HANDELSBLATT, Mittwoch, 18. Januar 2006, 11:00 Uhr
Kanam-Gruppe
Weiterer Immobilienfonds zieht Notbremse
Die Kanam-Gruppe hat am Dienstag die Anteilsrücknahme ihres offenen Immobilienfonds Kanam US-Grundinvest wegen zu erwartender Liquiditätsnot für drei Monate ausgesetzt.
DÜSSELDORF/FRANKFURT. Die Investmentgesellschaft verwies zur Begründung auf die negativen Presseberichte zur Situation ihres US-Kooperationspartners The Mills, deretwegen es zu starken Anteilsrückgaben gekommen sei. Ohne die Schließung wäre die gesetzliche Mindestliquidität des Fonds heute unterschritten worden, teilte Kanam mit.
Mills ist einer der größten Betreiber von Einkaufszentren in den USA. Die Situation bei Mills hatte die Ratingagentur Scope am Wochenende bewogen, Anlegern den Verkauf des US-Grundinvest und seines in Euro notierten Schwesterfonds zu empfehlen.
Dem Vernehmen nach sollen die Mittelabflüsse im US-Grundinvest gestern etwa 50 Mill. Dollar betragen haben und damit die Hälfte dessen, was einschließlich Krediten zur Bedienung von Anteilsrückgaben zur Verfügung stand, aufgezehrt haben. Während der Aussetzung will Mills Objekte verkaufen, um die flüssigen Mittel wieder aufzufüllen. Angaben über mögliche Objekte wurden nicht gemacht. „Es ist richtig, jetzt zu verkaufen“, kommentierte Scope-Analystin Alexandra Merz die Ankündigung.
Die Kanam-Fonds finanzieren Investitionen in hohem Maße mit Fremdkapital, so dass bei plötzlichen Mittelabflüssen wenig Spielraum bleibt, um Zahlungen an die Anleger durch kurzfristige Kredite zu finanzieren. Die Fremdkapitalaufnahme ist auf 50 Prozent begrenzt.
Mit der Aussetzung des knapp 600 Mill. Dollar schweren Fonds ist damit zwei Monate nach dem Grundbesitz-Invest der Deutsche-Bank-Tochter DB Real Estate (DBRE) der zweite offene Immobilienfonds geschlossen worden. Der gegenüber Kanam seit langem kritisch eingestellte Fondsanalyst Stefan Loipfinger befürchtet nun, dass auch deren zweiter Fonds, der außerhalb der USA investierende Kanam Grundinvest, in Liquiditätsnöte kommen wird.
„Der Grundinvest-Fonds ist von den Vorgängen um den US-Fonds nicht betroffen. In den kommenden Tagen setzen wir alles daran, die Anleger über die Sachverhalte aufzuklären“, sagt hingegen Kanam-Sprecher Michael Birnbaum. Er bestätigte, dass ein Drittel der Fondseinnahmen aus Ausschüttungen von zwei Objektgesellschaften resultieren, an denen Kanam und Mills gemeinsam beteiligt sind. Diese Gesellschaften schütteten planmäßig aus.
„Es gibt derzeit noch keine sachlich valide Aussage, die gegen den US-Grundinvest-Fonds spricht", sagt Jürgen Schäfer, Leiter Immobilien bei Feri Wealth Management. Er hält es für problematisch, „die Gefahr einer Illiquidität zu postulieren, die aber durch die ausdrückliche Verkaufsempfehlung mitverursacht wurde.“ Auch die Finanzaufsicht BaFin äußerte sich kritisch: „Wir haben kein Verständnis dafür, dass Anleger in einer Situation, in der ohnehin große Nervosität herrscht, mit Informationen konfrontiert werden, die nur Experten richtig interpretieren können“, sagte eine Sprecherin der BaFin. „Man hätte wissen müssen, dass Anleger dadurch in Panik versetzt werden.“
Fondsanalyst Loipfinger fordert dringend eine Reform der offenen Immobilienfonds. Der Branchenverband BVI wird voraussichtlich schon heute Vorschläge dazu vorstellen. In der Branche heißt es, dass unter anderem die Bewertung der Immobilien und die Liquditätssteuerung der Fonds modifiziert werden sollen. ina/pk/pot/rrl