Sonntag 3. Februar 2002, 17:45 Uhr
Experten: Mittelstand vor neuer Pleitenwelle
Berlin (dpa) - Dem deutschen Mittelstand droht nach Expertenmeinung wegen knapperer Kreditlinien bei den Banken eine neue Pleitewelle. Angesichts der schwachen Konjunktur und strengeren Risikomanagements verwehrten Kreditinstitute zunehmend Kredite oder erhöhten die Zinsen, schreibt die «Welt am Sonntag» unter Berufung auf Manager aus dem Kreditgewerbe. Gerade bei Unternehmen mit niedrigen Umsätzen und wenig Eigenkapital mache sich Alarmstimmung breit.
«Wenn sich die Lage nicht entspannt, steht dem Mittelstand in der Tat eine Pleitewelle ins Haus», zitiert die WamS das DZ Bank- Vorstandsmitglied Friedrich-Leopold von Stechow. Vor allem in Ostdeutschland habe sich die Situation dramatisch verschlechtert.
Nach einer Studie der Universität Hamburg klagt der WamS zufolge inzwischen jedes vierte Unternehmen über die rigide Kreditvergabe. «Als Ursache werde häufig eine EU-Verordnung genannt, nach der Firmenkunden der Banken mit niedriger Bonität und wenig Eigenkapital höhere Risikoprämien leisten müssen - oder gar nicht mehr bedient werden.»
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller betrachte es dagegen als Aufgabe des privaten Bankensystems, im Interesse der Allgemeinheit die Finanzierung des Mittelstandes zu sichern. «Wer jetzt schon mit der EU argumentiert, argumentiert unredlich, denn die Bestimmungen können frühestens 2006 in Kraft treten.»
Mit drohenden Pleiten in der Kundschaft dürften indes vor allem die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen Probleme bekommen. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Dietrich Hoppenstedt, sieht den Mittelstand in einer schwierigen Lage. Fast ein Drittel der Betriebe arbeite ohne jeden Gewinn, so Hoppenstedt. Mehr als die Hälfte der Mittelständler mit einem Jahresumsatz von bis zu fünf Millionen Euro besitze kein Eigenkapital. Immer mehr Mittelständler suchten in dieser Lage die Sparkasse als sicheren Hafen.