Ernst Hanfstaengel
Auslandspressechef der NSDAP war die dreißiger Jahre über mit Putzi (Ernst) Hanfstaengel sogar ein echter Amerikaner, ein Studienkamerad des amerikanischen Präsidenten Roosevelt aus Harvard.
Diese Erkenntnisse von Sutton wirken wie schwache Abdrücke einer Schrift, die auf einen verborgenen Zusammenhang aund auf eine Quelle schließen lassen. Ganz greifbar wird der Ursprung dieser Schrift durch Suttons Forschung aber nicht.
Besonders sensationell an Suttons Arbeit mutet allerdings der Hinweis auf ein 1933 in Holland erschienenes Buch an, das nur wenige Tage nach Veröffentlichung wieder aus dem Handel genommen worden war und das nur in einigen Exemplaren überlebt hat.
Es war unter dem Titel De Geldbronnen van het Nationaal-Socialisme - drie Gesprekken Met Hitler ("Die Geldquelle des Nationalsozialismus - drei Gespräche mit Hitler") und unter einem pseudonymen Verfassernamen erschienen.
In ihm beschreibt der Ich-Erzähler, wie er zwischen 1929 und 1933 dreimal im Auftrag eines New Yorker Zirkels mit Hitler zusammengetroffen sei, um über eine finanzielle Unterstützung zu reden. Daei werden die komplexen Motive des Unterstützerzirkels, seine Zusammensetzung, die Modalitäten des Geldtransfers und die Gespräche mit Hitler, der noch viel mehr Geld wollte, beschrieben.
Insgesamt seien zwischen 1929 und 1933 an Geldzahlungen 32 Millionen Dollar aus dieser Quelle geflossen, für damalige Verhältnisse eine beträchtliche Summe, die für die Wahlkämpfe und Straßenschlachten der untergehenden Weimarer Republik eine sehr große Bedeutung gehabt hätte. Sutton kann anhand on Details plausibel machen, dass das Buch von einem "Insider" geschrieben worden sein muss. Ohne seine Authentizität letztlich beweisen zu können, macht er sie doch wahrscheinlich.
Als Quintessenz der Wall Street-Bücher könnte man vielleicht zusammenfassen: dass in der Zeit zwischen den Weltkriegen Kreise der amerikanischen Wirtschaft nicht nur aus kurzfristigem Profitinteresse heraus gehandelt, sondern auch entscheidende politische Impulse gegeben haben, sowohl in der inneramerikanischen Szene als auch über Amerika hinaus. So formuliert klingt der Satz immer noch nicht besonders sensationell:
Sowohl was die USA selber angeht als auch etwa die Politik in Lateinamerika betreffend, würde kaum jemand daran gezweifelt haben. Es sind dann eher spezifische Scheuklappen, die daran gehindert haben, dieses Verhaltensmustere auch in europäischen Ereignissen wie der Russischen Revolution und dem Aufstieg des Nationalsozialismus zu suchen.
Suttons Angaben oder Vermutungen über die Hintergründe dieser Art Interventionspolitik bleiben fragmentarisch. Es seien hier aber einige Andeutungen wiedergegeben, die wenigstens eine Richtung weisen können.
Am Ende des 19. Jahrhunderts war das amerikanische manifest destiny erfüllt: Die Einwanderer hatte die ganze Weite des Kontinents bis nach Westen erobert und besiedelt. In dieser Situation begannen die amerikanische Politik und Wirtschaft, sich nach außen zu wenden. Der Krieg mit Spanien 1898 (der Spanien aus Kuba vertreiben sollte) kann als Beginn des neueren, auch militärischen Imperialismus der USA gelten.
Im Land hatten mächtige Wirtschaftskonglomerate schon im 19. Jahrhundert die Gewohnheit angenommen, in Politik zu investieren, um sich deren Wohlwollen zu sichern. Von J.P. Morgan, Anfang des 20. Jahrhunderts die mächtigste Bank in den USA, wurde berichtet, dass sie beide politischen Lager unterstützt habe, um beide beeinflussen zu können.
Dieses auf der heimischen Bühne eingeübte Verhalten wurde dann im 20. Jahrhundert auf die Außenpolitik übertragen. Es beginnt eine weltweit orientierte Interventions- und Einfluss-politik von Kreisen der amerikanischen Finanzwelt und Industrie.
Ein wichtiges Vehikel war nach Sutton beispielsweise 1915 die Gründung der AIC (American International Corporation). In dieser Unternehmung fanden sich Interessen einer größeren Reihe von Wall Street-Firmen und -Unternehmungen zusammen, u.a. die Interessen des Morgan- und des Rockefeller-Komplexes und damit der zwei größten wirtschaftlichen Machtzusammenballungen im damaligen Amerika und wohl der ganzen Welt.
Wie auf der heimischen Szene wurde auch im Ausland die Interventionspolitik manchmal so betrieben, dass man gleichzeitig zwei miteinander kämpfende Konkurrenten unterstützte: ein klassisches politisches Konzept, das im antiken Rom als DIVIDE_ET_IMPERA (Chaos) beschrieben wurde.
Suttons Wall Street-Bücher kreisen um einige wenige Figuren und Firmen, die in diese politischen Interventionen verwickelt sind.
Zentral ist darin eine New Yorker Adresse; Broadway Nr. 120, nicht weit von der Einmündung der Wall Street. Dort hat Sutton eine sehr auffällige Häufung von Büros von Firmen und Personen gefunden, die mit den von ihm beschriebenen Vorgängen zusammenhängen.
Zu den immer wiederkehrenden institutionellen Zusammenhängen gehören die Morgan Bank und die Interessen der Rockefeller-Familie - d.h. insbesondere das Standard_Oil-Imperium und die Chase Manhattan Bank -, in geringerem Maße auch die Warburg-Familie.
Aber auch große Konzerne wie General Electric, ITT oder Ford tauchen regelmäßig auf, sogar eine öffentliche Institution wie die New Yorker FEDeral Reserve Bank (gewissermaßen die New Yorker Landeszentralbank).
Eine bedeutende Rolle spielt bei Sutton auch eine relativ kleine, aber in der ersten Jahrhunderthälfte offenbar einflussreiche New Yorker Bank: Guaranty Trust.
Eine Rolle bei diesen Vorgängen spielen außerdem Konzeptionen, die in industriellen Kreisen im Zuge der zunehmenden Monopolbildung Ende des 19. Jahrhunderts aufkamen. Man betrachtete mehr und mehr den klassischen Liberalismus als überholt und dachte über soziale Reformen nach, in denen einige monopolartige Riesengebilde die Wirtschaft planungsartig lenken sollten. Solche Gedanken führten zu einer gewissen Annäherung zwischen Großindustrie und Sozialismus. Es ist diese Zukunftsvorstellung von einem kooperativen Sozialismus, die Sutton in der Interventionspolitik der Wall Street am Werk sieht.