Urlaubstitel: Ladenhüter der Saison
TUI droht sogar Abstieg aus dem Dax - Nur Nischenanbieter haben Kurschancen
von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz
Berlin - Wann wird's mal wieder richtig Sommer? Das fragte sich nicht nur der Pop-Poet Rudi Carell, das fragen sich derzeit auch die Besitzer von Touristik-Aktien. Denn obwohl 2004 zum ersten Mal seit drei Jahren wieder eine gute Saison verheißt, kommen die Titel der Branche nicht so richtig in Fahrt. Im Gegenteil: Pünktlich zum Start der Sommersaison diskutieren Börsianer sogar darüber, ob Europas größter Reisekonzern TUI demnächst aus dem Dax absteigt. Denn bei der Marktkapitalisierung erfüllen die Hannoveraner nur noch gerade so die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in Deutschlands Börsenoberliga. Gut möglich daher, dass der Dax zum Ende der Reisesaison im September ohne die Urlaubsaktie dasteht.
Dabei ist die globale Fremdenverkehrsbranche mit einem Umsatz von 2,2 Billionen Euro einer der größten Wirtschaftszweige überhaupt. "Der Sektor ist extrem komplex, da von Fluglinien über Hotelanbieter, Veranstalter, Reisebüros bis hin zu Buchungsagenturen alle in unterschiedlichen Konstellationen mitmischen", benennt James Ainley, Analyst bei Dresdner Kleinwort Wasserstein (DrKW) in London, das Problem. "Wer nicht flexibel genug auf die wechselnden Ansprüche der Kunden reagiert, ist schnell auf dem absteigenden Ast."
Zwei Entwicklungen prägten die vergangenen Jahre: Die Verbraucher buchen ihre Reisen immer kurzfristiger, und statt langen Urlaubs geht der Trend immer stärker zu Kurztrips. Auf der derzeitigen Beliebtheitsskala ganz oben rangieren etwa Städtereisen. Doch die schwer einschätzbaren Nachfragetrends sind nur ein Problem, mit dem die Anleger konfrontiert sind. Auch die Angebotsseite ist einem ständigen Wandel unterworfen. So macht ein Touristikkonzern mal eben so eine Billigfluglinie auf (wie bei TUI gesehen) oder eine Internet-Buchungsagentur expandiert ins klassische Reisegeschäft.
Inflexibilität wird in einem derartigen Markt somit überhaupt nicht goutiert. Wer als Veranstalter zum Beispiel den Trend Ende der neunziger Jahre mitmachte und als integrierter Reisekonzern vom Flug bis zum Hotelbett den kompletten Urlaub als Universalpaket anbot, dem bläst heute der Wind mächtig ins Gesicht, da sich die Verbraucher ihren Urlaub lieber selber zusammenstellen. In die Röhre schauen auch jene Anbieter, die sich ausschließlich auf Pauschaltrips konzentrieren, wenn Urlauber plötzlich lieber Städtereisen machen. Und kracht es dann noch in der Welt, und die Urlauber machen lieber im Inland Ferien, ist der Fernreisenspezialist arm dran.
Der europäische Branchenprimus TUI und seine Aktionäre haben da so ihre Erfahrungen gesammelt. Immer wenn das Management den Konzern umgebaut hatte, um neuen Markttrends gerecht zu werden, wartete bereits die nächste Überraschung auf die Hannoveraner. Beispiel Billig-Airlines. Um von dem Trend zu Städtereisen zu profitieren, gründete TUI mit Hapag-Lloyd-Express (HXL) einen eigenen Low-Cost-Carrier. Freilich kam nicht nur TUI auf die Idee. Seit der schlimmsten Luftfahrtkrise seit September 2001 wurden nach Berechnungen der Credit Suisse First Boston in Europa nicht weniger als 20 Billig-Airlines aus der Taufe gehoben. Sie tragen so fantasievolle Namen wie Snowflake, Wizz, Fly-Globe-Span oder Edelweiß. Mittlerweile tobt ein mörderischer Verdrängungswettbewerb in der Branche, so dass die Experten Anleger davor warnen, in diesem Sektor unbedarft Positionen einzugehen.
Insgesamt kommt bei Analysten keine richtige Freude auf, wenn es um Urlaubsaktien geht. Bei TUI sehen Profis die größte Kursfantasie bezeichnenderweise nicht durchs Touristikgeschäft kommen, sondern durch einen möglichen hohen Verkaufspreis beim Börsengang der Logistiksparte Hapag-Lloyd. DrKW-Analyst Ainley empfiehlt daher eher spezialisierte Reiseunternehmen wie First Choice, Holidaybreak oder Ebookers. Wer das Risiko scheut, in solch kleine Werte zu investieren, sollte sein Geld lieber einen schönen Urlaub stecken.
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