Gute Noten schützen Fondsanleger nicht vor Fehlgriffen
Verstand statt Rating
Kein geschlossener Fonds ohne Rating!“ Schön wäre es, wenn die kürzlich auf den „Deutschen Fondsratingtagen“ ausgegeben Losung wahr werden würde. Und ganz besonders schön wäre es, wenn die Ergebnisse der Agenturen über jeden Zweifel erhaben wären.
Fondsanbieter, die auf die Einschätzung der Renditeaussichten ihrer Angebote durch professionelle Agenturen verzichten, so die Theorie, würden von den Vertrieben links liegen gelassen. Die Begründung: Ohne Rating steigt das Haftungsrisiko und der Absatz ist eher schleppend.
Wie gesagt – schön wäre es. Die Theorie lässt allerdings menschliche Charakterschwächen außer Acht. Eine lautet kurz und prägnant: „Gier frisst Hirn.“ Das gilt für Vertriebe wie für Anleger. Eine alte Weisheit in der Fonds-Branche lautet: „Je schlechter das Produkt, desto höher muss die Provision sein.“ Die zahlt bei einem geschlossen Fonds ohnehin der Anleger mit der Überweisung der Zeichnungssumme. „Schlecht“ für den Anleger ist das Produkt womöglich, weil durch unrealistische Annahmen die Renditeprognosen in genau die unrealistische Höhen geschraubt wurden, die es allein rechtfertigen würden, das Risiko einzugehen.
Der typische Zeichner, der weder etwas von Immobilien, noch von der Schifffahrt, der Filmproduktion, Videospielen, Windmühlen oder gebrauchten Lebensversicherungen versteht, merkt nicht, wenn die Renditeprognosen durch unwahrscheinliche Annahmen gepuscht werden. Ein Rating könnte ihn warnen. Doch im Moment feit ihn auch kein Rating gegen einen Fehlgriff. Bewertungsergebnisse für denselben Fonds klaffen oft weit auseinander. Was prompt Gerüchte nährt, bei der Bewertung sei es ab und an nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Es sollte Anlegern zu denken geben, dass die Noten der Bewerter von Anleihen wie Standard & Poor’s und Moody’s minimal differieren. Hinter den großen Bewertungsdifferenzen bei geschlossenen Fonds allein Bestechlichkeit zu vermuten, wäre jedoch falsch. Teilnehmer der Veranstaltung in Hamburg kritisierten fehlende Kompetenz von Mitarbeitern der Ratingagenturen und so genannte Billig-Ratings.
Je intensiver ein Fonds und sein Emittent geprüft wird, desto realistischer wird seine Einschätzung ausfallen. Konsequenz: Je mehr ein Emittent zu verbergen hat, umso weniger lässt er sich in die Karten schauen und um so billiger wird sein Rating. Und die oberflächliche Prüfung wird womöglich auch noch mit einer besseren Note belohnt. Wenn es ganz hart kommt, veröffentlicht er die Note nicht. Pech für den Anleger: Der Ratingagentur steht nämlich kein Veröffentlichungsrecht zu. Zu Not lässt sich der Anbieter von verschiedenen Agenturen raten, bis ihm das Ergebnis gefällt.
Bei Agenturen, die unaufgefordert raten und ihre Tätigkeit aus Lizenzeinnahmen finanzieren, begrenzen die Lizenzeinnahmen den Ratingaufwand. Gewiss will das Gros der Lizenznehmer, das sind die Vertriebe, möglichst viele Ratings für seine Gebühr sehen. Wenn die Prüfungsintensität darunter leidet und so gute Noten begünstigt, wird ein Vertrieb sich darüber nicht beschweren. Fonds mit guten Noten lassen sich leichter verkaufen.
