Aus der FTD vom 21.2.2003 www.ftd.de/kapital
Das Kapital: Ist ThyssenKrupp glatt das Doppelte wert?
Man hätte es ahnen müssen: Analysten sind auch nur Menschen. Die mit ThyssenKrupp betrauten lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Nicht wenige rechnen systematisch falsch, zu Ungunsten von Thyssen.
Zum Ausgleich schätzen sie relativ hohe Gewinne, damit ihre Kursziele nicht lächerlich niedrig daher kommen. Andererseits gibt es solche, die zwar richtig rechnen. Um ihre Diskontierungsmodelle nicht durch die Decke schießen zu lassen, tricksen sie dafür sonst wo. Besonders beliebt sind verhaltene Geschäftsprognosen.
Der Knackpunkt ist die Behandlung von Rückstellungen für Pensionen und Gesundheitsfürsorgeverpflichtungen von insgesamt 7 Mrd. Euro. Davon entfallen 5,9 Mrd. Euro auf rückstellungsfinanzierte Pensionszusagen in Deutschland und Italien, womit vor allem angelsächsische Broker ihre liebe Not haben. Ohne Frage sind diese eine Art von Fremdkapital, mit denen Thyssen Anlagen finanziert hat. Entsprechend definieren die Analysten den Unternehmenswert (EV) grob gesprochen als Börsenwert (5,1) plus Netto-Finanzverbindlichkeiten (4,9) plus Pensionsrückstellungen (7), also auf 17 Mrd. Euro.
Der Schlamassel fängt an, sobald man den so kalkulierten EV mit dem Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Goodwill (Ebitda) vergleicht. Viele verwenden dazu den ausgewiesenen Ebitda. Das ist Unsinn! Denn der ist bereits um Pensionskosten geschmälert. So hat Thyssen 2001/2 für rückstellungsfinanzierte Pensionen 437 Mio. Euro als Gehaltskosten verbucht. Die tatsächlichen Rentenzahlungen beliefen sich auf 444 Mio. Euro. Will man also ermitteln, wie viel für Aktionäre, Gläubiger und (künftige) Rentner vorhanden ist, dann muss ein Gutteil der Pensionskosten zum Ebitda zurückaddiert werden. Zumindest gilt das für die Aufzinsung der bereits erworbenen Ansprüche von 336 Mio. Euro. Sonst würden die Pensionskosten Thyssen ja doppelt angekreidet.
Das ist so, als ob man den diskontierten freien Cashflow von vornherein nach Zinsen berechnete - und zur Aktienbewertung trotzdem die Netto-Schulden abziehen würde. Ein kleines Rechenbeispiel zeigt, was dieser Irrtum bedeutet. Sagen wir, Thyssen erziele operativ einen freien Cashflow von 0,8 Mrd. Euro, der über den Zyklus im Mittel um drei Prozent wachse. Mit acht Prozent diskontiert, ergibt das einen fairen EV von 16 Mrd. Euro. Die Finanzschulden und die Pensionsrückstellungen abgezogen, entspräche das einem fairen Aktienwert von 4,1 Mrd. Euro.
Bloß geht die Kapitalflussrechnung von Thyssen ja vom Netto-Gewinn aus. Wer also die Rückstellungen als Verbindlichkeit ansieht, muss korrekterweise auch die Pensionsaufzinsung von 336 Mio. Euro auf den operativen Cashflow zurückaddieren.
Na ja, und wenn man den operativen Cash um 336 Mio. Euro bereinigt, liegt der faire EV ceteris paribus plötzlich bei 22,7 Mrd. Euro. Nach Abzug von Schulden und Pensionsrückstellungen ergäbe das einen Aktienwert von 10,8 Mrd. Euro. Alternativ könnte man auch einfach den ausgewiesenen Cash (er ist ja da!) diskontieren; dann indes ist der EV nur als Börsenwert plus Schulden zu definieren.
Nach beiden Methoden müsste sich die Aktie glatt verdoppeln - zumindest wenn die weit auseinander klaffenden Analystenschätzungen zum freien Cash im Schnitt zu gebrauchen sind. Dass die Aktie günstig ist, ist jedenfalls mehr als eine Ahnung.
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Mal schauen, wenn das stimmt, dann wäre das eine der peinlichsten Aktionen in der jüngeren I-Banking Geschichte!
Auf jeden Fall lohnenswert das ganze mal weiter zu verfolgen ...
