Der Chor der Kritiker hatte in den vergangenen Wochen fast täglich Zulauf bekommen, doch nun hat die Deutsche Börse AG reagiert: Der erste und vielleicht wichtigste Schritt ist getan, um dem so furios gestarteten Neuen Markt wieder zu Ansehen zu verhelfen.
Seit März brütete das so genannte Primary Markets Advisory Committee - eine für alle Börsensegmente zuständige 30-köpfige Expertengruppe aus Investmentbankern, Emittenten, Investoren, Wirtschaftsprüfern und dem Börsenvorstand - darüber, wie der Vertrauensverlust der Anleger und vor allem auch der der Emittenten in dieses Marktsegment beseitigt werden kann.
Manchem mag das etwas lange gedauert haben, aber einfach war die Sache auch nicht über die Bühne zu bringen. Gesetze, Börsenordnungen und Ähnliches sind in Deutschland nun nicht von einem Tag zum anderen zu ändern. Das hat weniger mit Bürokratie als viel mehr mit unserer Rechtsstaatlichkeit zu tun - und das ist in diesem Fall auch gut so.
Jetzt also gibt es klare Regeln, wer künftig noch Mitglied des Neuen Markts sein darf: Sollte der Aktienkurs eines Unternehmens an 30 aufeinander folgenden Tagen unter einem Euro liegen und der Börsenwert weniger als 20 Millionen Euro betragen, kommt diese Gesellschaft auf eine Überwachungsliste. Das Unternehmen hat dann 90 Tage Zeit, die Mindestanforderungen zu erfüllen. Das bedeutet, die Mindestanforderungen innerhalb dieser 90 Tage an wenigstens 15 aufeinander folgenden Tagen zu erfüllen. Gelingt das, ist die Sache zunächst erledigt - jedenfalls so lange, bis nicht wieder die Mindestanforderungen unterschritten werden. Gelingt es nicht, wird das Unternehmen einen Monat nach der Bekanntgabe durch die Deutsche Börse vom Kurszettel des Neuen Markts gestrichen. Noch rascher geht das bei konkursreifen Gesellschaften, die werden mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens subito vom Neuen Markt ausgeschlossen.
Das sind harte Regeln, härtere jedenfalls als die des großen Vorbilds Nasdaq, der amerikanischen Computerbörse. Aus heutiger Sicht wären etwa drei Dutzend Unternehmen vom Ausschluss am Neuen Markt bedroht. Ein Aderlass wäre das sicher nicht, zumal damit nicht in jedem Fall zwangsläufig die Börsenära eines Unternehmens beendet ist. Wer eine Bank findet, die den Zulassungsantrag für das Unternehmen zum geregelten Markt stellt, wird sich dann dort wiederfinden. Wo auch das nicht gelingt, bleibt noch der Freiverkehr. Unternehmen können sich nach der entsprechenden Änderung der Börsenordnung dort künftig selbst anmelden. Dieses Segment dürfte dann aber endgültig zum Tummelplatz für Zocker werden.
So weit, so gut, aber die neuen Ausschlussregeln sind nur der erste Schritt zur Verbesserung des Ansehens des Neuen Markts, ja zum Ansehen der Börse insgesamt.
Vielleicht nicht der wichtigste, aber sicher ein imagefördernder Schritt wäre die Verkleinerung des Nemax 50 auf einen Nemax 30 oder gar Nemax 20. Wenn 30 Aktien im Dax die Old Economy repräsentieren, dann reicht diese Zahl allemal auch für die New Economy. Das ständige Auf und Ab in den unteren Rängen des Nemax 50 verwirrt private wie institutionelle Investoren und ist der Attraktivität des Neuen Marktes hinderlich.
Weit wichtiger ist die Forderung, die Transparenz und Aussagekraft der veröffentlichten Bilanzzahlen der am Neuen Markt notierten Unternehmen zu erhöhen. Die Unternehmen müssen zu einer detaillierteren Segmentberichterstattung verpflichtet werden, die mehr Transparenz in die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Unternehmens bringt. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sind die von der Börse jetzt auch veröffentlichten Vorgaben zu so genannten "Strukturierten Quartalsberichten", die vom dritten Quartalsdieses Jahres an verbindlich sein sollen. Nach einem einheitlichen Muster sollen Unternehmen mehr Informationen veröffentlichen, die die Aussagekraft der Quartalsberichte deutlich erhöhen.
Last, but not least muss sich die deutsche Börse endlich zu härteren Strafen für die schwarzen Schafe der Börse durchringen. Verstöße gegen Börsenregeln werden bisher ausgesprochen milde geahndet, Geldstrafen konnten von den Unternehmern in der Regel aus der Portokasse bezahlt werden. Das muss sich ändern, und nicht nur für den Neuen Markt. An Vorschlägen dafür fehlt es nicht. Warum auch sollte ein Vorstand den Gewinn aus einem verbotenen Aktienverkauf bis auf eine läppische Vertragsstrafe behalten dürfen? Gewöhnliche Kriminelle werden schließlich auch nicht so milde behandelt.
Das aber dürfte noch einige Zeit dauern, denn der richtige Rahmen dafür wäre das vierte Finanzmarktförderungsgesetz - und das lässt sich aus den oben genannten Gründen in Deutschland nun mal nicht so schnell verabschieden. In diesem Fall ist das allerdings nicht ganz so gut.
Bernhard Blohm ist Vorstandsvorsitzender der equinet Communications AG, Frankfurt.