Stoibers Prinzip Hoffnung

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Stoibers Prinzip Hoffnung

 
30.08.02 19:46
Die Union stellte in Berlin ihr Startprogramm für die ersten Monate einer möglichen Regierungsführung vor. Die eigentlichen Probleme schiebt Kanzlerkandidat Edmund Stoiber erst einmal in die Zukunft.

Berlin - Der Kandidat gibt sich vorsichtig. Sehr vorsichtig. Ob eine von ihm geführte Bundesregierung das Ziel eines fast ausgeglichenen Haushalts, das der jetzige Finanzminister Hans Eichel für 2004 plant, einhalten könne? "Wir haben uns immer auf das Jahr 2006 konzentriert", sagt Edmund Stoiber. Eichels Zielvorgabe sei unrealistisch. Erst einmal müsse eine von ihm geführte Regierung einen Kassensturz machen, dann sehe man weiter: "Ich kann heute keine endgültige Aussage machen".

Das ist fast schon eine symptomatische Aussage an diesem Freitag, da die CDU-Chefin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident in Berlin das "Startprogramm" der Union vorlegen. Die dicken Brocken, die Stoiber anpacken müsste, sei es Bundeswehretat, Unternehmensteuern oder Haushaltskonsolidierung - sie verschiebt das Kompetenzteam lieber in die Zukunft. Als magisches Datum schimmert am Horizont das Jahr 2004. Da soll es dann wirklich losgehen - mit der neuen Großen Steuerreform. Dafür gibt es allerlei Konkretes an anderer Stelle im Programm - etwa, dass die Union Graffiti-Sprayer künftig härter bestrafen will. Oder dass sie das Gesetz zum Kampf gegen die Scheinselbständigkeit ebenso abschaffen wird wie das generelle Recht auf Teilzeitarbeit. Und natürlich soll das rot-grüne Zuwanderungsgesetz alsbald einer Revision unterzogen werden.

Das Startprogramm, verteidigt der Kandidat die Unschärfe an manchen Stellen, sei ja "kein Ersatz für ein Regierungsprogramm." Alles, betont Stoiber, habe sich dem einen Ziel unterzuordnen: Die Wirtschaft anzukurbeln, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. "Noch in diesem Herbst werden wir die Weichen für den Aufschwung stellen", verkündet er. Um dahin zu gelangen, stellt Stoiber jedoch zunächst allerlei Verrenkungen an. Dem Aufschub der zweiten Stufe der rot-grünen Steuerreform stimmt die Union zunächst zu - eine Ablehnung wäre nach der Hochwasserkatastrophe kaum zu vermitteln gewesen. Sobald sie an der Regierung ist, wird die Reform rückgängig gemacht. Ausfälle im Steuersäckel, die zum Wiederaufbau in den Flutgebieten nötig sind, will Stoiber über die Bundesbankreserven finanzieren. Er nehme damit in Kauf, dass die Tilgung der Altschulden in die Zukunft verschoben wird, lautet der Vorwurf der Regierung. Stoiber hält dagegen: Die von Rot-Grün um ein Jahr verschobene Steuerreform werde die Wirtschaft weiter belasten. Unter einer Unionsregierung, das ist die Botschaft des Startprogramms, wird alles besser: Zum 1. Januar solle der Eingangssteuersatz auf 17, der Spitzensteuersatz auf 47 Prozent gesenkt werden und die Körperschaftssteuer bei 25 Prozent bleiben.

Töpfers Dosenpfand will Stoiber abschaffen

Auf 49 Punkte hat ein Team um die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, Laurenz Meyer und den Stoiber-Vertrauten Erwin Huber den Veränderungsbedarf im Startprogramm festgelegt. Die letzten 13 Punkte zum Umweltschutz haben sie in aller Eile noch nachgeschoben - nachdem die Hochwasserkatastrophe das Thema wieder hochgespült und die Union wegen einer fehlenden Fachkraft im so genannten Kompetenzteam in die Kritik geriet. "CDU und CSU hatten immer eindrucksvolle, erfolgreiche Umweltminister: Klaus Töpfer und Angela Merkel", hat am Morgen noch der kommunalpolitische Sprecher der Bundesfraktion in einer Presseerklärung die Journalisten wissen lassen, damit auch kein Zweifel besteht, wie ernst es den Schwesterparteien um das Thema ist.

