Stabile Preise in Gefahr
Von Ulla Kochwasser
Auch wenn die letzte Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) sicherlich vertretbar ist, könnten sich weitere Schritte als problematisch für die Preisstabilität herausstellen.
Die Inflationsrate wird sich in den nächsten Monaten zwar weiter abschwächen und schon im ersten Quartal 2002 unter zwei Prozent fallen. Diese Entwicklung beruht jedoch fast ausschließlich auf deutlich moderateren Energie- und Nahrungsmittelpreisen. Dagegen erwarten wir, dass sich die Kerninflationsrate noch einige Zeit länger leicht über zwei Prozent bewegen wird.
Die Inflationserwartungen der EZB beruhen auf zu vielen Spekulationen. Hinsichtlich der Geldmengenentwicklung argumentiert die Zentralbank, dass die derzeitige Beschleunigung des M3-Wachstums größtenteils auf temporäre Verzerrungen zurückzuführen ist.
So parken Investoren ihr Geld auf Grund der Aktienmarktschwäche in kurzfristigen Titeln. Das mag sicherlich richtig sein. Die EZB kann die Höhe dieses geparkten Geldes jedoch nicht quantifizieren und somit auch nicht völlig ausschließen, dass dies nicht der alleinige Grund für den Anstieg von M3 ist. Auch können zumindest Teile des geparkten Geldes nachfragewirksam werden und so auf die Inflation wirken.
Versprechen nicht gehalten
Die Annahme, die Lohnabschlüsse blieben moderat, könnte sich als zu optimistisch herausstellen. Vor allem die Lohnverhandlungen des kommenden Jahres in Deutschland werden schon wieder in einem freundlicheren wirtschaftlichen Umfeld stattfinden. Zudem sind die Versprechungen aus dem Bündnis für Arbeit nicht eingehalten worden. Gerade auf der Zusage der Arbeitgeber, neue Arbeitsplätze zu schaffen, basierten ja die moderaten Lohnabschlüsse des vergangenen Jahres. Dies und die Tatsache, dass es in diesem Jahr kaum zu realen Lohnsteigerungen kommen wird, könnte zu aggressiven Tarifverhandlungen führen.
Außerdem bestehen noch Unsicherheiten über die Wirkung der Euroumstellung auf die Preise. Nachdem in Deutschland Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent bei einigen Produkten zu beobachten sind, folgen nun ähnliche Berichte aus anderen Ländern der Euro-Zone. Letztlich zeigt die Entwicklung an den Devisenmärkten in den letzten Tagen, dass die Erholung der europäischen Währung noch lange keine ausgemachte Sache ist.
Gegen künftige aggressive Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank sprechen vor allem zwei wichtige Faktoren. Erstens die oben genannten Unsicherheiten über die weitere Preisentwicklung, und zweitens die Tatsache, dass es Ende dieses Jahres wieder zu einer Konjunkturerholung kommen wird. Wir rechnen daher, wenn überhaupt, nur noch mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte Anfang des vierten Quartals.
Ulla Kochwasser ist Senior Economist der Industrial Bank of Japan in Frankfurt.