Im Spionageprozess ist der Ausgang völlig offen
Am zweiten Weihnachtsfeiertag beginnt in der Türkei ein Prozess, bei dem Deutsche auf der Anklagebank sitzen werden und der im Vorfeld schon Verstimmungen in Berlin ausgelöst hat: Den Vertretern parteinaher deutscher Stiftungen in der Türkei - von der CDU über SPD und FDP bis hin zu den Grünen - wird vorgeworfen, sich gegen den türkischen Staat verschworen zu haben. Über das Verfahren berichtet Dieter Sinnuber, Korrespondent des BR, für tagesschau.de.
Der Prozeßauftakt im dunklen, festungsartigen Gebäude des Staatssicherheits-Gerichts in Ankara ist für neun Uhr angesetzt. Auf der Anklagebank sollen die Türkei-Repräsentanten der vier politischen Stiftungen (Konrad-Adenauer-, Friedrich-Ebert-, Friedrich-Naumann- und Heinrich-Böll-Stiftung) sowie des renommierten Orient-Instituts Platz nehmen. Für den ersten Tag des Verfahrens ist nur wenig Zeit eingeplant, davor und danach ist der Saal für andere Prozesse reserviert.
Zusammen mit den Deutschen sind auch türkische Mitarbeiter angeklagt. Es heißt, etwa 2000 türkische Anwälte hätten sich bereit erklärt, diese freiwillig und kostenlos zu vertreten, etwa 50 dieser Advokaten wollen versuchen, mit im Saal zu sein. Zudem sollen einige Busladungen von Menschen aus der west-türkischen Region Bergama zum Gericht fahren und demonstrieren.
Die Akte Bergma
"Bergama" ist einer der Schlüsselorte dieses Verfahrens. Dort hatte man vor Jahren geplant, die Goldvorkommen mit Hilfe von giftigem Cyanid abzubauen, viele Bürger wehrten sich dagegen. Und erhielten, laut Anklage, mehr als nur ideelle Unterstützung bei ihrem Abwehrkampf von den deutschen Institutionen. Und hier kommt ein Name ins Spiel, der in den vergangenen Tagen zu einem Aufschrei in der Türkei geführt hat: Necip Hablemitoglu, Professor für das Lehrfach "Die Prinzipien Atatürks und die Geschichte der Revolution". Er hatte mit seinem Buch "Die Akte Bergama" das Verfahren ins Rollen gebracht. Auf einen kurzen Nenner gebracht, wirft er den Deutschen darin vor, mit unrechtmäßigen und konspirativen Methoden nicht nur den mächtigen deutschen Goldhandel unterstützt, sondern letztlich gegen die Türkei spioniert und agitiert zu haben.
Attentat auf Hablemitoglu
Wenige Tage vor dem Prozeßbeginn lauerte ein offenbar professioneller Killer dem Hochschullehrer vor seinem Haus in Ankara auf und tötete ihn mit zwei Kugeln. Verwertbare Spuren haben die Ermittler bisher offenbar nicht gefunden. Das Begräbnis wurde zu einem veritablen Staatsakt, angeführt von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer, dem Premierminister, dem Generalstabschef, den Vor-sitzenden vieler Parteien und dem ehemaligen Staatsanwalt Nuh Mete Yüksel, der auf der Basis des Bergama-Buches seine Anklage gezimmert hatte.
Auch Islamisten als Feinbild
Hablemitoglu war ein wortgewaltiges Sprachrohr derer, die die Türkei von inneren und äußeren Feinden in ihren Grundwerten und ihrer staatlichen Einheit bedroht sehen. Und sein gewaltsamer Tod weckte Erinnerungen an zahllose politische Morde, die das Land vor Jahren erschüttert und zu Umstürzen des Militärs geführt hatten. Zum Hablemitoglus Feindbild gehören neben einigen Nachbarstaaten auch Islamisten, die angeblich den laizistischen Staat beseitigen wollen und elferhelfer bis hinein in wichtige staatliche Institutionen, auch in- und ausländische Geheimdienste, gefunden haben sollen.
Atmosphäre aufgeheizt
Der Mord an Hablemitoglu schafft eine aufgeheizte Atmosphäre zum Beginn des Verfahrens gegen die deutschen Stiftungen. Das Losverfahren, so heißt es, habe einen Richter zum Vorsitzenden der Kammer bestimmt, der als sehr "scharf" beschrieben wird. Noch hofft man aber, daß politischer Druck den Prozeß verkürzen könnte, den Regierenden von der gemäßigt-islamischen Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt ist die Aktion der Strafverfolger äußerst peinlich. Die Hardliner in der Justiz wieder könnten versucht sein, hier ein Exempel zu statuieren nach dem Motto, Gerichte seien unabhängig und die Politik habe sich heraus zu halten.
Berlin in Sorge
Bundestagspräsident Thierse schrieb vor einigen Tagen an den türkischen Parlamentspräsidenten Arinc, das "am 26. Dezember in Ihrem Land beginnende Gerichtsverfahren gegen fünf politische Stiftungen ... bereitet mir Sorge... Ich wäre Ihnen ... sehr dankbar, wenn Sie alles in Ihren Möglichkeiten Stehende tun könnten, daß von diesem Prozeß und seinem Verlauf keine schädlichen Wirkungen auf das gute deutsch-türkische Verhältnis ausgehen." Die Sorge ist begründet, aber ob sie abgebaut werden kann, werden erst die nächsten Monate zeigen.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag beginnt in der Türkei ein Prozess, bei dem Deutsche auf der Anklagebank sitzen werden und der im Vorfeld schon Verstimmungen in Berlin ausgelöst hat: Den Vertretern parteinaher deutscher Stiftungen in der Türkei - von der CDU über SPD und FDP bis hin zu den Grünen - wird vorgeworfen, sich gegen den türkischen Staat verschworen zu haben. Über das Verfahren berichtet Dieter Sinnuber, Korrespondent des BR, für tagesschau.de.
