US-BÖRSENAUFSICHT: Bock zum Gärtner

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US-BÖRSENAUFSICHT: Bock zum Gärtner

 
03.11.02 03:35
US-BÖRSENAUFSICHT

Harvey Pitts katastrophaler Fehlgriff

Von Thomas Hillenbrand

William Webster, der gerade inthronisierte Chef der neuen US-Aufsichtsbehörde für Wirtschaftsprüfer, erweist sich als katastrophale Fehlbesetzung. Der Mann, der Fälle wie Enron zukünftig verhindern soll, hat es als Aufsichtsrat mit den Bilanzregeln selber nicht so genau genommen.

New York - William Webster, ehemaliger Direktor des FBI und der CIA, soll seinen Spürsinn einsetzen, um der ins Zwielich geratenen Wirtschaftsprüferbranche auf die Finger zu schauen. Der 78-jährige ist seit vergangenem Freitag Vorsitzender des neu gegründeten Public Company Accounting Oversight Board (PCAB).

Offenbar hat der Chef der US-Börsenaufsicht SEC, Harvey Pitt, mit Webster den Bock zum Gärtner gemacht. Wie jetzt bekannt wurde saß der PCAB-Chef bis vor kurzen im Aufsichtsrat des Unternehmens U.S. Technologies. Dort saß er dem Ausschuss für Rechnungsprüfung vor. Dieser ist vor allem für die Zusammenarbeit des Unternehmens mit externen Wirtschaftsprüfern und die Korrektheit der Jahresabschlüsse zuständig.
Gegen U.S. Technologies und dessen Chef Gregory Earls laufen inzwischen zahlreiche Verfahren wegen Betrugs von Investoren.

Gegen Webster wird nicht ermittelt - allerdings flog das Unternehmen während seiner Amtszeit aus dem Börsensegment Nasdaq, weil es Pflichtmitteilungen an die SEC wiederholt zu spät einreichte. Noch schwerer wiegt jedoch, wie Webster während seiner Tätigkeit bei U.S. Technologies mit den externen Wirtschaftsprüfern umging.

Webster entließ renitente Wirtschaftsprüfer

Die "New York Times" berichtet, der damalige Wirtschaftsprüfer des Unternehmens, BDO Seidman, habe im Sommer 2001 Websters Ausschuss auf gravierende Mängel im Controlling hingewiesen. Es gebe, zitiert das Blatt einen Seidman-Bericht, erhebliche Defizite "in der zeitnahen Aufzeichnung materieller Transaktionen und in der Organisation und Aufbewahrung von Dokumenten, die Finanzen und Buchhaltung betreffen." Statt den Einwänden von Seidman nachzugehen, entschied sich Webster dafür, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu feuern und eine andere Gesellschaft zu beauftragen.

Für SEC-Chef Harvey Pitt ist Websters nicht allzu weiße Weste mehr als nur eine weitere Blamage. Sie könnte den ohnehin im Kreuzfeuer der Kritik stehenden ehemaligen Wall-Street-Anwalt den Kopf kosten. Denn Pitt wurde von Webster über die laufenden Untersuchungen gegen U.S: Technologies frühzeitig informiert. Webster gegenüber der "New York Times": "Ich habe ihnen gesagt, dass die Leute mit Anschuldigungen kommen. Ich sagte ihm, dass wir das Ganze nicht weiter verfolgen sollten, wenn dies ein Problem darstellt".

Pitt ließ seine Kollegen im Dunkeln

Pitt habe ihm jedoch versichert, die SEC habe die Sache geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, Websters Tätigkeit für U.S. Technologies stelle kein Problem dar. Ganz korrekt ist das nicht: Die Entscheidung trafen Pitt und sein Team offenbar ganz alleine. Die vier anderen Commissioner der SEC, die an der Abstimmung über die Postenvergabe an Webster beteiligt waren, informierte Pitt laut SEC-Kreisen nicht über die Vergangenheit des Kandidaten. Auch das Weiße Haus war nach eigenen Angaben nicht eingeweiht.

Pitt ist in der Vergangenheit bereits mehrfach durch ungeschickte politische Manöver aufgefallen. Der bei öffentlichen Auftritten bräsig und humorlos wirkende Jurist verbrannte seinen ursprünglichen Wunschkandidaten für das Amt des PCAB-Chefs, John Biggs, indem er dessen Namen in der Presse durchsickern ließ - ohne sich vorher mit wichtigen Politikern des Kongresses oder dem Weißen Haus abzusprechen. Danach machte er sich erneut lächerlich, indem er öffentlich leugnete, Biggs je für das Amt in Betracht gezogen zu haben.