Anleger sollten sich jedenfalls nicht allein auf die Note einer Ratingagentur verlassen. Manchmal genügt der gesunde Menschenverstand – auch wenn der nur rät, die Finger von einem Produkt zu lassen, welches man nicht versteht.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 23. Juni 2005, 07:00 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Verstand statt Rating
Kein geschlossener Fonds ohne Rating!“ Schön wäre es, wenn die kürzlich auf den „Deutschen Fondsratingtagen“ ausgegeben Losung wahr werden würde. Und ganz besonders schön wäre es, wenn die Ergebnisse der Agenturen über jeden Zweifel erhaben wären.
Fondsanbieter, die auf die Einschätzung der Renditeaussichten ihrer Angebote durch professionelle Agenturen verzichten, so die Theorie, würden von den Vertrieben links liegen gelassen. Die Begründung: Ohne Rating steigt das Haftungsrisiko und der Absatz ist eher schleppend.
Wie gesagt – schön wäre es. Die Theorie lässt allerdings menschliche Charakterschwächen außer Acht. Eine lautet kurz und prägnant: „Gier frisst Hirn.“ Das gilt für Vertriebe wie für Anleger. Eine alte Weisheit in der Fonds-Branche lautet: „Je schlechter das Produkt, desto höher muss die Provision sein.“ Die zahlt bei einem geschlossen Fonds ohnehin der Anleger mit der Überweisung der Zeichnungssumme. „Schlecht“ für den Anleger ist das Produkt womöglich, weil durch unrealistische Annahmen die Renditeprognosen in genau die unrealistische Höhen geschraubt wurden, die es allein rechtfertigen würden, das Risiko einzugehen.
Der typische Zeichner, der weder etwas von Immobilien, noch von der Schifffahrt, der Filmproduktion, Videospielen, Windmühlen oder gebrauchten Lebensversicherungen versteht, merkt nicht, wenn die Renditeprognosen durch unwahrscheinliche Annahmen gepuscht werden. Ein Rating könnte ihn warnen. Doch im Moment feit ihn auch kein Rating gegen einen Fehlgriff. Bewertungsergebnisse für denselben Fonds klaffen oft weit auseinander. Was prompt Gerüchte nährt, bei der Bewertung sei es ab und an nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Es sollte Anlegern zu denken geben, dass die Noten der Bewerter von Anleihen wie Standard & Poor’s und Moody’s minimal differieren. Hinter den großen Bewertungsdifferenzen bei geschlossenen Fonds allein Bestechlichkeit zu vermuten, wäre jedoch falsch. Teilnehmer der Veranstaltung in Hamburg kritisierten fehlende Kompetenz von Mitarbeitern der Ratingagenturen und so genannte Billig-Ratings.
Je intensiver ein Fonds und sein Emittent geprüft wird, desto realistischer wird seine Einschätzung ausfallen. Konsequenz: Je mehr ein Emittent zu verbergen hat, umso weniger lässt er sich in die Karten schauen und um so billiger wird sein Rating. Und die oberflächliche Prüfung wird womöglich auch noch mit einer besseren Note belohnt. Wenn es ganz hart kommt, veröffentlicht er die Note nicht. Pech für den Anleger: Der Ratingagentur steht nämlich kein Veröffentlichungsrecht zu. Zu Not lässt sich der Anbieter von verschiedenen Agenturen raten, bis ihm das Ergebnis gefällt.
Bei Agenturen, die unaufgefordert raten und ihre Tätigkeit aus Lizenzeinnahmen finanzieren, begrenzen die Lizenzeinnahmen den Ratingaufwand. Gewiss will das Gros der Lizenznehmer, das sind die Vertriebe, möglichst viele Ratings für seine Gebühr sehen. Wenn die Prüfungsintensität darunter leidet und so gute Noten begünstigt, wird ein Vertrieb sich darüber nicht beschweren. Fonds mit guten Noten lassen sich leichter verkaufen.
Anleger sollten sich jedenfalls nicht allein auf die Note einer Ratingagentur verlassen. Manchmal genügt der gesunde Menschenverstand – auch wenn der nur rät, die Finger von einem Produkt zu lassen, welches man nicht versteht.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 23. Juni 2005, 07:00 Uhr
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Der Einsame Samariter