Der Prozeßauftakt im dunklen, festungsartigen Gebäude des Staatssicherheits-Gerichts in Ankara ist für neun Uhr angesetzt. Auf der Anklagebank sollen die Türkei-Repräsentanten der vier politischen Stiftungen (Konrad-Adenauer-, Friedrich-Ebert-, Friedrich-Naumann- und Heinrich-Böll-Stiftung) sowie des renommierten Orient-Instituts Platz nehmen. Für den ersten Tag des Verfahrens ist nur wenig Zeit eingeplant, davor und danach ist der Saal für andere Prozesse reserviert.
Zusammen mit den Deutschen sind auch türkische Mitarbeiter angeklagt. Es heißt, etwa 2000 türkische Anwälte hätten sich bereit erklärt, diese freiwillig und kostenlos zu vertreten, etwa 50 dieser Advokaten wollen versuchen, mit im Saal zu sein. Zudem sollen einige Busladungen von Menschen aus der west-türkischen Region Bergama zum Gericht fahren und demonstrieren.
Die Akte Bergma
"Bergama" ist einer der Schlüsselorte dieses Verfahrens. Dort hatte man vor Jahren geplant, die Goldvorkommen mit Hilfe von giftigem Cyanid abzubauen, viele Bürger wehrten sich dagegen. Und erhielten, laut Anklage, mehr als nur ideelle Unterstützung bei ihrem Abwehrkampf von den deutschen Institutionen. Und hier kommt ein Name ins Spiel, der in den vergangenen Tagen zu einem Aufschrei in der Türkei geführt hat: Necip Hablemitoglu, Professor für das Lehrfach "Die Prinzipien Atatürks und die Geschichte der Revolution". Er hatte mit seinem Buch "Die Akte Bergama" das Verfahren ins Rollen gebracht. Auf einen kurzen Nenner gebracht, wirft er den Deutschen darin vor, mit unrechtmäßigen und konspirativen Methoden nicht nur den mächtigen deutschen Goldhandel unterstützt, sondern letztlich gegen die Türkei spioniert und agitiert zu haben.
Attentat auf Hablemitoglu
Wenige Tage vor dem Prozeßbeginn lauerte ein offenbar professioneller Killer dem Hochschullehrer vor seinem Haus in Ankara auf und tötete ihn mit zwei Kugeln. Verwertbare Spuren haben die Ermittler bisher offenbar nicht gefunden. Das Begräbnis wurde zu einem veritablen Staatsakt, angeführt von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer, dem Premierminister, dem Generalstabschef, den Vor-sitzenden vieler Parteien und dem ehemaligen Staatsanwalt Nuh Mete Yüksel, der auf der Basis des Bergama-Buches seine Anklage gezimmert hatte.
Auch Islamisten als Feinbild
Hablemitoglu war ein wortgewaltiges Sprachrohr derer, die die Türkei von inneren und äußeren Feinden in ihren Grundwerten und ihrer staatlichen Einheit bedroht sehen. Und sein gewaltsamer Tod weckte Erinnerungen an zahllose politische Morde, die das Land vor Jahren erschüttert und zu Umstürzen des Militärs geführt hatten. Zum Hablemitoglus Feindbild gehören neben einigen Nachbarstaaten auch Islamisten, die angeblich den laizistischen Staat beseitigen wollen und elferhelfer bis hinein in wichtige staatliche Institutionen, auch in- und ausländische Geheimdienste, gefunden haben sollen.
Atmosphäre aufgeheizt
Der Mord an Hablemitoglu schafft eine aufgeheizte Atmosphäre zum Beginn des Verfahrens gegen die deutschen Stiftungen. Das Losverfahren, so heißt es, habe einen Richter zum Vorsitzenden der Kammer bestimmt, der als sehr "scharf" beschrieben wird. Noch hofft man aber, daß politischer Druck den Prozeß verkürzen könnte, den Regierenden von der gemäßigt-islamischen Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt ist die Aktion der Strafverfolger äußerst peinlich. Die Hardliner in der Justiz wieder könnten versucht sein, hier ein Exempel zu statuieren nach dem Motto, Gerichte seien unabhängig und die Politik habe sich heraus zu halten.
Berlin in Sorge
Bundestagspräsident Thierse schrieb vor einigen Tagen an den türkischen Parlamentspräsidenten Arinc, das "am 26. Dezember in Ihrem Land beginnende Gerichtsverfahren gegen fünf politische Stiftungen ... bereitet mir Sorge... Ich wäre Ihnen ... sehr dankbar, wenn Sie alles in Ihren Möglichkeiten Stehende tun könnten, daß von diesem Prozeß und seinem Verlauf keine schädlichen Wirkungen auf das gute deutsch-türkische Verhältnis ausgehen." Die Sorge ist begründet, aber ob sie abgebaut werden kann, werden erst die nächsten Monate zeigen.