für den heftigen Personalwechsel könnte die neue Ausrichtung bzgl. der Erarbeitung des und den content an sich sein. Zunehmend wird auf Erhöhung der Klickzahlen statt auf seriöse Berichterstattung gesetzt. So dominieren z.B. Artikel zum Fall Wirecard, mit unzähligen Wiederholungen oder reisserischen Überschriften. Im Gegenzug werden junge, unerfahrene Journalisten eingekauft, die mit komplexen Themen betraut werden, die deren Erfahrungshorizont deutlich übersteigen. An dieser Stelle sei auf die Investigativreporterin der WiWo, Melanie Bergermann hingewiesen, die mit einem Online – Artikel kürzlich für einen Kurseinbruch verantwortlich war. Der Artikel musste noch am gleichen Tage korrigiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob aus diesem gravierenden Fehler noch Schadensersatzansprüche folgen. Der 27 – jährige Felix Holtermann des Handelsblattes verärgert u.a., indem er dem Vorstand der Wirecard Ratschläge zur Geschäftsführung gibt, oder sich auf Quellen beruft, die nach kurzer Recherche als bestenfalls dubios bezeichnet werden können. Auch beliebt ist es, Quellen oder Informationen verschleiernd als von Insidern oder whistleblowern stammend zu kennzeichnen. Zudem erscheinen Artikel meist kurz nachdem Leerverkäufer ihre Position erhöhten und von den diesen Artikeln geschuldeten Kurseinbrüchen profitieren. Wie derartige Beiträge die Chefredaktion passieren können, lässt damit auch Spielraum für Vermutungen zu. Die Diskrepanz zwischen ehrlicher Berichterstattung und den Beiträgen der Mediengruppe wird dramatisch grösser. Zahlreiche Abos wurden gekündigt und beim Presserat gingen massive Beschwerden.
Die Auszeichnung des Handelsblattes in 2017 als „beste Zeichnung Europas“ war gestern.
Fortwährende Verluste, schwindendes Eigenkapital und Liquidität, nicht nachvollziehbare Bilanzierungspraktiken, Verlust von wichtigen Gestaltern und die Abkehr von seriöser Berichterstattung. Die Zukunft ist sehr ungewiss.