IVU Traffic Technologies geht das Geld aus
Berliner Unternehmen hat sich mit dem Kauf der TTi Logistics in Hannover übernommen
Von Jan Rübel
Berlin - Die IVU Traffic Technologies AG kämpft ums Überleben. Dem Berliner Logistikunternehmen fehlen rund 5,6 Mio. Euro. Besonders die Übernahme der TTi Logistics AG aus Hannover im Juni 2001 hat IVU Kosten beschert, die nur schwer in den Griff zu kriegen sind. Ob der im September vorigen Jahres neu bestellte Vorstand dieses Finanzloch stopfen kann, entscheiden die nächsten Wochen. Die Geschichte der IVU ist eine vom Platzen der Börsenblase des Neuen Marktes und vom verhängnisvollen Drang zum Wachstum. Ihre Protagonisten sind überforderte Manager, geldgierige Berater, ein konservativer Sanierer - und eine gute Idee. Diese verwirklichen im Jahr 1976 vier Absolventen der Berliner TU.
Die Wirtschaftsingenieure gründen die IVU, ein Unternehmen, das Mobilitätslösungen verkauft: Menschen, Güter und Daten sollen von einem Ort zum anderen gebracht werden - IVU entwickelt dazu Steuersysteme - ein Markt mit Perspektive. Die Firma etabliert sich, fährt über Jahre hinweg soliden Gewinn ein. Der Absturz kommt mit dem Börsenboom. Im Juli 2000 startet die IVU-Aktie am Neuen Markt mit 10,50 Euro, steigt schnell auf über 30 Euro. Mit dem Börsenerlös von 80 Mio. DM in der Tasche soll IVU wachsen, sich "zwanghaft internationalisieren", wie es heute Michael Lackowski formuliert, der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats. Berater drängen das Führungs-Kollektiv zu riskanten Aufkäufen. Und so rutscht das Unternehmen in die roten Zahlen. Das Hauptproblem: TTi Systems. Mit dem Unternehmen, dessen Programme ganze Flotten steuern, wollten die Berliner ihre Produktpalette vervollständigen. An Bord kamen 150 Leute, zwölf Mio. Euro Schulden und eine Tochterfirma in Toronto, die jeden Monat 120.000 Euro verlor. Ende 2001 stand ein IVU-Verlust von 37,1 Mio. Euro. Der Vorstand trat auf die Bremse. Das alte Kollektiv trat im September 2001 ab, Denert, vorher Aufsichtsrat, avancierte zum Chef. Er trennte sich von vielen Beteiligungen, schloss die Niederlassungen in Rio de Janeiro und in Toronto. Schließlich schrieb IVU TTi Systems ab: 18,8 Mio. Euro waren weg. Ende 2001 arbeiteten 421 Angestellte bei IVU. Jetzt sind es 376. "Wir sind ein Personen-Geschäft", sagt Denert. "Entlassungen werden das Problem nicht lösen." Aber vielleicht ein neues Bankenkonzept.
Im Juli wird die Liquidität aufgebraucht sein. Der Vorstand verhandelt über neue Kreditlinien. Sie sollen spätestens bei der Hauptversammlung am 18. Juni bekannt gegeben werden. Auch kämpft die IVU zurzeit um eine Landesbürgschaft. "Aber die ist noch nicht in den trockenen Tüchern", sagt Denert. Für die Firma spricht die gute Auftragslage: Alle Busse der Deutschen Bahn werden mit dem IVU-Produkt Mikrobus ausgestattet, und das IT-System, mit dem die Ergebnisse der anstehenden Bundestagswahl ermittelt werden sollen, kommt von IVU. Um das Eigenkapital der Firma zu erhöhen, will Denert privat 1,5 Mio. Euro investieren - und verlangt auch von den Mitarbeitern Initiative: Auf einer Personalversammlung in der vergangenen Woche schlug der Vorstand vor, dass die Beschäftigten für rund eine Mio. Euro Aktien kaufen. Das wären pro Kopf 3000 Euro. "Viele hatten schon 2000 investiert und sind nun äußerst reserviert", sagt Betriebsrat Lackowski. Aber die Stimmung unter den Mitarbeitern sei nicht depressiv. Auch Denert ist optimistisch. "Ende dieses Jahres haben wir eine schwarze Null", sagt er - wenn alle mitziehen.
cu Henrys