DJ BÖRSEN-AUSBLICK/DAX vor kurzer Erholungswoche
FRANKFURT (Dow Jones)--Möglicherweise steht dem DAX eine Erholungswoche
bevor. Nach der Steilvorlage durch die enttäuschenden US-Arbeitsmarktdaten
könne sich auch der deutsche Markt von den vergangenen Blessuren erholen,
heißt es. Technische Analysten sehen jedoch noch keine Entwarnung und
rechnen bereits ab 5.900 Punkten mit erneuten Gewinnmitnahmen.
Startschuss für die leichte Erholung ab Donnerstag habe die extrem
schlechte Stimmung im Markt gegeben. "Hier waren alle völlig angewidert,
über das was ablief", sagte ein Händler. Nachrichten hätten
seine Kollegen kaum noch hören wollen, man habe lediglich große
Portfolios "mechanisch plattgemacht". Dieser Verkaufsdruck sei nun als
irrational erkannt worden, was zu Rückkäufen geführt habe.
"Echte neue Nettokäufe sehen wir aber bis jetzt noch nicht", sagte der
Händler selbst nach Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten. Dies
spreche für eine nur kurze Lebensdauer der Erholung.
Die US-Arbeitsmarktdaten für den Monat Juni waren so schlecht
ausgefallen, dass der Markt nun keine Angst vor einer großen
Zinserhöhung in den USA haben müsse, hieß es im Handel. Nur die
EZB-Sitzung in der kommenden Woche hänge noch wie ein "Damokles-Schwert"
über dem europäischen Markt, da die jüngsten EU-Konjunkturdaten
überraschend gut ausgefallen waren. Die US-Daten verfehlten hingegen jede
Erwartung: Dort wurden nur 75.000 statt wie erwartet 176.000 neuer Stellen
geschaffen. In der Industrie habe sich sogar ein "Debakel" abgespielt, da
14.000 Plätze vernichtet und nicht wie prognostiziert 5.000 neue
geschaffen wurden.
Dies könne jedoch nur kurzfristig helfen - die langfristige Belastung
sei weiter intakt: Über dem Markt als Ganzes hänge weiter der Wegfall
des "Greenspan Put", heißt es im Handel. Der ehemalige
US-Notenbank-Präsident habe dem Markt durch seine Aussagen Sicherheit
verschafft. Bei Greenspan wurde erwartet, dass er Haussen laufen ließ und
bei Baissen durch rasche Liquiditätszufuhr eingreift. Diese "Versicherung
gegen fallende Kurse" wurde an der Börse als Greenspan Put bezeichnet.
Mit dem neuen Präsidenten Bernanke sei diese kostenlose Versicherung
nun weggefallen. "Er äußert sich noch zu unklar", sagte ein
Händler. Die Versicherung müsste nun teuer über den Markt
erkauft werden. Konsenquenterweise konnten daher die alten, geringen
Risikoaufschläge auf riskante Investments nicht mehr akzeptiert werden:
Bei sämtlichen Anlageklassen mussten daher diese Risikoaufschläge
steigen, sprich, die Preise der Assets fallen.
Daher sei es zu dem globalen Phänomen gekommen, dass sämtliche
Anlageklassen gleichzeitig gefallen sind: Von der Aktie bis zum Rohstoff
über die Renten waren teils deftige Kursverluste die Folge. Die Analysten
von Morgan Stanley warnten sogar davor, dass die geringe Angst vor dem
Anlagerisiko in der Vergangenheit die Form einer "Risk Bubble" angenommen
hätten. Dies werde noch verstärkt von einem globalen
Liquiditätsentzug, nachdem die Zinssteigerungen deutliche Wirkung
entfalteten.
"Per Saldo heißt das, selbst eine deutliche US-Zins-Erhöhung
könnte die Weltmärkt beflügeln, wenn von Bernanke ein
ähnlich klares Bekenntnis zugunsten der Aktienmärkte käme, wie
bei Greenspan", sagt ein Analyst dazu. Bis dahin sei mit weiter gedrückten
Kursen zu rechnen. Noch seien zu viele "Momentum-Spieler" im Markt, die auf
steigende Wachstumsraten gesetzt hatten. Erst wenn sie durch Value-Anleger und
Stock Picker ersetzt würden, sei mit einem Marktboden zu rechnen.
Technische Analysten unterschiedlicher Methodik unterstreichen dieses Bild.
"Eine derart heftige Korrektur lässt sich nicht mit einer Umkehr aus dem
Stand korrigieren", sagt ein Analyst: Eine V-Umkehr sei daher sehr
unwahrscheinlich. Eher könne es zu einer Flaggen-Formation kommen; zu
dieser werde jedoch noch ein lokales Tief mit Schlusskursen unter 5.500
benötigt. Das aktuelle Potenzial sei bei 5.900 begrenzt.
Unter den Daten der kommenden Woche hat nur die EZB-Entscheidung am
Donnerstag das Potenzial, für eine derart starke Marktbewegung zu sorgen.
In den USA wird am Montag der ISM-Index für den Service-Bereich
veröffentlicht. Dienstag stehen deutsche und EU-Einkaufsmanager-Indizes
an, am Mittwoch die Bilanz-PK bei Heideldruck. Neben der EZB gibt es noch
touristisches Zahlengut: So berichten Scandinavian Airlines SAS und Lufthansa
ihre Verkehrszahlen, sowie voestalpine ihr Jahresergebnis. Ab Freitag beginnt
die wichtigste Berichtssaison des Jahres: Dann geben Deutschland-Costa-Rica und
Polen-Ecuador ihre Ergebnisse bekannt.
-Von Michael Otto Denzin, Dow Jones Newswires; +49 (0)69-29725 218;
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June 02, 2006 10:48 ET (14:48 GMT)
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