Short-Squeeze und alte Traderregeln
von Jochen Steffens
Eine nette Short-Squeeze, die wir gerade im Dax erleben. Diese ist die erste, seit einem Monat und damit ist sie auch das erste Zeichen von Stärke seit dieser Zeit.
Sie sehen, dass sich in dem letzten Monat eigentlich kein deutliches neues Hoch mehr gebildet hat. Die Kurse haben es höchstens einmal ganz kurz gewagt, über die alten Hochs zu lugen. Mit dem heutigen Kursverlauf hat sich das geändert. Klar ersichtlich bildete sich das erste höhere Bewegungshoch. Das ist somit ein erstes Zeichen von Stärke.
Alte Traderregeln
Nun, wenn Sie meine Newsletter schon länger lesen, kennen Sie die alte Traderregel: Die erste Short-Squeeze ist selten die letzte. So abgegriffen sich diese Regeln auch manchmal anhören mögen, so zutreffend sind sie in den meisten Fällen. Diese Regel würde demnach dafür sprechen, dass wir noch ein weiteres Tief sehen. Leider gibt es aber auch noch eine andere Traderregel, die in diesem besonderen Fall nicht zu der Regel mit der Short-Squeeze passt. Den ersten Bodenbildungsversuch muss man übergehen und ersten den zweiten sollte man traden.
Zweiter Boden
Der erste Boden war das Rounding, das am 10.07.08 nach unten verlassen wurde (siehe Chart). In den letzten Tagen bildete sich der zweite Boden in Form eine „W“-Formation. Meistens passen die beiden Regeln eigentlich gut zusammen, nur in diesem besonderen Fall heben sich auf. Ärgerlich, denn damit bleibt die Frage, ob es ein Boden ist oder nicht, zunächst unbeantwortet.
Ich denke, die wichtige Marke ist nach wie vor die 6400 Punkte Marke. Bis dahin ist alles nur eine Erholung im Abwärtstrend. Über 6400 Punkten würde sich auch das erste entscheidende höhere Hoch ausbilden. Und erst das wäre ein Zeichen dafür, dass die Bullen wieder mitspielen.
Noch etwas seitwärts?
Im Moment favorisiere ich allerdings eine andere Variante: Ich kann mir gut vorstellen, dass der Dax unterhalb dieser 6400er Marke erst einmal wieder konsolidiert und anschließend erneut zwischen der 6400er und der 6250er Marke volatil hin und her läuft.
Schließlich ist August, die Berichtsaison läuft und es ist nicht auszuschließen, dass verschiedene Unternehmensnachrichten aus den USA die Börsen wie schon Anfang Juni in diese Seitwärtsbewegung zwingen.
Der Vollständigkeit halber
Leider ist es auch durchaus möglich, dass der Markt keine „Gefangenen“ mehr macht und einfach weiter ansteigt. Aktuell sollen die institutionellen Anleger (Fond, Banken, etc) massiv unterinvestiert sein. Wenn also jetzt die Kurse einfach weiter steigen, geraten diese unterhalb der Performancekurve des Dax und müssen einsteigen. Dann kann es sehr impulsiv werden.
Fazit:
Festzuhalten bleibt zunächst, dass es sich bisher nur um eine Short-Squeeze handelt. Solche tauchen in allen Abverkäufen gerne auf, werden aber häufig ebenso schnell wie sie gekommen sind auch wieder abverkauft. Ein wichtiges Indiz sind Anschlusskäufe. Im Dax liegt die entscheidende Marke jetzt bei 6400 Punkten. Da diese doch sehr augenfällig ist, muss hier mit einem Fehlsignal gerechnet werden. Nein, es ist nicht einfach zurzeit.
JP Morgan überrascht positiv
Letzte Woche hatte ich noch geschrieben, dass es bis zu den Unternemenszahlen der wichtigen Banken noch etwas holprig werden kann. Heute hat schließlich auch mit JP Morgan die erste US-Großbank berichtet. Zwar hat JP-Morgan den Gewinn mal eben auf 54 Cent je Aktie mehr als halbiert, aber die Analysten hatten mit Schlimmerem gerechnet, der Konsens lag bei 44 Cent. Die Märkte nahmen die Nachricht dementsprechend freundlich auf.
Man könnte jetzt also auf die Idee kommen, alles sei nicht so schlimm, wie befürchtet. Heute Abend werden die Zahlen von Merill Lynche erwartet. Wenn diese auch noch gut ausfallen, könnte diese Rallye durchaus noch weiter gehen.
Den Ölpreis nicht aus den Augen verlieren
Wichtiger wird jedoch die weitere Entwicklung des Ölpreises sein, der gestern weiter unter Druck gekommen ist. Egal mit wem ich zurzeit rede, jeder sagt mir, dass der Ölpreis sich gerade nur in einer kurzen Korrektur befindet und bald weiter ansteigen wird. Da die Masse meistens falsch liegt, ist das schon mal ein gutes Zeichen. So gesehen könnte die Korrektur im Öl sich durchaus ausweiten. Ob Öl aber in den nächsten Monaten noch einmal auf 100 Dollar fällt?
Starker Dollar führt zur Auflösung der Absicherungspositionen
Das wird auf den Dollar ankommen und damit auf die Zinspolitik der Fed. Denn ein Grund für den Einbruch des Ölpreises um mehr als 10 Dollar je Barrel ist, dass der Dollar an einer wichtigen Marke gescheitert ist:
Ich denke, hier hegen viele institutionelle Anleger in den USA die Befürchtung, dass es einen kleinen Fehlausbruch nach oben gab und dass der Dollar nun weiter Stärke zeigt. Schließlich verweist die Fed eindringlich auf die Inflationsgefahren. Die Gefahr steigender Zinsen ist gegenwärtig.
Diese Überlegungen führen dazu, dass die Absicherungspositionen, die im Öl gegen einen weiteren Dollarverfall aufgebaut wurden, jetzt verkauft werden. Ich würde das Signal jedoch nicht überbewerten. Meiner Meinung nach ist das aber eine der Hauptgründe, warum der Ölpreis derart plötzlich eingebrochen ist. Sollte der Dollar jetzt tatsächlich weiter Stärke zeigen, wird der Ölpreis weiter fallen – keine Frage. Und dann ist ein Retest an die 100 Dollar-Marke, als einer psychologisch wichtigen Marke, durchaus denkbar.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens