Medienkonzerne
Von Lutz Meier, Berlin
Die Medienunternehmen haben ihre Erwartungen niedrig angesetzt. Nachdem sie 2001 durch den Rückgang der Werbebuchungen böse aus ihren überzogenen Wachstumsträumen geweckt worden waren, müssen sie sich jetzt auf die Realität einstellen: Auch dieses Jahr wird schwierig. Zu allem Übel stehen die Branchenführer vor enormen Integrationsanstrengungen.
Wenn man es kurz machen will, kann man die Aussichten für die Medienbranche im angelaufenen Jahr mit einem Satz zusammenfassen: Sie sind miserabel. Nach einem Jahr, in dem sich Umsatzausfälle, Gewinnwarnungen und Entlassungsankündigungen jagten und schließlich die Folgen der Anschläge vom 11. September alle Hoffnungen zerstörten, stellen sich die großen Medienkonzerne auf ein zweites schlechtes Jahr ein. In ihren eigenen Prognosen rechnen sie fast durch die Bank bestenfalls mit einem leichten Wachstum gegenüber 2001. Die meisten Analysten sind noch vorsichtiger. "Wir erwarten absolut keine Erholung in diesem Jahr", sagt Matthew Owen von Morgan Stanley Dean Witter mit Blick auf den trüben Werbemarkt.
AOL Time Warner
Konjunktur Der Abschwung hat den Branchenführer hart getroffen. Das Wachstum beim Netz-dienst AOL hat sich stark vermindert. Besonders schadet der Einbruch der Web-Werbung. Warner Music steht in dem schwindenden Markt nur mittelmäßig da. Der Verkauf medienübergreifender Werbepakete läuft erst an.
Struktur Die Führung tut sich schwer, aus dem zerklüfteten Konglomerat eine Einheit zu formen. Das Börsenimage leidet unter unrealistischen Versprechungen. Der Kauf des AT&T-Kabelnetzes scheiterte. Dem Konzern fehlt eine große TV-Kette.
Zukunft Der neue Chef Richard Parsons verspricht Fokussierung auf klassische Medien.
Bertelsmann
Konjunktur Die TV-Kette RTL Group leidet ebenso unter dem Werbeminus wie die Verlagssparte Gruner + Jahr - die auch Gesellschafter der FTD ist. Die Musiktochter BMG kämpft mit enormen Problemen. Im Kerngeschäft hat der Konzern schon in dem im Sommer geendeten Geschäftsjahr Minus geschrieben.
Struktur Bertelsmann hat eine gut gefüllte Kasse und ist durch sein breites Portfolio für einen Aufschwung gerüstet. Doch die Integration und Konsolidierung der vielen Geschäfte kommt nur sehr langsam voran.
Zukunft Der Konzern bereitet den Börsengang vor - schlüssige Argumente für Investoren muss er erst noch entwickeln.
Disney
Konjunktur Disney glaubte, mit seinem breiten Portfolio (Vergnügungsparks, Fanartikel) die Werbekrise gut zu überstehen. Dann traf der 11. September jene Geschäfte umso stärker. Der TV-Sender ABC hat seine größten Erfolge vorerst hinter sich.
Struktur Große Probleme gibt es im Stammgeschäft - dem traditionsreichen Filmstudio. Dort läuft nun die Konkurrenz Disney den Rang ab. Filme floppten ("Atlantis"), "Pearl Harbor" wurde kein Megahit. Zudem besitzt der Konzern keine Übertragungsnetze.
Zukunft Das desolate Web-Investment soll 2002 kein Minus mehr machen. Ungeklärt ist, wer Konzernchef Michael Eisner folgt.
Viacom
Konjunktur Obwohl der drittgrößte US-Medienkonzern viel abhängiger von der Werbung ist als AOL Time Warner und Disney, ist er in den Ergebnissen weniger davon betroffen. Allerdings machen dem Konzern hohe Verluste bei der Videoverleihkette Blockbuster zu schaffen. Und der TV-Sender CBS hat keinen Ersatz für den Quotenhit "Survivor".
Struktur Viacom hat die Integration der Fernsehkette CBS vergleichsweise gut bewältigt. Verglichen mit seinen Konkurrenten wirkt der Konzern inzwischen wie ein ruhender Pol.
Zukunft Die Marktposition des Musiksenders MTV ist nicht gesichert. Insgesamt erwarten Analysten Stabilität.
Vivendi Universal
Konjunktur Auch das neu gebildete französisch-amerikanische Medienimperium ist vom Werbemarkt relativ unabhängig. Unter der Konjunktur leidet Universal Music, ist bei digitaler Musik aber weiter als die Konkurrenz.
Struktur Vivendi-Chef Jean-Marie Messier hat mit einer furiosen Serie von Übernahmen die Konsolidierung begonnen, während die Konkurrenz noch im Schrecken über die Werbekrise verharrte. Allerdings ist der neue Medienkonzern noch lange nicht fertig geformt.
Zukunft Messier muss die Schulden in den Griff bekommen und die Integration beginnen. In den USA fehlt dem Konzern eine eigene Fernsehsenderkette
News Corporation
Konjunktur Rupert Murdochs Medienkonglomerat ist vom schlechten Werbemarkt vergleichsweise unabhängig – ein Schwerpunkt liegt auf Pay-TV, ein anderer auf Buchverlagen.
Struktur Murdoch scheiterte zum Jahresende mit seinem Plan, den US-Pay-TV-Anbieter DirecTV zu kaufen und damit eine weltweite Satellitensenderkette zu formen. So sieht sein Portfolio weiterhin wie ein Sammelsurium aus.
Zukunft Der britische Pay-TV-Sender BSkyB hat es wohl geschafft – er soll Gewinne schreiben. Und mit Kabelbaron John Malone hat Murdoch einen wichtigen Partner in Europa. Allerdings hat er auch hohe Schulden.
Ein zweites schlechtes Jahr fängt an, aber immerhin eines, auf das die Konzerne vorbereitet sind. Zu sehr hat sich in den Führungsspitzen die Erfahrung aus dem letzten Jahr eingeprägt: Das böse Erwachen nach dem ersten Quartal, als die Medienmanager monatelang nicht glauben wollten, dass der Jahrhundertboom bei den Werbebuchungen zu Ende ist und dass die Gelder nun ausbleiben, die ihnen sorglose Zeiten beschert hatten und ebensolche Investitionen. Dabei war es nur so gekommen wie es in den Lehrbüchern steht: Bei Konjunktursorgen kürzen die Unternehmen als erstes ihre Werbeausgaben - deswegen merken Medienkonzerne Abschwungstendenzen früher - und zum Teil deutlicher - als andere Branchen.
Werden sich analog dazu auch Aufschwungstendenzen als Erstes mit rasanten Zuwächsen in den Kassen der Medienkonzerne niederschlagen? Was das betrifft, sind die Erwartungen vorsichtiger. Denn der Aufstieg wird kaum so steil sein wie der Sturz. Dazu kommt, dass die Medienunternehmen von einem wohl einmaligen Boom profitiert haben: Einerseits von einer ungewöhnlich hohen Zahl an Börsengängen, die besonders für weltweite Wirtschaftsmedien einträgliche Werbegeschäfte nach sich zogen. Andererseits von Technologie und Telekomfirmen, die glaubten, Marketinginvestitionen seien zunächst wichtiger als Einnahmen. Diese Ökonomie ist bekanntlich nicht aufgegangen. Zwar erwartet die Investmentbank Merrill Lynch anders als die Kollegen von Morgan Stanley schon im zweiten Halbjahr einen leichten Aufschwung. Aber ihr Londoner Analyst Thomas Deitz sagt auch, "die guten Jahre kommen nicht zurück".
Das ist für die Medienunternehmen insofern prekär, als viele von ihnen im Glauben an jene Ökonomie das Geld mit vollen Händen ausgegeben haben. Fast alle führenden Medienkonzerne haben sich mit Internetinvestitionen ebenso verspekuliert wie die Startups. Und sie haben die guten Zeiten nicht genutzt, um in ihren Strukturen aufzuräumen und um eine Kriegskasse anzulegen. Die meisten der großen Medienkonglomerate stehen heute ziemlich klamm da, weil sie darauf vertraut haben, dass die Finanzmärkte der Branche gewogen bleiben und das nötige Geld schon liefern werden. Hier ist nur der deutsche Bertelsmann-Konzern die Ausnahme, der sich durch ein elegantes Geschäft mit Konkurrent AOL Time Warner Milliarden verschaffte, um handeln zu können, ohne auf die Stimmung an den Börsen Rücksicht nehmen zu müssen.
Nötige Aufräumarbeiten
Die nötigen Aufräumarbeiten müssen nun in dem erwarteten schlechten Jahr 2002 stattfinden. Neu gebildete Konglomerate wie AOL Time Warner und Vivendi Universal stehen ebenso wie die traditionellen Konglomerate Disney und Bertelsmann unter dem Druck, völlig disparate Geschäfte zu integrieren. Zudem müssen sie beweisen, dass es von Vorteil ist, wenn ein Konzern gleichzeitig Fernsehsender, Magazin- und Buchverlage, Filmproduzenten, Internetanbieter und sogar Vergnügungsparks unterhält. Die digitale Ökonomie mache Inhalte und Marken universell auf allen Ebenen verwertbar, hatten die Führungskräfte in den letzten Jahren geschwärmt. Bislang haben jedoch weder AOL Time Warner noch Bertelsmann zeigen können, dass das von ihren Konzernchefs gepriesene Konzept des "integrierten Medienkonzerns" funktionieren kann.
So war etwa der "Harry Potter"-Film als Muster der Verwertungskette im neuen Reich AOL Time Warner gedacht. Doch die Praxis zeigte, dass dies nur begrenzt klappt - so wurden die TV-Rechte an den Konkurrenten Disney verkauft. Dabei hatte gerade die Fusion von AOL und Time Warner im Jahr 2000 die Euphorie für die weltweite Konsolidierung der Medienbranche begründet.
Unter dem Druck der Lage werden die Spitzen der Medienkonglomerate nun erst recht ihre zusammengewürfelten Reiche überprüfen müssen. "Das wird ein Jahr des Umstrukturierens", prophezeit Morgan-Stanley-Analyst Owen, " - ein Jahr der Fusionen und Anteilsverkäufe." Für letztere können die Medienkonzerne allerdings kaum hohe Preise erwarten. Vielleicht rüsten sie die Konzerne damit aber dafür, wieder bessere Geschäfte zu machen - im Jahr 2003.