Der Aufschwung kommt, dieses Mal wirklich. Die Konzerne melden wieder starke Gewinnsteigerungen. Anfang 2004 profitiert die Konjunktur davon
Aufstieg dank nötiger Schubkraft
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Mit der Bekanntgabe der neuesten Quartalszahlen seiner Softwareschmiede startet SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann am Donnerstag in New York die Saison der deutschen Halbjahresberichte. Die Aktiengesellschaften werden Rechenschaft darüber ablegen, ob die an der Börse zuletzt voller Optimismus verteilten Vorschusslorbeeren wirklich angemessen waren. Immerhin gab es unter den 30 Dax-Werten seit Jahresbeginn nur acht Kursverlierer - mit den Schlusslichtern Henkel (minus 12,9 Prozent), TUI (minus 15,7) und Münchner Rück (minus 19,9). Alle anderen Papiere legten zu, 15 von ihnen sogar mit einem zweistelligen Plus.
Die konjunkturelle Wende, auf die Deutschland wartet - die Unternehmen, so scheint es, haben sie schon vollzogen. Die Erträge legen wieder zu.
Glaubt man den Wertpapieranalysten, werden die Quartalsberichte aus den Unternehmen und der Ausblick für das Gesamtjahr die Erwartungen durchaus erfüllen. Nach Zahlen des Informationsanbieters IBES, der die Prognosen in seinen Datenbanken bündelt, erwarten die Spezialisten für 2003 bei den Dax-Werten einen durchschnittlichen Anstieg der Gewinne pro Aktie um mehr als satte 25 Prozent. Die Auswertung der BHF-Bank ergab laut Analyst Roland Ziegler sogar ein Plus von fast 27 Prozent.
Die deutschen Firmen fassen wieder Tritt, so die Sicht der Auguren. Zeichen für einen baldigen Aufschwung?
Fachleute wie Ziegler warnen vor überzogenen Erwartungen. Vielleicht sei es noch zu früh, von Vorboten eines Aufschwungs zu sprechen. Schließlich seien die Verbesserungen in den Rechenwerken Folgen von Restrukturierungen und Kostensenkungen - weniger von besseren Geschäften. Außerdem werden die Auswirkungen von Sonderbelastungen aus der Vergangenheit - etwa bei der Telekom die überteuerten Einkäufe im Ausland - in den Bilanzen schwächer. Aber immerhin gibt es jetzt eine solide Basis.
Den größten Umschwung verzeichnen Banken und Versicherungen, bei denen 2002 die Zahlen nicht nur durch den schlechten Geschäftsbetrieb, sondern auch durch die miese Stimmung an den Kapitalmärkten verhagelt wurden. Genau die aber verkündeten in der vergangenen Woche das Ende der Bankenkrise.
Lokomotive des Aufschwungs sollen, wie so oft, die USA sein. Dort wird ein spürbares Anziehen der Konjunktur dank der niedrigen Leitzinsen und des Steuersenkungsprogramms über 350 Milliarden Dollar von Präsident Bush in der zweiten Hälfte 2003 erwartet.
Weil Europa und Deutschland der US-Konjunktur immer zwei bis drei Quartale hinterherhinken, könnte, so meinen Analysten wie Ziegler, die deutsche Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2004 langsam wieder auf Touren kommen.
Dafür spricht einiges, denn Einzelne ziehen schon jetzt positive Halbjahresbilanz. So rechnet die gebeutelte Branche der Informationstechnologie noch in 2003 mit einer Erholung. Und BDI-Präsident Michael Rogowski erwartet, "dass wir in den nächsten sechs bis zwölf Monaten einen Aufschwung erleben werden. Wahrscheinlich beginnt die Wende schon im zweiten Halbjahr 2003. Wenn es auch kein steiler Aufschwung sein wird - ich bin zuversichtlich, dass wir die konjunkturelle Talsohle erreicht haben" (siehe Interview S. 26). "Licht am Ende des Tunnels" meldet auch Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz und der Dresdner Bank. Es gebe "Anlass zu der Erwartung, dass das zweite Halbjahr besser läuft". Vor allem deshalb, "weil die vorauseilenden Stimmungsindikatoren nach oben zeigen". Auch die Reformbestrebungen bringen seiner Meinung nach die Wirtschaft auf Trab. "Ob die Regierung die Steuerreform vorzieht, ist dafür gar nicht so wichtig", so Heise. "Wichtiger ist es, dass die Agenda 2010 angegangen wird."
Doch nicht alles erscheint rosig. Der Chefökonom macht auch jede Menge Risiken aus. Vor allem dann, wenn das US-Defizit weiter steigt: "Die Gefahr, dass es dann zu einer krisenhaften Entwicklung an den Devisenmärkten kommt, ist dann denkbar hoch."
Heise schließt nicht aus, dass der Euro um weitere 30 Prozent auf rund 1,40 US-Dollar steigt. "Das wäre sehr kritisch. Die Auswirkungen auf die Konjunktur Europas wären enorm."
Es sei "wichtiger denn je", dass sich die deutsche und die europäische Politik dafür einsetzen, das Wachstum nachhaltig zu stimulieren. Vor allem deshalb, damit die USA nicht weiter die Führungsrolle übernehmen und dadurch ihr Defizit weiter nach oben schrauben müssen.
Dennoch: Der Optimismus überwiegt. "Es hat sich inzwischen bestätigt, dass die deutschen Unternehmen am Markt deutlich unterbewertet sind", bilanziert Heise. Die Chance, dass bei einem Aufblühen der Wirtschaft die Börsenkurse nach oben schnellen und dann nicht mehr länger unter Buchwert notieren, sei groß. Das heißt in Zahlen: Der Dax steht zum Jahresende bei rund 3600 Punkten. Heise: "Und der Aufwärtstrend könnte sich im Jahr 2004 fortsetzen."
"Es gibt einen ersten Silberstreif am Horizont", sagt auch Lutz Raettig, Deutschland-Chef von Morgan Stanley. Zuversicht, die er aus seiner täglichen Arbeit schöpft: "Die Unternehmen interessieren sich viel stärker für Finanz- und Kapitalmarktstrategien und bereiten sich dadurch auf Wachstumsmöglichkeiten vor." Auch an Zukauf seien die Firmen zunehmend interessiert.
Michael Schneider, Ulrich Reitz - Mitarbeit: Manfred Fischer, Ulrich Machold
Welt am Sonntag