Gruß - Gekko
Das Kapital: Ist ThyssenKrupp glatt das Doppelte wert?
Man hätte es ahnen müssen: Analysten sind auch nur Menschen. Die mit ThyssenKrupp betrauten lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Nicht wenige rechnen systematisch falsch, zu Ungunsten von Thyssen.
Zum Ausgleich schätzen sie relativ hohe Gewinne, damit ihre Kursziele nicht lächerlich niedrig daher kommen. Andererseits gibt es solche, die zwar richtig rechnen. Um ihre Diskontierungsmodelle nicht durch die Decke schießen zu lassen, tricksen sie dafür sonst wo. Besonders beliebt sind verhaltene Geschäftsprognosen.
Der Knackpunkt ist die Behandlung von Rückstellungen für Pensionen und Gesundheitsfürsorgeverpflichtungen von insgesamt 7 Mrd. Euro. Davon entfallen 5,9 Mrd. Euro auf rückstellungsfinanzierte Pensionszusagen in Deutschland und Italien, womit vor allem angelsächsische Broker ihre liebe Not haben. Ohne Frage sind diese eine Art von Fremdkapital, mit denen Thyssen Anlagen finanziert hat. Entsprechend definieren die Analysten den Unternehmenswert (EV) grob gesprochen als Börsenwert (5,1) plus Netto-Finanzverbindlichkeiten (4,9) plus Pensionsrückstellungen (7), also auf 17 Mrd. Euro.
Der Schlamassel fängt an, sobald man den so kalkulierten EV mit dem Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Goodwill (Ebitda) vergleicht. Viele verwenden dazu den ausgewiesenen Ebitda. Das ist Unsinn! Denn der ist bereits um Pensionskosten geschmälert. So hat Thyssen 2001/2 für rückstellungsfinanzierte Pensionen 437 Mio. Euro als Gehaltskosten verbucht. Die tatsächlichen Rentenzahlungen beliefen sich auf 444 Mio. Euro. Will man also ermitteln, wie viel für Aktionäre, Gläubiger und (künftige) Rentner vorhanden ist, dann muss ein Gutteil der Pensionskosten zum Ebitda zurückaddiert werden. Zumindest gilt das für die Aufzinsung der bereits erworbenen Ansprüche von 336 Mio. Euro. Sonst würden die Pensionskosten Thyssen ja doppelt angekreidet.
Das ist so, als ob man den diskontierten freien Cashflow von vornherein nach Zinsen berechnete - und zur Aktienbewertung trotzdem die Netto-Schulden abziehen würde. Ein kleines Rechenbeispiel zeigt, was dieser Irrtum bedeutet. Sagen wir, Thyssen erziele operativ einen freien Cashflow von 0,8 Mrd. Euro, der über den Zyklus im Mittel um drei Prozent wachse. Mit acht Prozent diskontiert, ergibt das einen fairen EV von 16 Mrd. Euro. Die Finanzschulden und die Pensionsrückstellungen abgezogen, entspräche das einem fairen Aktienwert von 4,1 Mrd. Euro.
Bloß geht die Kapitalflussrechnung von Thyssen ja vom Netto-Gewinn aus. Wer also die Rückstellungen als Verbindlichkeit ansieht, muss korrekterweise auch die Pensionsaufzinsung von 336 Mio. Euro auf den operativen Cashflow zurückaddieren.
Na ja, und wenn man den operativen Cash um 336 Mio. Euro bereinigt, liegt der faire EV ceteris paribus plötzlich bei 22,7 Mrd. Euro. Nach Abzug von Schulden und Pensionsrückstellungen ergäbe das einen Aktienwert von 10,8 Mrd. Euro. Alternativ könnte man auch einfach den ausgewiesenen Cash (er ist ja da!) diskontieren; dann indes ist der EV nur als Börsenwert plus Schulden zu definieren.
Nach beiden Methoden müsste sich die Aktie glatt verdoppeln - zumindest wenn die weit auseinander klaffenden Analystenschätzungen zum freien Cash im Schnitt zu gebrauchen sind. Dass die Aktie günstig ist, ist jedenfalls mehr als eine Ahnung.
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Mal schauen, wenn das stimmt, dann wäre das eine der peinlichsten Aktionen in der jüngeren I-Banking Geschichte!
Auf jeden Fall lohnenswert das ganze mal weiter zu verfolgen ...
Gruß - Gekko