Bush unter Druck

Möglich, dass Präsident George Bush jetzt die Geduld mit seinem Parteifreund Pitt verliert, über den er bisher immer seine schützende Hand gehalten hat. Kurz vor den Kongresswahlen kommt dem Präsidenten, der ebenso wie sein Vize Dick Cheney Probleme wegen zweifelhafter geschäftlicher Transaktionen hat, der Fauxpas Pitts denkbar ungelegen. Die Demokraten haben schon wiederholt versucht, Bush in eine Reihe mit Skandalunternehmern wie Bernie Ebbers oder Kenneth Lay zu bringen. Mit dem Fehlstart der PCAB, die das Herzstück der kürzlich verabschiedeten US-Finanzmarktreformen darstellt, gerät Bush erneut in Bedrängnis.

Pitt flüchtet sich unterdessen ins Absurde. Zu dem Vorwurf, er habe seinen Kollegen wichtige Informationen vorenthalten, will er sich nicht äußern. Stattdessen hat er eine Untersuchung gegen sich selbst angeordnet: Der Generalinspekteur der SEC, Walter Stachnick soll untersuchen, ob bei der Auswahl Websters alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
ecki:

Bush verliert Vertrauen in SEC-Chef

 
03.11.02 22:03
Bush verliert Vertrauen in SEC-Chef
Von Adrian Michaels, New York

US-Präsident George W. Bush wird vermutlich den Vorsitzenden der amerikanischen Wertpapieraufsicht Securities and Exchange Commission (SEC), Harvey Pitt, zum Amtsverzicht drängen. Ein hoher Regierungsbeamter sagte am Wochenende, Bush könnte Pitt schon bald nach den Kongresswahlen am Dienstag entlassen.

SEC-Chef Harvey Pitt

Zurzeit werde noch geprüft, ob Pitt die anderen Mitglieder des SEC-Vorstands bei der Auswahl von William Webster als Leiter einer neuen Aufsichtsbehörde für Wirtschaftsprüfer getäuscht habe. Pitt habe die vier anderen SEC-Kommissare nicht darüber informiert, das Webster Leiter des Wirtschaftsprüferausschusses eines Unternehmens war, das des Betrugs verdächtigt wird.

Investoren und Gesetzgeber haben den Druck auf Pitt in den vergangenen Tagen kontinuierlich erhöht. Senator Richard Shelby aus Arkansas, der im kommenden Jahr der höchstrangige Republikaner des Komitees wird, dem die Aufsicht über die SEC obliegt, unterstützt die Untersuchung über die Umstände der Ernennung Websters.

Bush, der Pitt im vergangenen Jahr ins Amt berufen hat, sei jetzt gezwungen, ihn wieder abzusetzen, sagen Analysten. Bush müsse dies tun, um den Vorwurf zu entkräften, seine Administration gehe zu lasch mit den zahlreichen betrügerischen Bankrotten um, die Amerika in den vergangenen Monaten erschüttert haben.

Schwierige Lage

"Der Präsident gerät in eine schwierige Lage, wenn Mitglieder seiner eigenen republikanischen Partei sich gegen ihn stellen", sagte Mark Rozell, Professor an der Catholic University in Washington. Je mehr das Weiße Haus sich in diese Sache verstricke, desto weniger werde ihm geglaubt, dass es eine grundlegende Unternehmensreform machen wolle.

Aus Regierungskreisen verlautete weiter, weder Bush noch andere Mitglieder der Regierung hätten etwas über Websters Rolle bei der Bilanzprüfung von US Technologies gewusst. Webster hatte Pitt über seine Tätigkeit informiert, bevor die SEC ihn ernannte. Der neue Wirtschaftsprüferausschuss der SEC war eingerichtet worden, um das Anlegervertrauen nach betrügerischen Pleiten von Enron und Worldcom wiederherzustellen.

Pitt habe sich mit seinem rückhaltlosen Votum für Webster viele Feinde gemacht, hieß es in Washington. So habe zum Beispiel der demokratische Senator Paul Sarbanes, der Architekt des neuen Gesetzes über die Wirtschaftsprüfer, seine Ablösung gefordert. Carl Levin, ein anderer einflussreicher Senator, schrieb an Bush: "Von seinen persönlichen Verbindungen zu Firmen, die unter dem Verdacht der unsauberen Bilanzierung stehen, bis zu seiner Rücksichtnahme auf Prüfgesellschaften, die sich einer schärferen Kontrolle widersetzen, hat Herr Pitt gezeigt, dass er weder über das nötige Augenmaß noch die Glaubwürdigkeit verfügt, die für dieses wichtige Amt unerlässlich sind."

Frühe Rücktrittsforderung

Pitt hatte als Rechtsanwalt auch Wirtschaftsprüfer vertreten. In einer Rede im Jahr 2001 hatte er gesagt, die SEC werde unter seiner Leitung milder mit den Prüfern umgehen als unter seinem Vorgänger Arthur Levitt. Schon im September forderten die Demokraten im Kongress Pitts Rücktritt. Kürzlich hatte er die Ernennung des Prüferkritikers John Biggs, des ehemaligen Chefs des Pensionsfonds TIAA-CREF, zum Leiter der neuen Aufsichtsbehörde abgeblockt.

© 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP

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