Im Startprogramm allerdings wird eines von Töpfers Großprojekten, um das er zu Kohls Zeiten zäh gerungen hatte, gleich auf die Abraumhalde geschoben: Das gültige Dosenpfand-Gesetz will Stoiber abschaffen. Stattdessen setzt er auf eine Regelung mit der Industrie über "satte Vertragsstrafen", sollten die Mehrwegquote nicht eingehalten werden. Und wenn sich die Industrie bis zum 31. Dezember seinem Konzept verweigere? Tja, sagt Stoiber und legt den Kopf leicht in die Seite, dann bleibe das Gesetz eben in Kraft.

Die fünfte Stufe der Ökosteuer hingegen, die will Stoiber definitiv zum 1. Januar streichen. Dabei hatte Töpfer noch unlängst die Ökosteuer, die er selbst einmal erfunden hatte, als sinnvolles Steuerungsinstrument bezeichnet. Stoiber umschifft auch dieses Problem. Das Umweltbewusstsein habe sich gewandelt, es gebe "kaum noch ein Land" in Europa, das sich gegen die Einführung der Ökosteuer wehre. Stoibers Hoffnung: "Wir stehen kurz vor einer Vereinbarung auf europäischer Ebene." Wie die aussehen wird - darüber fällt kein Wort.

Der Kandidat liebt die Unschärfe

Auch zur Benachteiligung von Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften, die Stoiber landauf, landab im Wahlkampf beklagt, hält er sich lieber im Vagen auf. Das passt zu seiner bisherigen Linie. Von einem "Prüfauftrag" hat der Christsoziale bis jetzt stets im Wahlkampf gesprochen - und damit den feinen Unterschied markiert, dass auch unter seiner Regierung manches beim alten bleiben könnte. Der Rest ist jener Schuß Populismus, von dem die Wahlkampfmacher hoffen, das er hängen bleibt. Wie es wirklich um seinen Einsatz für die Personengesellschaften steht, darüber läßt der Kandidat eigentlich keinen Zweifel: "Wir haben noch keine Festlegungen getroffen", sagt er am Freitag. Vielleicht würden die Personengesellschaften künftig bei Veräußerungsgewinnen freigestellt werden - oder es komme zu einer "maßvollen" Besteuerung bei den Kapitalgesellschaften.
 
Vielleicht das - vielleicht auch das andere. Alles scheint also noch möglich unter Stoiber. Änderungen seien ja Teil der Großen Steuerreform, ergänzt er, die die Union 2004 in Kraft setzen wolle. Also bleibt es vorerst auch im Jahr 2003 bei der Benachteiligung des Mittelsstandes, als dessen Anwalt sich Stoiber am Freitag präsentiert. Er nehme das in Kauf, sagt der Kandidat auf Nachfragen in der Bundespressekonferenz, denn eine solche Neuregelung dürfe "nicht übers Knie" gebrochen werden.

Wie wohl so manches andere. Beim Thema Bundeswehr hält sich Stoiber so bedeckt wie das Programm. Von einem "deutlichen Akzent" ist dort die Rede, der bereits 2003 im Etat für die Truppe gesetzt werden soll. Konkrete Summen hat Stoiber auch nicht anzubieten. Nur die Aussicht, dass es irgendwann besser sein wird. "Im Rahmen des Bestehenden" ,sagt er, werde es bei der Bundeswehr zunächst "Verbesserungen" geben. Eine "wirkliche Steigerung" des Wehretats, fügt er dann hinzu, sei aber erst bei einem Wirtschaftsaufschwung zu erreichen.
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