Taliban formieren sich zum Gegenschlag

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Taliban formieren sich zum Gegenschlag Brummer

Taliban formieren sich zum Gegenschlag

 
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Ihre Waffen würden sie nur gegen Millionen von Dollar abgeben. Darüber hinaus verlangen die Taliban eine Amnestie. Solange dies nicht garantiert ist, geht der Kampf der Gotteskrieger gegen die Truppen der Anti-Terror-Allianz weiter. Doch nicht nur von den versprengten religiösen Eiferern, die sich neu formieren, droht Gefahr.

Kabul - Die Furcht der Amerikaner, dass sich vertriebene Taliban-Kämpfer reorganisieren, wächst. Gestern erst haben arabische Kämpfer nördlich von Kandahar das Feuer auf eine US-Patrouille eröffnet. Ein amerikanischer Soldat wurde am Fuß verwundet. Auf der anderen Seite wurden 15 Taliban- und al-Qaida-Kämpfer getötet. Die Patrouille nahm 30 Mann gefangen.
Die Mehrzahl der Gefangenen sind Taliban. Die US-Behörden gaben bekannt, dass es sich um Mitglieder der Führerschicht handelt. Ob es Erkenntnisse darüber gibt, ob sich auch Taliban-Chef Mullah Omar in der Gegend von Ghazni befindet, wurde nicht gesagt.

Ein Vertrauter des neuen Gouverneurs von Kandahar, Gul Agha Scherzai, wird in der Londoner "Times" zitiert: "Am Tag als Kandahar fiel, nahmen sie 450 Panzer und Fahrzeuge, Granatwerfer, Maschinengewehre und andere Schusswaffen mit."

Taliban operieren von Bergdörfern aus

Die Amerikaner befinden sich in einem Zwiespalt. Sollen sie massiv gegen die geflohenen Taliban in den Bergdörfern vorgehen und dabei eine ungewisse Zahl von toten Zivilisten in Kauf nehmen, oder sollen sie sich bei der Verfolgung der Taliban zurückhalten - mit der Gefahr, dass es zu Revolten gegen die neue Regierung kommt. Falls es dazu komme, so der Berater aus dem Kreis Gul Aghas, sei ein "Schneeball-Effekt" zu befürchten.

Die Äußerungen seitens der neuen Provinzregierung von Kandahar zeigen: Politisch stehen die neuen Machthaber - die vor den Taliban schon einmal an der Macht waren - auf noch unsicherem Grund. Die "Times" berichtet, bei der Einberufung des "Nationalen Rates" im Fußballstadion von Kandahar am Donnerstag habe Gouverneur Gul Agha Scherzai seine Loyalität zu Zahir Schah, dem früheren König von Afghanistan, vor rund 15.000 Menschen bekundet. Das Stadion sei "nur" dreiviertel voll gewesen, unter den Anwesenden waren 3000 Schulkinder - der Enthusiasmus unter der Bevölkerung über die Regierung Gul Aghas scheint sich in Grenzen zu halten.

Der Iran zündelt in Afghanistan

In seiner Rede griff Gul Agha erneut den Iran an, beschuldigte das Nachbarland, Waffen und Geld ins Land zu pumpen, um die gegenwärtigen Machthaber zu schwächen. Einer der Nutznießer der iranischen Unterstützung: Ismail Khan, wie die meisten Warlords ein alter Haudegen, Gouverneur der im Westen gelegenen Stadt Herat und ein langjähriger Rivale Gul Aghas.

Khan und seine Verbündeten werden vom "Sohn des Löwen von Kandahar" und vom amerikanischen Geheimdienst als Handlanger des Iran gesehen. Sie werden vom Teheraner Regime unterstützt, um gegen Hamid Karzais Interimsregierung in Kabul und die Präsenz der Amerikaner, Briten und Australier zu opponieren.

Alte Gefährten - alte Rivalen

Im Norden Afghanistans spielt sich ein ähnlicher Konflikt innerhalb der neuen Machthaber ab. Dort stehen Truppen des Usbeken-Generals Abdul Raschid Dostam Kämpfern Mohammed Dauds entgegen. Die beiden Kontrahenten, beide kämpften in der Nordallianz, streiten sich um den Einfluss in irgendeinem abgelegenen Distrikt an der Grenze zu Tadschikistan.

Um alle möglichen Brandherde zu kontrollieren, reicht die derzeitige Truppenstärke der momentanen Ordnungsmacht USA bei weitem nicht aus. Bei den Verhandlungen um die Zukunft Afghanistans wurde entschieden, dass 4500 Blauhelme den Frieden in Afghanistan sichern sollen. Ghulam Nassery, der für die Friedenstruppen zuständige Minister, aber sagt, das Land brauche eine internationale Schutztruppe von 100.000 Männern. Das Land stehe in Gefahr, wieder in einen Bürgerkrieg zu rutschen. Insofern wird der stabilisierende Effekt der US-Truppen in Afghanistan von vielen begrüßt. Nur: Die Vorstellung einer amerikanischen Präsenz über einen langen Zeitraum stößt ebenfalls auf wenig Zustimmung. Vor allem nicht im überwiegend von Paschtunen bevölkerten Süden, wo die Taliban immer noch viele Sympathien wecken.

SPIEGEL ONLINE 2002


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